Eine Manufaktur für Schwarzwald-Urnen

Dieser Schreinermeister baut handgefertigte und nachhaltige Unikate für die letzte Ruhe

Text: Stephanie Kopf · Fotos: Dimitri Dell

Karl-Friedrich Benischke erinnert sich noch genau, wie er nach dem Tod seiner Schwiegermutter beim Bestatter saß und gemeinsam mit seiner Frau Ulrike die Beerdigung plante. Klar war, dass es eine Urnenbestattung werden sollte. Aber die ausgestellten Urnen gefielen den Benischkes nicht: „Die sahen alle aus wie Putzeimer mit Deckel. Das wollten wir nicht haben“, erzählt der Schreinermeister aus Kandern-Riedlingen. Kurzerhand ging er in seine Werkstatt, nahm ein Stück Obstbaumholz und fertigte eine Vollholzurne für die Schwiegermutter. Die Idee für seine Schwarzwald-Urnenmanufaktur war geboren – der Startschuss für Timberhuus.

Unikate aus Schwarzwald-Holz

Die Benischkes recherchierten und entdeckten auf dem Bestattermarkt eine interessante Nische: handgefertigte Urnen aus Holz, echte Unikate, weil man für die Fertigung immer nur das Holz von Bäumen verwendet, die aus dem Schwarzwald kommen und nicht extra gefällt werden. „Wir bekommen beispielsweise von Landwirten die Stämme von Obstplantagen, die aufgegeben werden.“ Diese Stämme der auf Kleinwuchs gezüchteten Bäume sind zu kurz für die Möbelindustrie. Nicht aber für Karl-Friedrich Benischke: Aus einem 1,20 Meter langen Zwetschgenbaumstamm kann er zwei Echtholzurnen fertigen. Und jede der Urnen sieht anders aus, denn: „Wir wissen nie, wie sich das Holz bei der Fertigung so entwickelt.“ Er berichtet von intensiven Maserungen, überraschenden Schattierungen und Farbspielen unter der Rinde. Als besonders charismatisch hat sich der dicke Ast eines Kirschbaums gezeigt, der ein paar Jahre auf dem Boden lag: Hier hatte die Natur schon mit dem Zersetzungsprozess des Holzes begonnen. Die Oberfläche des Holzes sieht aus wie ein zerfurchter Stein, der seit Jahrtausenden vom Wasser geschliffen wurde: mit tiefen Furchen und markanten Ecken. 
„Im Grunde ist unser Leben ja auch so. Hier und da Macken, Furchen, Maserungen – Spuren, die unser Leben an uns und unserem Körper hinterlassen hat“, sagt Benischke mit sympathischem Strahlen. Und genau das wissen immer mehr Kunden zu schätzen: Die handgefertigte Urne als Ausdruck und Spiegel des eigenen Lebens mit all seinen Facetten, seinem Wachstum, seinen Stürmen und am Schluss auch seinem Sterben.

Urnen aus dem eigenen Garten

Der Großteil von Benischkes Kunden sind Bestatter, die Urnen im Rahmen einer Beerdigung anbieten. Es gibt aber auch Menschen, die sich einfach schon zu Lebzeiten eine Timberhuus-Urne kaufen, in den Schrank stellen und im Nachlass regeln, dass das Aschegefäß für die Bestattung zu verwenden ist. „Wir haben eine Kundin, die hat sich an einem unserer Messestände eine Urne gekauft und erzählt, dass sie diese für ihre Stricksachen nutzt. Und wenn sie irgendwann stirbt, soll statt der Wolle eben ihre Asche reinkommen“, berichtet Benischke. 
Mit seiner Manufaktur hat sich Benischke mittlerweile auch über Kandern hinaus einen Namen gemacht. Heute bekommt er aus privaten Wäldern Sturmholz, für das es keine Verwendung gibt. Oder er wird in Privatgärten gerufen, wo er Stammholz von Bäumen holen kann, die aus diversen Gründen weichen müssen. Auch ein älteres Ehepaar musste einen uralten Kirschbaum entfernen lassen, weil er bei Sturm eine Gefahr darstellte. Aus dem Holz ließen sich die Eheleute von Timberhuus jeweils eine Urne anfertigen. „Wir bieten den Service, dass wir zu den Leuten nach Hause kommen und das Holz holen. Und wenn gewünscht, fällen wir auch den Baum professionell.“ Eine Urne vom eigenen Baum aus dem eigenen Garten – vielleicht ist das ein Gedanke, der tröstend ist. Begleitet im Tod von etwas, was einem im Leben lieb war. „Der Mann ist leider vergangenes Jahr gestorben. Und ja: Er wurde in seiner Urne aus dem Holz seines Kirschbaums bestattet.“

Eine Brücke zwischen Leben und Tod

Mit seinem Label „Timberhuus“ verbindet Benischke neben Individualität vor allem Nachhaltigkeit. „Unser Holz hat einen maximalen Transportweg von 20 Kilometern bis zu unserer Werkstatt“, betont er. Und auch das, was im Rahmen der Produktion anfällt, wird restlos verwertet: Aus den Holzkernen, die beim Ausfräsen entstehen, werden kleinere Tier-Urnen hergestellt. „Und mit dem Sägemehl heizen wir unsere Werkstatt“. Da ist sie wieder: Diese Echtheit, die man auch den hölzernen Gefäßen anmerkt. Und diese Ruhe. Und dann zeigt sich, was diese Urnen mit dem Betrachter machen: Sie sind ein Trost. Ein Trost für die, die zurückbleiben müssen. Vielleicht schwingt deshalb keinerlei Dramatik mit, wenn Benischke von seiner Manufaktur berichtet. Diese Brücke zwischen Leben und Tod: Schreinermeister Benischke hat sie wirklich gut hinbekommen.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 42 (1/2024)

Die erste #heimat für 2024 ist da! In dieser Ausgabe haben wir uns passend zur frostigen Jahreszeit auf die Suche nach Schnee gemacht – und wurden fündig! Unser Autor Pascal zum Beispiel war mit dem Pistenbully rund um Bernau unterwegs und Sophie lieferte sich beim traditionellen Fassdaubenrennen in Bad Wildbad eine wilde Abfahrt. Wo 2024 sonst noch Remmidemmi ist, haben wir euch in einem Jahresüberblick mit den #heimat Veranstaltungskalender zusammengefasst. Ach, und gutes Essen und Trinken darf natürlich auch nicht fehlen: mit Rezepten zu neu interpretiertem Wintergemüse und Cocktails ganz ohne Alkohol! 

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