Goldwaschen im Schwarzwald

Der Geologe Michael Leopold wäscht seit mehr als 30 Jahren Gold und gibt seine Passion in Kursen in Bad Herrenalb weiter.

Text: Jana Zahner · Fotos: Galina Ens

Die Schatzsuche beginnt dort, wo die Schaufel hinfällt. Michael Leopold steht in Sandalen im Bachbett und schaufelt Sand auf seine ans Ufer gelehnte Waschbank. In welchem Winkel das Holz geneigt sein soll? Alles nicht so wichtig. „Macht aus der Goldwäscherei keine Religion“, rät der Geologe, während er einen Eimer Wasser über den Matschhaufen kippt. Die Erde wird weggespült, zurück bleiben winzige Steinchen und Körnchen zwischen den Ritzen. Mit etwas Glück auch Gold? Denn  hier am Rand von Bad Herrenalb im Nordschwarzwald zeigt Michael Leopold gut einem Dutzend Kursteilnehmern, wie man das begehrte Edelmetall auswäscht – sogar mit Fundgarantie!

Zwergenminen und verfluchte Schätze

Rheingold soll es hier geben. Ein Begriff, der die Fantasie anregt, an Zwerge in Minen und an das verfluchte Gold der Nibelungen denken lässt. Richard Wagner hat ihm eine Oper gewidmet. Liegt am Grund der Alb, nur einen Steinwurf vom Kreisverkehr am Ortseingang der kleinen Kurstadt und den Supermärkten Penny und Rewe entfernt, ein sagenhafter Schatz im flachen Wasser? Die Hoffnung auf das große Geld hat schon so einige Männer mit teurem Equipment aus dem Internet zu seinen Kursen nach Bad Herrenalb anreisen lassen, wie Michael Leopold mit einem verschmitzten Lächeln erzählt. Goldfieber eben! Aber der Dozent weiß mit überambitionierten Erwachsenen umzugehen, denen das Edelmetall den Kopf verdreht. Zum Beispiel lernt man bei dem 67-jährigen Naturburschen, dass sich eine gut funktionierende Waschrinne ganz einfach aus Holzbrettern und einer alten Autofußmatte herstellen lässt ...
Sowieso würde es sich nicht lohnen, viel Geld in das Goldwaschen zu stecken: „Wir werden heute Gold finden, aber wir werden davon nicht reich werden“, dämpft Michael die Erwartungen seiner Schüler. Er muss es wissen: Seit mehr als 30 Jahren greift der Geologe aus Karlsruhe immer wieder zu Schaufel und Waschbank. Es ist nicht die Gier, die ihn treibt, 
sondern es sind die Abenteuerlust und die Liebe zu Erlebnissen unter freiem Himmel. Sein Hobby ist sein Beruf, zusammen mit seiner Frau und ihren beiden Kindern bietet Michael unter dem Namen Mutabor (lateinisch für: ich werde verwandelt werden) Seminare zu alten Kulturtechniken wie Goldwaschen, Feuermachen, Farbenherstellung und Bogenschießen an.

Nicht alles Gold, was glänzt

Am Grund der Alb funkelt an diesem sonnigen Tag alles verheißungsvoll. Doch wenn man in den Sand greift, zerrinnt der scheinbare Reichtum buchstäblich zwischen den Fingern. Keine Nuggets gibt es, dafür Unmengen winziger Goldflitter, gerade noch mit dem bloßen Auge erkennbar. Wie kommen die hierher? Bad Herrenalb ist die Siebentäler-stadt, sieben Bäche fließen hier zusammen, erklärt Michael Leopold. In der Umgebung kam in den vergangenen Jahren tonnenweise goldhaltiger Rheinkies zum Einsatz, etwa beim Befestigen von Wanderwegen, beim Renaturieren der Alb und bei anderen Bauprojekten – und das Wasser spült das Rheingold nach und nach aus den Steinchen heraus.

Gold ist schwer. 19-mal schwerer als Wasser, etwa sechsmal schwerer als Stein. Das machen sich Goldsucher zunutze. Nachdem die groben Partikel mit Waschbank oder Waschrinne wegespült wurden, kommt der Sand zum Feinwaschgang in eine Pfanne aus Metall oder Kunststoff. Da! Ein leuchtendes Fitzelchen zwischen den Körnchen.

Michael Leopolds messerscharfer Blick ist gefragt. Leider kein Reichtum versprechender Fund. „Das ist Katzengold“, sagt der Geologe nach wenigen Sekunden. Das Mineral, das auch unter dem Namen Pyrit bekannt ist, erkenne man an seinen geraden Kanten und der glatten Oberfläche, die das Licht trügerisch reflektiert. „Gold hat eher eine Oberfläche wie ein Brokkoli.“

Also zurück in den Bach, weiter Sand schaufeln und Kieselsteinchen waschen. Im Sommer und an goldenen Herbsttagen ein durchaus angenehmer Zeitvertreib. Für Bauern und Fischer war das Goldsuchen im Rhein bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Nebenerwerb im Winter. Wobei noch das meiste Geld mit dem schwarzen Löschsand zu verdienen war, der in den Schreibstuben zum Einsatz kam, wie Michael Leopold am Anfang des Kurses erzählt. Goldfunde mussten ohnehin beim Landesherrn abgeliefert werden. Nein, in Baden wurde man nicht wirklich reich mit der Plackerei. Mehr Erfolg versprachen sich besonders Wagemutige von den Nachrichten über reiche Vorkommen in der Neuen Welt. Auch ein Ur-ur-ur-Großonkel des Geologen wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Klondike-Goldrausch erfasst, wanderte nach Kanada aus – und kehrte einige Jahre später tatsächlich als gemachter Mann in die Heimat zurück.

MEIN SCHATZ!

Was aus seinen Nuggets wurde? Ein Familiengeheimnis, das noch gelüftet werden muss. „Im Krieg wurde das Haus zerbombt, alle haben danach gesucht, aber nichts gefunden“, sagt Michael. Vielleicht wird der Geologe also doch noch reich durch einen großen Goldschatz ...

Mehrere Waschgänge später wird die #heimat-Autorin fündig. Wenn auch im ganz kleinen Maßstab. Gegen Ende des Lehrgangs träufeln die Teilnehmer ihre gefundenen glänzenden Partikel mit einer Pipette in eine Phiole. Im Glas der Redakteurin klebt nicht nur ein Goldflitterchen, sondern auch ein goldenes Körnchen, auch für die Kurzsichtigen zu erkennen. Die kugelige Form weist darauf hin, dass das winzige Stück keine so weite Reise hinter sich hat wie das Rheingold, das ursprünglich aus den Alpen hergespült wurde. „Könnte Schwarzwaldgold sein“, sagt Michael. Kein Schatz der Nibelungen, aber ein Stückchen Heimat – und das ist ja eh am schönsten…

Schatzsuche mit Respekt

Goldwaschen wird in Deutschland außerhalb von Privatgrund und Naturschutzgebieten in der Regel geduldet, solange man keine nachhaltigen Veränderungen am Gewässer vornimmt, keine Pflanzen entfernt, keine Maschinen einsetzt und keine Spuren im Fluss oder Bachbett hinterlässt.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 45 (4/2024)

Der Sommer im Schwarzwald ist immer ein Erlebnis! Wie gerade Radfahrer die Region optimal genießen, zeigen wir euch in dieser #heimat Ausgabe in unserem Rad-Special auf 15 Seiten. Apropos Sattel: Schon einmal daran gedacht, die #heimat auf dem Pferderücken zu bereisen? Wir haben Wanderreiter begleitet, haben mit Goldsuchern geschürft und mit einem Zwetschgen-Experten aus Bühl Kuchen gebacken. Wem das noch nicht genug Summer-Vibe ist, den nehmen wir mit auf Lavendelfelder und zum Vespern im Freien…

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