Wie wichtig ist Ökologie?
Also ohne gescheites ökologisches Verständnis und ohne ökologischen Weinbau kriegt man keine Spitze. Unmöglich! Alle erfolgreichen Weingüter arbeiten so. Ich bin dankbar, dass mein Sohn Friedrich mit seinen biodynamischen Ansätzen noch radikaler ist als ich. Wir denken nicht nur an heute, sondern auch an morgen. Das ist die Urform eines guten Unternehmertums und, ja, vielleicht sogar christlich fundiert. Wir sind nur Gast auf dieser Welt.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Leute von Nachhaltigkeit reden, die noch nie im Wald waren.
Ja, wir haben ein großes gesellschaftliches Problem und das ist die Verstädterung der Hirne. Das, was die Generationen vor uns gearbeitet haben, wird nicht mehr so wertgeschätzt, wie es eigentlich sein sollte. Die Menschen geben viel zu wenig Geld aus für gute Nahrung. Das zeigt sich jetzt auch bei den Neu-Ökologen, die praktisch über die Ziele hinausschießen. Das germanische Pendel schlägt immer zu weit aus. Dazu kommt der Neid, weil man sich nicht auskennt und nicht weiß, wie viel Arbeit drinsteckt. Die sehen halt nur den Wert eines Weinguts oder eines landwirtschaftlichen Betriebs.
Womit noch nichts gewonnen ist …
Wenn ich keinen Boden habe und keine Anlage drauf gebaut habe, dann kann ich nicht ernten. Es ist genauso, wie ein Schreiner Werkstatt und Werkzeug braucht. Ich glaube, dass es gar nicht so schlecht wäre, wenn die Menschen mal ein halbes Jahr irgendetwas anderes machen, um zu sehen, wie hart einer schafft, der in den Reben ist oder auf dem Acker Erdbeeren zupft.
Wo sehen Sie konkret die Verstädterung?
Beim Arbeitszeitgesetz. Das ist vielleicht gut fürs Büro, aber nicht für die Landwirtschaft. Wenn wir aufgrund des Wetterberichts wissen, dass es in vier Tagen regnet, dann muss man halt drei Tage vorher hinlangen und am vierten Tag hat man frei. Ich befürchte, dass wir in einer Art von städtischer Dekadenz unsere Gesellschaft und unsere Werte verspielen.
Beim Thema Essen wird häufig über Verbote gesprochen. Könnte gemeinsames Kochen bzw. Kochenlernen ein Weg aus der Misere sein?
Die Frau meines Kollegen und Freundes Marc Haeberlin (Auberge de l’Ill, Elsass), Isabelle, ist von Haus aus Pädagogin und gab Kochkurse für Arbeitslose und für Leute in prekären Verhältnissen. Mit dem Ergebnis, dass die Leute dann selber kochen, was billiger ist, als Fertigprodukte zu kaufen. Viele haben Erfüllung und Spaß daran gefunden und arbeiten jetzt als Hilfsköchinnen oder in Haushalten. Wir haben eine zu einseitige Ausbildung, die an den grundsätzlichen Erfordernissen des Lebens vorbeigeht.
Dann plädieren Sie fürs Handwerk?
Ich glaube, wenn alle, die eine Ausbildung im Handwerk, der Landwirtschaft oder im Dienstleistungssektor machen, die gleiche Wertschätzung bekommen wie eine geisteswissenschaftliche Ausbildung, dann kann uns nichts passieren. Wie gesagt, wir brauchen beides, nur von geisteswissenschaftlichen Ergebnissen werden immer weniger satt.
Welchen Wert hat für Sie das Mittagessen?
Also, das Mittagessen ist eine richtige große Pause, wo man zusammensitzt und sich austau-
schen kann. Ohne die geht der Austausch verloren. Wenn jeder so schnell wie möglich wieder nach Hause will oder sogar nur im Homeoffice sitzt, geht etwas verloren. Das mag in Krisenzeiten gut sein, aber der Mensch ist ein Herdentier und Herdentiere brauchen einander. Ohne das versauen und versauern sie.
Würden Sie sagen, dass hier im Schwarzwald die Welt noch ein bisschen mehr in Ordnung ist?
Ja. Wenn ich mit Kollegen rede, wo die besten und verlässlichsten Mitarbeiter herkommen, dann stammt ein großer Teil aus dem ländlichen Gebiet. Auch im Topmanagement stammen sehr viele von dort, sogar von Bauernhöfen, nicht unbedingt aus Millionenstädten. Aber leider muss man feststellen, dass sehr viele Gaststätten aus unterschiedlichen Gründen nur noch abends öffnen können oder ganz zumachen müssen.
Was lernt man auf dem Land?
Also ich habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen, und das Wissen, wo was herkommt.
Haben Sie es auch schon mal bereut? Andere gehen ins Schwimmbad oder nachmittags bolzen?
Ich durfte nicht, weil am Sonntag musste ich hinters Büffet und arbeiten.