Gewürze aus aller Welt
Ihr Großvater, der gebürtige Florentiner Joseph Mugnai startete 1933 das kleine Unternehmen. Als die Mutter das Geschäft an ihre Tochter weitergeben wollte, war diese so weise und ließ ihr die Wahl. „Du kannst das Haus verkaufen“, sagte die Mutter, „es ist eh zu klein.“ Mit dem Geld könnte sie ja auf eine Weltreise gehen. „Nö, ich mach’s“, sagte Mireille Oster, und so begann ein modernes Märchen.
„Von meinem Großvater stammt das erste Rezept“, berichtet sie. Wer gut aufpasst, hört ein „aber nicht das zweite und das dritte auch nicht“ (Und auch nicht das dreißigste und vierzigste …). Weil ihr anfangs diese oder jene Zutat fehlte und ihr gleichzeitig die Neugierde in den Fingern juckte, begann sie vor 20 Jahren zu improvisieren und so kam eines zum anderen. Die Gebinde mit Nelken aus Indonesien, Ingwer aus Indien, Kardamom aus Guatemala, Anis aus Griechenland, sizilianischen Pistazien und vielem mehr sprechen Bände. Hier regiert der feine Gaumen. Außerdem machte Mireille Oster ihre Erfahrungen. Sie verzichtet auf Tannenhonig, weil dieser zu sehr herausschmeckt, für Teig nimmt sie gerne Kastanienmehl, aber pro Teig maximal die Hälfte, weil dem Kastanienmehl Gluten fehlt, also der Kleber. Bei der Butter schwört sie auf eine deutsche Marke, da ist der Wasseranteil geringer und der Fettanteil höher. Aus der One-Woman-Show wurde ein kleines Unternehmen, mit fast 40 Mitarbeitern in der Saison, die ab Mitte September beginnt. Teigmacher Monsieur Chau ist immer dabei. „Mein wichtigster Mann“, lacht sie.
Die Teigstube ist zwar eng, aber dafür sind die Wege nicht so weit. Im Hinterhof liegt Station Nummer zwei. Wie so viele Straßburger Häuser hat auch dieses ein interessantes Innenleben. Hier sieht man altes Fachwerk, eine Hausfassade gehört zu einer ehemaligen Kirche und eine Zahl zeigt, dass Straßburg wirklich „steinalt“ ist. Im Haus vis-à-vis liegt das Reich von Samian, einem jungen Afghanen, der die Teige in Form bringt.
Weihnachtsmärkte weltweit
So wandert Wanne für Wanne in die Backstube, wo ein Blech nach dem anderen gefüllt und gebacken und in ein Rollregal geschoben wird. Die Nachfrage ist phänomenal. Der Bestseller ist die Lebkuchensorte „Verdi“ mit ausschließlich italienischen Zutaten. Aber auch die Klassiker sind nach wie vor sehr beliebt.
Da die Straßburger nicht nur Gaumen, sondern auch Geschäftssinn haben, gibt es mittlerweile elsässische Weihnachtsmärkte mit Sürkrüt, Vin chaud (Glühwein) und eben Lebkuchen weltweit. Als „Gesicht“ des Unternehmens kann Mireille Oster nicht immer in Straßburg sein, sie muss sich in Paris, New York und Tokyo sehen lassen, genauso wie in Hanoi oder Seoul. Oder sie sucht auf Sizilien mal wieder beste Pistazien.
Interessanterweise kommen alle wichtigen Zutaten aus Ländern, die bis heute immun für den Zauber der Lebkuchen sind, wie zum Beispiel Italien, Griechenland, der Levante oder noch weiter im Osten. Mireille Oster lässt es sich nicht nehmen und fliegt dorthin, wo es die besten Zutaten gibt. So konnte sie zwar damals keine Weltreise machen, aber als Königin der (Lebkuchen-)Herzen sieht sie die Welt und die Herzen fliegen ihr nur so zu.
Pain d'épices Mireille Oster
14 Rue des Dentelles, Strasbourg
www.mireille-oster.com