Der Bully, der Buckel und ich

Mit dem Pistenbully auf den Berg und mit dem Schlitten wieder runter? Klingt super, wäre da nicht ein Loch im Schnee …

Auf der A67 hat es sechs Kilometer Stau, die A8 bringt es auf drei und zwischen Stuttgart und Ulm brennt ein LKW.
Kurioserweise hört Lukas die Verkehrsnachrichten, bevor er mit seinem Pistenbully zur Krunkelbachhütte startet. In Bernau ist aber sicher kein Stau zu erwarten, dafür eine der schönsten Rodelstrecken im Südschwarzwald. 

Viel Schnee in Bernau 

Bei Bernau denken die einen an Berlin, die anderen an Schwarzwald. Beides stimmt. Aber das Berliner Bernau wird wie Helau ausgesprochen, während die Schwarzwälder Bernau schön gemütlich mit der Betonung auf Bär aussprechen. Da Bernau ä bizzele höher liegt als Freiburg, Offenburg oder Karlsruhe, hat’s dort öfters Schnee. Über Nacht hat es geschneit. Der Schnee liegt fast einen Meter hoch. Und da ich schon seit Jahren so viel Schnee nicht mehr gesehen habe, fühle ich mich wie in Alaska.

Vor der Kneipe am Skilift Hofeck treffen wir einen jungen Mann namens Lukas, der auf allen Pisten daheim ist. Er gehört zur Familie, die hier den Skilift betreibt, dazu die Wirtschaft sowie eine weitere Gastronomie und Pension. An der Kneipe hängt das badische Wappen, was nur Gutes in Sachen Bier und Landjäger bedeuten kann. Später, später! Uns interessiert die Piste. Wir wollen rodeln! Aber bitteschön mit Sonnenschein, Glitzerschnee, gepuderten Tannen und Fernsicht. Doch die Realität holt uns ein. In Bernau wabert eine Nebelsuppe. Und kalt ist es dazu. Minus acht Grad. Wir verkneifen uns die warme Stube, wir wollen nur „uffe“, hoch auf den Berg, und später „abbe“, also abwärts. Mit dem Schlitten. Angeblich kann das jeder. Einfach drauf sitzen und lenken. 

Damit wir die dreieinhalb Kilometer uffe nicht die Piste kaputttrampeln, hat jemand den Pistenbully erfunden. Vorne wird der Schnee abgeräumt, hinten wird die Schneedecke geglättet. Diese 200 PS starke Raupe ist aber auch für Transporte gedacht. Wie ein römischer Wagenlenker stehe ich auf der Ladefläche, friere im Fahrtwind und schaue, dass ich keinen der herunterhängenden Äste auf den Schädel kriege. 

Ein Bully ist ein kleiner Panzer

Der Pistenbully fährt los und es kommt mir vor wie hundert Sachen, aber es sind nur 15 Stundenkilometer. Es sei wie Panzer fahren, erklärt mir Lukas später. Es ist immer noch so grau wie in Bernau bei Berlin. Aber wenn man auf die Wolken schaut, dann erkennt man helle Flecken. Da leuchtet etwas. Ja, die Sonne! Lukas versprach uns Kaiserwetter. Ein Schwarzwaldmärchen? Mitnichten, gleich sind wir über den Wolken, sehen die verschneiten Tannen und einen unglaublich blauen Himmel. Das ist also das vielbesungene Winterwonderland. Bald haben wir auch freie Sicht auf weite Schneefelder. Dieses Hochtal ist unser Ziel. Zwei Langläufer sind auch unterwegs. Lukas drosselt seinen Schneepanzer. Wohin geht’s? Der Weg ist das Ziel, erklärt der Mann und die Frau lacht dazu. Klingt logisch, an so einem wunderschönen Tag, wo es keine Ziele braucht.

Vor uns liegt die legendäre Krunkelbachhütte, die für ihre Gulaschsuppe berühmt ist und für Honigwein und Beerenweine berüchtigt. Das birnt! Zudem gibt es einen Hotpot (eine Art Fass mit heißem Wasser) zur Entspannung nach einem langen Tag im Schnee und sogar Gästezimmer. Nach der Krunkelbachhütte (1294 m) kommt lange nichts. Nur Schnee. Und Buckel. Und das Herzogenhorn. Der zweithöchste Berg (1415,6 m) des Schwarzwalds glänzt in der Sonne wie vom Schwarzwaldranger persönlich auf Hochglanz gewienert. Statt aber von der besagten Hütte gleich den Buckel herunterzurodeln, watscheln wir noch ein bisschen auf Schneeschuhen uffe für einen besseren Überblick. Wenn wir schon mal da sind, dann wollen wir auch sehen, wo wir sind. Wir sind die Ersten, keine Spuren im Schnee zu sehen. Sprichwörtlich kam keine Wildsau vorbei. 

„Da geht sogar uns das Herz auf“, flötet eine Einheimische, die mich zum Schnaps einlädt, der im Magen einen grimmigen Eindruck hinterlässt. Immerhin: Das Wässerchen stammt aus Bernau. Auf der Kuppe schauen wir den Wolken hinterher, wie sie über den blauen Himmel ziehen, und sehen sogar den Feldberg, der an einen schlafenden, jetzt zugeschneiten Bären erinnert. Wir drehen eine Runde, dann stehen wir wieder an der Hütte. Jetzt kommt der schwierigste Teil. Nein, nicht der Beerenwein. Alles zu seiner Zeit. Die Schlittenfahrt. Es geht genau die Strecke wieder abbe, wo auch der Pistenbully zu kämpfen hatte. Wo wir dachten, der Karch packt’s nid. Es wird also steil.

Die Tücken der Piste

Der Blick über die komplett verschneite Hochebene zeigt mir, wo’s und wie’s langgeht und wohin es auch gehen könnte. Zunächst ist da ein kurzes, knackiges Stück, das aber von der Zufahrt zur Hütte unterbrochen wird, die vom Schnee freigeräumt ist. Danach geht es gerade bergab, dann über einen Buckel, dann wieder bergab, wieder Buckel, und dann verschwindet die Piste im Wald. Wie ich es vom Pistenbully gesehen habe, ist dort ein noch abschüssigeres Stück. Aber sei’s drum: Die Landschaft ist einfach herrlich!

Die Kopf-voraus-Variante finde ich zwar am effektivsten – geringer Luftwiderstand, Ihr wisst schon – aber ohne Helm ist es doch zu gefährlich. Also hocke ich mich „normal“ auf den Schlitten und sause ein kurzes, steiles Stück den Buckel runter, versuche zu lenken, komme aber in Rillen und wähle die Top-Gun-Nummer, um nicht mit den Kufen auf den Asphalt zu schlitteln. Das könnte blöd ausgehen, dämmert es mir. Der Schnee ist weich. Die Sonne scheint. Die Knochen halten. 

Das nächste Stück ist weniger steil, dafür länger. Ich schaue, dass ich maximal Stoff drauf kriege, um über den Buckel zu kommen. Die Lenkmethode „Gewicht nach links, Stiefel nach links, und ich fahr nach links“ funktioniert meistens … Dank ausreichend Gewicht (je schwerer, desto schneller) geht’s rasant, aber doch nicht schnell genug – und ich bleibe stehen wie ein Auto ohne Sprit. Da dieser Buckel so schön war, brause ich ihn in die verkehrte Richtung (SWR: Geisterfahrer zwischen Bernau-Hofeck und Krunkelbachhütte) abwärts. Kein Gegenverkehr. Weil’s so schön war, japse ich den gleichen Buckel wieder hoch und mach’s grad nochmal. Der Schnee liegt aber nicht überall kompakt. Dort, wo ich bis zu den Knien im Schnee versunken bin, klafft jetzt ein großes Loch. Da ich doch ä bissl schnell bin, klappt es mit dem Lenken nicht wie gedacht und ich lande voll Karacho im Loch. Ich kippe, mache eine Rolle (was bleibt mir übrig?) und bleibe wie ein toter Wal auf dem Rücken liegen. Herrlich! Denn wann war ich zum letzten Mal so Kind? 

Urlaub In Bernau

Bernau im Schwarzwald liegt im Landkreis Waldshut auf einer Höhe von 900 bis 1415 Metern und ist für Wandern, Wintersport, Kulinarik und Kunsthandwerk bekannt. Je nach Schneelage gibt es mehr als 60 km gespurte Loipen, fünf Skilifte und mehr als 50 km gewalzte Winterwanderwege. Der Maler Hans Thoma stammt aus Bernau. Ihm ist das Hans-Thoma-Kunstmuseum gewidmet, das auch internationale Maler ausstellt. Zudem gibt es noch ein Heimatmuseum in einem 1789 erbauten Bauernhof. Bernau gehört zur Ferienwelt Südschwarzwald.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 42 (1/2024)

Die erste #heimat für 2024 ist da! In dieser Ausgabe haben wir uns passend zur frostigen Jahreszeit auf die Suche nach Schnee gemacht – und wurden fündig! Unser Autor Pascal zum Beispiel war mit dem Pistenbully rund um Bernau unterwegs und Sophie lieferte sich beim traditionellen Fassdaubenrennen in Bad Wildbad eine wilde Abfahrt. Wo 2024 sonst noch Remmidemmi ist, haben wir euch in einem Jahresüberblick mit den #heimat Veranstaltungskalender zusammengefasst. Ach, und gutes Essen und Trinken darf natürlich auch nicht fehlen: mit Rezepten zu neu interpretiertem Wintergemüse und Cocktails ganz ohne Alkohol! 

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