Die Familie Thoma: Schwarzwälder Überflieger

Höher! Schneller! Weiter! Niemand prägte den Wintersport so wie Familie Thoma aus Hinterzarten. Uns haben sie verraten, wie sie das angestellt haben

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Treffen sich zwei Thomas am Kachelofen im Skimuseum, dann sprechen sie von? Natürlich vom Skifahren! Langlauf, Skispringen, durch den Wald fahren, Schanzen ... Der ehemalige Skirennläufer und Wintersportunternehmer Gundolf „Gundi“ Thoma vom Feldberg besucht seinen Onkel Schorsch, besser bekannt als „de Jörgl“ und noch besser als Georg Thoma. Dieser hat als Skispringer und Langläufer Sportgeschichte geschrieben. Wer sprang in jenen Tagen weiter? Wer zeigte den Norwegern, dass sie als Skination nicht allein auf der Welt sind? Das war der 1937 geborene Georg Thoma, der 1960 im kalifornischen Squaw Valley zur Überraschung aller Olympiasieger wurde und Gold für den Schwarzwald holte. Sein Neffe Gundi fuhr alpin, war aber so talentiert, dass er wie sein Cousin Dieter auch Skispringer hätte werden können – oder Langläufer. „Das war eine Schinderei“, erinnert er sich lachend an seine Versuche in der Loipe. Und Skispringen ging ihm zu schnell. „Nur zwei Sekunden in der Luft?“ Dann doch lieber Slalom und Schuss!

Mutti ist die beste Skilehrerin

Wie lernt man Skifahren? „Mit zwei Jahren bin ich gerutscht, mit drei hatte ich meine ersten Ski“, berichtet Gundi Thoma von seinen Anfängen vorm Elternhaus. Wer war der erste Skilehrer? Die Mama! Genauso wie später, als seine Töchter Naemi und die als Jugendliche sehr erfolgreiche Marlene mit dem Skilaufen anfingen. Auch bei den beiden war es Gundis Frau Lizzy, die zeigte, wo und wie es langgeht. Georg Thoma kann sich an sein erstes Mal nicht erinnern. Da man im Winter immer irgendwohin musste, stand man halt auf den Latten und los ging’s. Selbsterklärend, würde man heute sagen, zumindest für ein Naturtalent wie Georg Thoma. Überhaupt war damals alles ein bisschen einfacher. Wenn es heute für jede Art des Skifahrens die passenden Bretter in zig Farben, Größen und Ausführungen gibt, so gab es damals in den 1940er-Jahren ein einziges Paar Ski für jeden Zweck: Mit denen wurde gesprungen, Langlauf gemacht und natürlich den Buckel runtergefahren. Als ganz junger Bursche kam Georg Thoma auf den Wunderlehof, weil seine Eltern nicht alle ihre Buben satt bekamen. Er wurde Hirtenbube. Der Bergbauernhof lag aber fast sechs Kilometer weg von Hinterzarten. „Ich hatte Heimweh“, sagt Georg Thoma, aber es ging nicht anders. Er musste Heu machen, Ziegen und Kühe hüten, das Butterfass schlagen und die Butter in Hinterzarten verkaufen, wo auch seine Schule war. Aber: Er hadert nicht. „Ich hatte bestimmt eine schöne Kindheit“, lacht er und erinnert sich, wie er im Winter jeden Tag die elf Kilometer Schulweg mit den Ski gemacht hat. Auch durch den Wald ist er gefahren. Er kannte und kennt noch immer jede Kuhle, jeden Hügel, jeden Bach, jeden Stein, weil er im Frühjahr und Herbst diesen Weg immer barfuß gegangen ist. Genagelte Schuhe gab es erst im Winter, vom großen Bruder Franz.

 

Alle Springen, einer gewinnt immer

Georg Thoma erzählt, wie er am Bach entlangsprang und seiner Fantasie freien Lauf ließ. Da war überall ein Hügel, ein Haufen Erde, und er hat sich vorgestellt, wie er drüber springt. Im Winter baute sein Bruder Ottmar Schanzen. Unten ein paar leere Obstkisten, darüber der Schnee, fertig. „Wie war’s? Wie war der Schnee?“, wollte der Bruder wissen. „Gut!“, antwortete der Jörgl. Das wiederum war Ansporn, gleich die nächste, noch höhere Schanze zu bauen. Und wieder hieß es: „Wie war’s? Wie war der Schnee?“ Alle sind damals gesprungen, gewonnen aber hat immer der Jörgl. Beim Thema Schanze bekommt Gundi Thoma Gänsehaut. Er erinnert sich, wie er als junger Kerl mit seinem Vater, dem Skischulleiter Ottmar, und dessen Gruppe auf Ski unterwegs war. Am Windeckkopflift oberhalb von Hinterzarten gab es eine steile Abfahrt mit großem Buckel, der auch als Schanze diente. Freunde und Cousins sprangen. Gundi nahm ein bisschen mehr Anlauf als nötig und sprang auch weiter – leider aber war der steile Auslauf zu kurz. Statt elegant kam es hart. „Mich hat’s ziemlich zusammengestaucht“, erinnert er sich. Ein paar Narben sind geblieben. Viel lieber erinnert Gundi sich an die Winterabende, wenn es jeden Moment schneien konnte. Dann drückte er seine Nase an die kalte Fensterscheibe und wartete auf die ersten Flocken. Sobald diese herabrieselten, schaute er eine Viertelstunde zu, dann hielt ihn nichts mehr und ging hinaus. Im Mai kam sein Vater manchmal noch auf die Idee, zum Baldenweger Buck zu gehen. Dort lag ja noch Schnee. „Eine Stunde hinauf, eine Minute runter“, beschreibt Gundi die Schufterei für dieses letzte Skivergnügen, ehe auf dem Feldberg der Frühling kam.

Charakterköpfe mit Fantasie

Die Leidenschaft für den Skisport zieht sich bei den Thomas durch alle Generationen. Georg und sein Neffe Dieter Thoma wurden die Überflieger. Die Brüder Franz, Georg, Ottmar und Albert Thoma begründeten gemeinsam das alpine Skizentrum in Hinterzarten, Gundi feierte als Skirennläufer Erfolge und fand mit „Ski in a Day“ sein Erfolgsrezept, um jedem in kurzer Zeit das Skifahren beizubringen. Seine Töchter Naemi und Marlene sind Skilehrerinnen geworden und nur eine Verletzung stoppte die Karriere der talentierten Slalomläuferin Marlene. Gibt es Gemeinsamkeiten, einen inneren Drang oder ist es „nur“ die Liebe zum Schnee? Gundi schwärmt von der Geschwindigkeit und dem Gefühl von Freiheit. Georg kann es sich gar nicht richtig erklären. Er fuhr Ski, weil man das halt so machte im Hochschwarzwald, wann immer man im Winter irgendwohin musste. Spaß hat er daran immer noch, keine Frage. „Jeder Thoma ist anders“, sagt Gundi. „Dein Großvater, der Skischulgründer Albert, war ganz eigen“, sinniert Georg. Albert Thoma war derjenige, der trotz Widerständen eine Langlauf-Skischule gründete, auch wenn die Leute ihn fragten, wie er für so etwas Geld verlangen könne. Man ahnt, dass dieses „Ganz-eigen“-Sein sich am besten auf zwei Latten ausleben lässt.

Die Dynastie

Wie keine andere Familie haben die Thomas aus Hinterzarten den Skisport nach 1945 geprägt. Albert Thoma gründete die erste Skischule, sein Sohn Georg Thoma wurde Olympiasieger. Seine Brüder Franz, Ottmar und Albert gründeten das alpine Skizentrum in Hinterzarten, wo Franz bis heute Skilifte laufen lässt. Franz Thomas Sohn Dieter wurde als Sikspringer erfolgreich, Ottmar Thomas Sohn Gundolf wurde ein bekannter Slalomläufer und betreibt heute zwei Skischulen.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 17 (4/2019)

Die deutsche Weinkönigin Angelina gibt uns die Ehre, wir kochen Weihnachtsgeschenke selber und genießen Baiersbronn.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

Versandfertig in 1 - 3 Werktagen.  

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Stephan Fuhrer

Jesus for future: Frohes Fest!

Als Kind packte unser Kolumnist an Weihnachten Plastikspielzeug aus kunststoffbeschichtetem Geschenkpapier aus. Heute fragt er sich: Soll ich meinen K...
Menschen

Straßburgs Königin der Herzen

Wer sich im Elsass auf die Suche nach Lebkuchen macht, wird immer wieder einen Namen hören: Mireille Oster
Menschen

Die Unimog-Flüsterin

Hubraum, PS, Baustelle und ganz viel Öl – einen Unimog können nur kernige Kerle kutschieren? Unsinn!
One Trick Pony, Freiburg i. Br.

Badens beste Bar?

In einem Gewölbekeller in eines der ältesten Freiburger Bürgerhäuser finden sich feinste Drinks aus besten Zutaten
... Menschen Die Familie Thoma: Schwarzwälder Überflieger