Sägewerk Morgenthaler: ein Handwerk erwacht zum Leben

Wie Patrik Morgenthaler aus Oberachern das altes Säger-Handwerk seiner Vorfahren in die Zukunft trägt …

Text: Sarina Doll · Fotos: Jigal Fichtner

Ritsch ratsch, ritsch ratsch! 15 Sägeblätter, mühsam eingespannt in die mehr als hundert Jahre alte Gattersäge, sausen in Sekundenschnelle auf und ab. Unaufhaltsam bohren sie sich in den meterlangen Stamm des Kastanienbaums, der über dicke Walzen gleichmäßig durch die historische Säge gezogen wird. Sägewerker Patrik Morgenthaler steht in einer Wolke aus Sägemehl und sorgt dafür, dass aus dem dicken Stamm gleichmäßige Dielen werden. Alles riecht nach Holz. 

Dass diese Gattersäge aus dem Jahr 1922 überhaupt noch einen Mucks von sich gibt, grenzt an ein Wunder. Das Sägewerk Morgenthaler in der Oberacherner Holzstraße (kein Zufall!) lag viele Jahre lang im Dornröschenschlaf, nachdem Patriks Großvater den Betrieb 2004 für ruhend erklärte. Die Rolle des Prinzen, der Dornröschen wieder zum Leben erweckte, nahm beim Sägewerk Morgenthaler der 34-jährige Mechatroniker ein, der vor rund zehn Jahren seine Liebe für das alte Sägewerk entdeckte. „Ich hätte es nicht mitansehen können, wenn das hier zugrunde gegangen wäre. Da hängt einfach mein Herz dran“, sagt er, während er die fertig gesägten Dielen von Sägemehl befreit.

Aber Beginnen wir von vorne

Die Wiederentdeckung einer verloren geglaubten Liebe entstand aus einer Not heraus. Eine Holzbrücke auf dem Sägewerksgelände musste erneuert werden. „Fertige Bretter zu kaufen, obwohl wir eine eigene Säge haben, das hat sich falsch angefühlt“, erinnert sich Patrik. Und so schaute er sich die brachliegende Säge seiner Vorfahren zum ersten Mal genauer an. Das Fett in den Lagern war bröselig wie Kekse, die Technik dahinter komplex. Also versuchte er das Unmögliche möglich zu machen: das jahrhundertealte Handwerk verstehen und wieder zum Leben erwecken. Dazu schnappte er sich seinen Opa Otto, bis dato der letzte Säger der Familie Morgenthaler. An das Mittagessen von eben konnte der sich in seinen letzten Monaten nicht mehr erinnern, aber wie das Sägen funktioniert? Das hat er nie vergessen. 

Also schob Patrik seinen Opa bis zuletzt mit dem Rollstuhl zur Gattersäge, wo er mit seinen Krücken vor Freude um sich schlug, wenn der Enkel die Säge startete. „Für ihn war das wie Musik in seinen Ohren. Damit habe ich ihm sehr glückliche letzte Tage bereitet“, erzählt er. Mit Ottos Wissen und Patriks handwerklichem Geschick haben sie die Säge der Oberkircher Firma Linck Schritt für Schritt wieder zum Laufen gebracht. 

Vorbereitung ist das A und O!

Glückliche Tage – die hatte Patrik auch schon vorher des Öfteren im Sägewerk, vor allem in seiner Kindheit. Das Sägewerksgelände wurde mit den Nachbarskindern regelmäßig zum Bolzplatz, der Sägemehlkeller zur Landematte für Bungee Jumping. Heute macht es ihm sein zweijähriger Sohn gleich: „Gatter, Gatter“, ruft der mit leuchtenden Augen, als er sich mit seiner Mutter der Säge nähert. Er hat seinen Papa gehört, als er die Keile eingespannt hat, bevor die Säge überhaupt starten konnte. „Das Sägen selbst ist die kleinste Arbeit“, erklärt Patrik mit dem Kleinen auf dem Arm.

Bevor die Sägerei losgehen kann, müssen die Sägeblätter Zahn um Zahn geschärft und anschließend händisch in die Säge eingespannt werden, um auf Spannung zu kommen. Das Ziel: ein bis zwei Tonnen Zugkraft. Dazu klopft Patrik minutenlang mit einem Hammer die Eisenkeile fest – eine schweißtreibende Arbeit. Auf die Frage, ob es dafür nicht auch eine andere Lösung gäbe, antwortet er überzeugt: „Natürlich, ich könnte auch einfach Hydraulikspanner nehmen. Aber ich will eben so arbeiten, wie meine Vorfahren es vor 100 Jahren gemacht haben.“ 

Sitzen die Keile, wird die Säge „ordentlich geschmiert“, die Baumstämme mithilfe einer alten Seilwinde über eine Rampe in die alte Sägehalle gezogen und auf einem eisernen Wagen eingespannt. Ist alles in Position, kann’s losgehen – ähnlich wie beim Auto wird die Säge mit Gaspedal, Kupplung und Bremse gestartet und bedient.

Viel Support und große Träume

Inzwischen arbeitet Patrik nur noch 70 Prozent in seinem Job als Mechatroniker, in jeder freien Minute bietet er mit Unterstützung seines Vaters seine Sägedienste an. Privatleute mit eigenem Wald, die umliegenden Gemeinden und Unternehmen sind auf ihn aufmerksam geworden – teils noch alte Stammkunden seines Großvaters. „Für viele ist es ein richtiges Event, wenn wir gemeinsam ihre Stämme sägen.“

Dazu kommt, dass die Sägequalität der Gattersäge häufig besser sei als die einer modernen Industriesäge. Nicht zuletzt deswegen hat Patrik 2020 einen Dauerauftrag für einen Luxus-Holzbodenhändler bekommen. Damit kann er sich seine Leidenschaft überhaupt erst finanzieren. Und wer weiß, vielleicht kann er sich damit schon bald seinen nächsten großen Traum erfüllen: den Elektromotor der Säge wieder durch ein Wasserrad im Oberacherner Mühlbach zu ersetzen …

Eventsägen bei den Morgenthalers

Ihr habt Lust, Patriks Sägekünste hautnah zu erleben und ihm über die Schulter zu schauen? Auf Anfrage bietet er Showsägen im historischen Sägewerk an – egal, ob als Teamevent, Firmenfest oder Gruppenausflug. Dazu gibt’s leckere Verpflegung! Schaut mal hier vorbei: www.sägewerk-morgenthaler.de

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