Wölfe im Schwarzwald

Die Wölfe sind zurück im Schwarzwald. Unser Autor spricht mit Gegnern und Beschützern über das brisante Thema

Text: Daniel Oliver Bachmann · Fotos: Jasmin Fehninger

Ich war immer von Wölfen fasziniert. Vielleicht, weil ich Hunde-Fan bin? Alle Hunde kommen zu mir, da ist nichts zu machen. Und der Wolf ist der Urvater dieser Hunde. Allein, ich hatte nie einen gesehen. Das wollte ich zu meinem dreißigsten Geburtstag ändern und fuhr nach Südfrankreich in die Cevennen. Dort gibt es den Parc des Loups du Gévaudan. Zu dieser Zeit lebten dort Dutzende Rudel Wölfe auf einem großen Gelände, unterteilt in einen Besucherbereich und ein abgeriegeltes Gebiet, in dem die Tiere keinen Kontakt mit Besuchern hatten außer mit Rangern. Die Rudel stammten aus verschiedenen Klimazonen von Sibirien über die Mongolei bis zum Jemen. Als ich eintraf, war weit und breit kein Wolf zu sehen. Dann kam der Ranger, und sagte: „Schau mal hier!“ Wow, ich sah meinen ersten Wolf! Dann wies er woanders hin und ich entdeckte ein ganzes Rudel. Mein Begleiter lachte und sagte: „Wenn der Wolf nicht will, siehst du ihn nicht. Aber er sieht dich.“ Er begann die Wölfe zu füttern. Auf einmal waren sie überall.

Der Wolf GW852m

Machen wir einen Zeitsprung in den Schwarzwald von heute. „Ich bin sicher, der Wolf beobachtet uns“, sagt Christian Striebich aus Forbach zu mir, als wir uns über den Wolf unterhalten, und unterstreicht damit die Worte des wolferfahrenen Rangers aus den Cevennen. Während seiner Kindheit — er ist Jahrgang 1983 — wäre dieser Satz absurd gewesen, denn der Wolf wurde im Schwarzwald im 18. Jahrhundert ausgerottet. Jetzt sieht die Sache anders aus, und Christian ist betroffen. Mit 65 Ziegen und Schafen sowie 5 Rindern betreibt er in Forbach Landschaftspflege. Das ist wichtig, wenn man die steilen Wiesen rund um die Gemeinde anschaut, auf der keine Pflege betrieben wird: Nach kurzer Zeit sind sie mit Brombeersträuchern und Haselnusshecken überwuchert. Früher sorgten die Bauern dafür, dass Flächen frei blieben. Heute kümmern sich die Tiere von Christian um eine freie Landschaft. Seit sich der Wolf GW852m in der Gemeinde mit der zweitgrößten Waldfläche Baden-Württembergs aufhält, wurde Christians Herde mehrfach attackiert. Dabei wurden einige Schafe und Ziegen getötet oder schwer verletzt. Zu Gesicht bekommen hat Christian den Wolf nie, und ich auch nicht, obwohl ich ständig mit dem Mountainbike oder zu Fuß im Wald bin. Hin und wieder aber tappt ein Wolf in eine Fotofalle, auch in Dorfnähe. Und die Weiden von Christian sind ebenfalls dorfnah.

Wolf und Mensch

Es gibt noch mehr Gründe, warum mich der Wolf fasziniert, nicht nur weil er der Urvater aller Hunde ist. Denn wie der Mensch kann sich der Wolf in nahezu allen Regionen der Welt ansiedeln – weshalb wir fast überall Nachbarn waren. Wolfsschlucht, Wolfsgrund, Wolfach – der Wolf war über Jahrhunderte hinweg Teil des Schwarzwalds. Wir waren dort, wo der Wolf war. Und gemeinsam stehen Mensch und Wolf an der Spitze ihrer Nahrungskette. Doch anders als wir zerstört der Wolf seinen Lebensraum nicht. Außerdem ist er scheuer als der Mensch. Es kommt selten vor, dass wir uns begegnen, wenn wir es nicht drauf anlegen. Darauf verweist auch Teresa Carl. Sie ist die stellvertretende Projektleiterin im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald in Bad Rippoldsau-Schapbach: „Der Wolf ist ein heimisches Wildtier wie der Fuchs oder das Reh“, sagt sie. „Doch nach 150 Jahren ohne Wolf haben wir verlernt, mit ihm zu leben.“

Der Wolf von Gevaudan

In Schapbach hat man viel Erfahrung mit den Tieren gesammelt und setzt auf neutrale Aufklärungsarbeit, die weder beschönigt noch Panik schürt. „Generell haben Wölfe eine instinktive Scheu vor dem Menschen und sind extrem vorsichtig“, erläutert Teresa Carl. Sie geht davon aus, dass man sich an den Wolf im Wald gewöhnt, sobald die Leute feststellen, „dass er sich gar nicht für sie interessiert.“

In unserem kollektiven Gedächtnis gibt es dennoch die Geschichten und Legenden vom bösen Wolf – obwohl selbst in sehr strengen Wintern kaum mal ein Angriff von Wolfsrudeln auf Menschen bewiesen ist. Eine dieser Geschichten erzählt von der Bestie von Gévaudan. Zwischen 1764 und 1767 soll sie in der Region des heutigen Wolfparks in den Cevennen 100 Kinder, Jugendliche und Frauen getötet haben. Es wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, es gab eine Treibjagd mit 20 000 Jägern und Soldaten, der Bischof lamentierte über die Geißel Gottes und 99 Wölfe wurden der Sage nach getötet. Doch die Bestie war nicht darunter, vermutlich, weil es sie gar nicht gab. Noch heute fasziniert die Geschichte uns Menschen: Der darauf basierende Kinofilm „Pakt der Wölfe“ wurde zum Kassenschlager. 

Teresa Carl

Teresa Carl und ihre Kollegen aus dem Alternativen Bärenpark Schwarzwald klären vor Ort über Wildtiere wie Bären, Luchse und Wölfe auf – zum Beispiel bei Führungen oder auch „Nachts im Bärenpark“. Infos gibt es hier.

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