Geschüttelt oder gebrüht?

Aperitif ohne Alkohol? Speisenbegleitung ohne Sprit? Findet man kaum. Also hat Miriam Krämer das Start-up nonsin gegründet

Text: Jana Zahner · Fotos: Dimitri Dell

Einer ist immer der Fahrer. Oder schwanger. Und etwas Entgiftung ist nach Weihnachten und Silvester auch gut – weshalb auf die wein- und sektseligen Feiertage neuerdings der Dry January im Kalender folgt. Der Trend geht auf eine Gesundheitskampagne aus Großbritannien zurück und gewinnt auch hierzulande Anhänger. Als Belohnung winken besserer Schlaf, mehr Energie, weniger Kalorien und ein bewussterer Konsum. 

Nur: Einen Restaurantbesuch macht Abstinenz nicht wirklich genussvoller. Wer wie Miriam Krämer drei Kinder geboren und gestillt hat, kann das bestätigen. „Dann sitzt man schwanger mit dem Partner im Restaurant und stößt zu seiner Weinbegleitung mit einem Glas Wasser oder Saft an, das man sich auch zu Hause hätte gönnen können“, sagt die 30-Jährige und lacht. „Dabei will man zum guten Essen doch auch etwas Gutes im Glas haben.“ Not macht erfinderisch, und so entwickelte Mama Miriam die Idee für ein Start-up, bei dem alkoholfrei und genussvoll Hand in Hand gehen. So erblickte nonsin das Licht der Welt.

Nicht immer prickelnd

Schwefeliger Geschmack, fad am Gaumen oder so prickelnd wie eingeschlafene Füße – wer alkoholfreien Wein oder Sekt aus dem Supermarkt probiert, macht mitunter im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternde Erfahrungen. Das kann nicht alles sein, sagte sich Miriam und ging in ganz Europa auf die Suche. 

Vor dem Start von nonsin waren literweise Recherchen und unzählige Bestellungen nötig. Miriam und ihr Mann Maximilian, Koch und Sous-Chef in der Scheck-In Kochfabrik in Achern, tranken sich einmal quer durch die Welt der „no & low“-Getränke. Und den Unkenrufen so mancher Freunde zum Trotz stieß das Paar auf einige echte Perlen  ...

Seit kurzem sind bei nonsin online und in der Offenburger Franz-Volk-Straße 16, wo Miriams Schwiegermutter das Café mamaMaria betreibt, handverlesene Produkte aus der Welt des alkoholfreien Genusses erhältlich – darunter Wein, Schaumwein sowie Spirituosen ohne Sprit. Alternativen für Rum oder Gin im Cocktail gibt es etwa von den Heimat Distillers aus dem Landkreis Heilbronn. Eine rein zufällige Namensähnlichkeit zum #heimat-Magazin. Der Schwarzwald ist bei nonsin ansonsten noch unterrepräsentiert und hat offenbar Nachholbedarf in Sachen Abstinenz. Aber: „Wir sind mit Weingütern aus der Region im Gespräch“, sagt Miriam.

Schonend Alkohol entziehen

Entgegen aller Vorurteile handelt es sich bei den alkoholfreien Alternativen zu Wein und Schaumwein übrigens nicht um Traubensaft. Und: „Die Bezeichnung alkoholfreier Wein passt eigentlich nicht“, sagt Miriam. „Genauer gesagt, handelt es sich um entalkoholisierten Wein.“ Nun ist aber gerade der Alkohol ein Geschmacksträger. Voraussetzung für ein gutes Produkt sind daher ein hochwertiger Grundwein und ein schonendes Verfahren, bei dem möglichst wenig Aromen verlorengehen, die Rebsorte und Terroir verraten. „Die Techniken zur Entalkoholisierung von Weinen entwickeln sich gerade rasant weiter“, sagt Miriam. Winzer sind gewissermaßen mitten in dem Lernprozess, den Brauer schon vor Jahren absolviert haben. Und beim Bier liegt der alkoholfreie Marktanteil inwischen bei 10 Prozent.

Fürs Entalkoholisieren gibt es verschiedene Wege: Beim Vakuumverfahren verdampft der Alkohol bei niedrigen Temperaturen, bei der Umkehrosmose fließt der Wein durch eine Membran, um den Alkohol von den übrigen Flüssigkeiten zu trennen. Manche Winzer setzen zusätzlich Lebensmittelharz ein, um die Aromen zurückzugewinnen.

Entalkoholsierte Weine dürfen laut Gesetz bis zu 0,5 Prozent Restalkohol enthalten. Aber auch im Null-Prozent-Bereich gibt es Alternativen. Denn auch qualitativ hochwertige Säfte eignen sich durchaus als Aperitif, sagt Miriam. Bei nonsin gibt es etwa Cuvées vom Hersteller Kohl aus Südtirol. „Auf vier Grad heruntergekühlt, ist das ein perfekter Auftakt zum Essen“, sagt Miriam.

Jetzt will es aber auch die #heimat-Autorin wissen. Was können die „no & low“-Drinks? Schwupps schenkt Miriam ein. Ein Riesling mit Namen Freispiel der Weingärtner Stromberg-Zabergäu überrascht mit zarten Zitrusnoten. Klar, bei einer Blindverkostung würden die wenigsten Alternativprodukte unerkannt bleiben. 

Aber nach Verzicht schmeckt das definitiv nicht! Und während wir vom Wein auf alkoholfreie Rum-Cola und Aperol umsteigen und in Erinnerungen an laue Sommerabende und die Disco-Abende unserer Teenagerjahre schwelgen, werde ich noch neugieriger. Zeit, sich auf der Zunge zergehen zu lassen, was der Shaker noch so hergibt ...

#heimat Schwarzwald Ausgabe 42 (1/2024)

Die erste #heimat für 2024 ist da! In dieser Ausgabe haben wir uns passend zur frostigen Jahreszeit auf die Suche nach Schnee gemacht – und wurden fündig! Unser Autor Pascal zum Beispiel war mit dem Pistenbully rund um Bernau unterwegs und Sophie lieferte sich beim traditionellen Fassdaubenrennen in Bad Wildbad eine wilde Abfahrt. Wo 2024 sonst noch Remmidemmi ist, haben wir euch in einem Jahresüberblick mit den #heimat Veranstaltungskalender zusammengefasst. Ach, und gutes Essen und Trinken darf natürlich auch nicht fehlen: mit Rezepten zu neu interpretiertem Wintergemüse und Cocktails ganz ohne Alkohol! 

Passend hierzu:

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Gehe ma einer pfetze?

Die besten alemannischen Tunwörter

Diesmal bei unserer Mundart-Reihe im Angebot: was für Pfetzer, was für Schlotzer und was für Ummenueler …
Ulf Tietge

Magsch ein Ä kaufe?

Heißt es eigentlich der Wald, auch wenn darin nur die Tanne wächst? Gibt es Hühner-Innen-Filets auch von Hähnen? Unser Kolumnist hat so seine Schwieri...
heimat+ Inge Kimmig

Die, die immer macht

Aus einer Not geboren: Seit 30 Jahren betreibt Inge Kimmig den vielleicht höchstgelegenen Verkaufsstand im Schwarzwald
heimat+ Turngeräte upcyceln!

Turn over

Und plötzlich macht der Barren Spaß: Mit seinem Unternehmen „Zur schönen Linde“ rettet Andreas Gröbel alte Sportgeräte
... Schwarzwald Nonsin Alkoholfreie Cocktails