Stefan Böckeler: Der Meister der Bühler Zwetschgen

Sobald die ersten Zwetschgen reif sind, ist Kuchenzeit! Konditor Stefan Böckeler aus Bühl verrät seine besten Tipps...

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Was wäre, wenn ein Metzger sich noch eine Rinderherde oder eine Schweinefarm zukauft? Dann hat er vielleicht immer Fleisch, aber auch immer ä bissle Arbeit extra. Was wäre, wenn ein Bäcker sich noch Weizenfelder pachtet? Dann hätte er immer Mehl, aber halt auch ä bissle mehr Schafferei. Also kommen solche Zukäufe selten bis gar nicht vor. Wie heißt es so schön: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Genauso verrückt wäre es, wenn ein Konditor sich Obstbäume zulegt. Aber das kam schon vor. In Bühl …

Vom Zwetschgenbaum zur Backstube in Bühl

„Ich habe in Quetsche gebadet“, erzählt der Bühler Konditormeister Stefan Böckeler. Damit meint er, dass er sich als Konditor nicht nur mit den blauen Früchten auskennt, sondern auch mit den Bäumen. „Vom Pflanzen bis zum Absägen“, sagt Stefan Böckeler in seiner Bühler Backstube, wo gerade die Zwetschge gefeiert wird. Schließlich sind wir in Bühl. Und Bühl ist für die „Quetsch“ das, was das Silicon Valley fürs Internet ist. Stefan Böckelers Vater hatte Anfang der 1970er-Jahre die Idee, sich Obstbäume zuzulegen. Er war besessen davon. Warum? Er wollte immer frisches Obst. Verständlich, schließlich war man schon damals das erste Haus am Platz. Dieser Ruf musste verteidigt werden!

Statt also seine Jugend mit Kumpels in der Disco zu verbringen, musste der junge Stefan die Leiter hinauf und Äpfel, Birnen oder eben Zwetschgen pflücken, oder er fuhr mit dem Schlepper (Traktor) die Bäume im Quetschegrabe spritzen, wie das Flurstück im Osten von Bühl hieß. Auch die Azubis mussten mithelfen. Etliche von denen, die damals dabei waren, schaffen heute immer noch in der Konditorei, die mittlerweile über 100 Mitarbeiter hat. Ab und zu erinnert man sich an jene Tage, als abends festgestellt wurde, dass man soundso viel Kilo Quetsche braucht, aber nix da war. Also musste man raus, acht oder mehr Körbe ernten für einen frischen, saftigen Kuchen. Die Bühler haben sich am nächsten Morgen dann gefreut über das leckere Gebäck. Die Saison ging schon Ende Juni oder Anfang Juli los und endete erst Anfang Oktober.

Zwetschgensaison in Bühl

„Die letzten drei Wochen geht es richtig ab“, skizziert Stefan Böckeler den Verlauf der Quetschensaison in Bühl. Da die Böckelers weitere Caféhäuser in Baden-Baden, Ettlingen und Karlsruhe haben, können sie auch gut den Stellenwert vergleichen. Anderswo ist die Zwetschge eine Frucht unter vielen, aber in Bühl ist Halligalli angesagt. Welcher Konditor hat als Erster Zwetschgenkuchen? Beim obligatorischen Zwetschgenfest im September läuft am Sonntagnachmittag eine weiße Brigade Konditoren über die Hauptstraße, die Bleche mit – erraten – stemmen wie anderswo Kapaune oder neunstöckige Torten. An ein Gerät erinnert sich der Konditor auch gerne. Das ist der Entsteiner.

Das Gerät stammt von der Firma Blickle aus Württemberg. Das Obst kommt aus Baden bzw. Bühl. Diese baden-württembergische Traumkombination beschäftigte dann über Stunden einen Mitarbeiter, der die Maschine (Stefan Böckeler: „schwäbische Wertarbeit“) mit dem Steinobst bestücken musste, die dann klack, klack, klack eine Quetsch’ nach der anderen entsteinte. Das war damals wie heute wichtig. Aber die Bühler Zwetschge hat ihre Tücken. Sie ist vom Typ fein, aber auch empfindlich (sind so nicht alle Bewohner Badens?).

Bewahrung der Tradition

In alter Zeit gab es den Obstexpress, der vor dem Krieg bis nach Königsberg rollte und nach dem Krieg immer noch in den hohen Norden. Stefan Böckeler mag sich das gar nicht vorstellen, denn mindestens fünf Prozent der Ladung wären dort nicht mehr verzehrfertig angekommen, meint er. Heute gibt es andere, weniger empfindliche Sorten, die besser und länger lagerfähig sind und auch schmecken. Die serbischen Čačaks Beste und Čačaks Schöne haben die Bühler Zwetschge schon längst überholt.

Aber für das Bühler Zwetschgenfest muss es das Original aus der Gegend sein! Da es schon vorkam, dass es zum Festtag witterungsbedingt keine mehr geben würde, kam es schier zu Zerwürfnissen in der Stadt. Während die einen wohl auch Kürbisse oder Essiggurken auf den Hefeteig gelegt hätten, damit halt irgendwas drauf ist, zeigten sich andere wie Stefan Böckeler als die Lordsiegelbewahrer der Bühler Zwetschgenkultur. So wurde gesucht und schließlich gefunden, um die „Delle“ auszugleichen (wahrscheinlich in Württemberg). „Es gibt keinen, der sich so gut kümmert wie wir“, stellt der Traditionalist klar. So gibt es Eis, Pralinen, Berliner, Konfitüre und Stollen von der Bühler Quetsch. Das ist nicht immer einfach, denn sie ist saftig. Manchmal sogar etwas zu sehr.