Früher war alles besser. Und weißer. Sagt zumindest mein Opa, wenn er an die Wintertage seiner Kindheit denkt. An seinem 82. Geburtstag vor wenigen Wochen schwelgte er in Erinnerungen an Schneeflöckchen, Weißröckchen.
Er berichtet vom Schulweg auf Skiern die Hänge der Hornisgrinde hinab. Von der Freude darüber, die Holzschuhe endlich durch Gummistiefel zu ersetzen, und der Enttäuschung, dass die für den Tiefschnee nicht hoch genug waren. Er erinnert sich an die ersten Versuche, Straßen und Wege mit Pflug und Ochs von Schnee zu befreien – und wie er als kleiner Junge Hilfe holen musste, als die Schneemassen stärker waren als die Tiere. „Aber so viel Schnee gibt’s ja kaum noch“, fügt er hinzu. Ich denke an meine Kindheit in der Ortenau. Auch ich konnte noch vor der eigenen Haustür rodeln, an den Skihängen des Nordschwarzwalds Snowboard fahren lernen und „Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus“ singen, ohne dass es gelogen war. Trotzdem: Ich kenne unseren Schwarzwälder Winter eher verregnet statt glitzernd-weiß, habe mehr grüne als weiße Weihnachten erlebt.
Eine kurze Recherche beim Deutschen Wetterdienst bringt traurige Gewissheit: Ja, Schnee wird in ganz Europa und im Schwarzwald immer weniger. In den 1960er-Jahren schneite es in Deutschland durchschnittlich an 51 Tagen pro Jahr – in den vergangenen zehn Jahren nur noch an 23 Tagen jährlich. Das bedeutet im Umkehrschluss: Ich konnte in meiner Jugend nur an rund halb so vielen Tagen Schlitten fahren wie Opa. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sind wir Schwarzwälder deutlich erfinderischer – vielleicht sogar ein bisschen durchgeknallt. Wer erinnert sich noch an das Weltcup-Skispringen in Titisee-Neustadt vergangenen Dezember, das nur dank Kunstschnee aus einem Schwarzwaldgletscher stattfinden konnte? Schwarzwaldgletscher? Klingt romantischer, als es ist, und meint eigentlich mehrere hundert Kubikmeter Kunstschnee aus Schneekanonen, der unter Planen und Styropor das ganze Jahr gelagert wurde – ja, sogar über den Sommer.
Was aber, wenn das erst der Anfang ist? Was, wenn wir in zehn Jahren wie die Snowboarder auf den Dünen Dubais ganz ohne Schnee ins Tal pesen? Wenn uns tropische Palmen statt schneebedeckter Tannen umgeben? Und wir nach einem Tag auf der Piste eine Erfrischung im lauwarmen Schluchsee einem Saunagang vorziehen? Bleibt abzuwarten. Aber eins ist sicher: Winter im Schwarzwald, so wie mein Opa ihn kennt, ist wohl buchstäblich Schnee von gestern.
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