Ein Herz für Hörnchen

Stefanie Buchholz päppelt in Not geratene Eichhörnchen wieder auf. Mit Volieren, die Nussknackerherzen höher schlagen lassen – und viel Liebe

Text: Sophie Radix · Fotos: Pascal Oertel

Tiny versteckt sich. Und zwar gut. „Tiny, komm raus“, lockt Stefanie Buchholz, Eichhörnchenmama auf Zeit. Doch Mademoiselle bleibt unsichtbar für uns in der Voliere. „Keine Chance“, erklärt Stefanie. „Eichhörnchen sind Meister im Verstecken. Ich habe mal drei Tage ein verletztes in einem Antiquitätenladen gesucht.“ Und das mit verschiedenen Nüssen als Lockmittel – und irgendwann sogar einem Hund als Spürnase. „Der Labrador hat aber nur die Nüsse gefressen.“ Das Hörnchen war derweil in einen gerollten Teppich geschlüpft. Stefanie pflegte es gesund und entließ es schließlich in die Freiheit – wie hunderte andere Hörnchen. Das ist ihre Aufgabe. Und das ehrenamtlich, neben ihrem Beruf als Bio- und Deutschlehrerin.
Angefangen hatte alles vor 15 Jahren, als Schüler ihr ein verletztes Eichhörnchen brachten: Jonathan. Der Beginn einer langen Liebesgeschichte zu den Tieren, die bis heute anhält. „Tiny war mit 11 Gramm das kleinste Hörnchen, das ich je aufgenommen habe“, erzählt sie von ihren aktuellen Pflegehörnchen. Auch sie verlässt die Voliere im Frühjahr wieder. „Hier oben öffnen wir einfach eine Klappe. Die Hörnchen finden dann ihren Weg zurück in den Wald.“ Hier oben, damit meint sie die Molzhofsiedlung, eine ehemalige Bergarbeiter- und Bauernsiedlung in Freiburg. Wald und Wildnis gibt es wirklich genug rund ums Hörnchen-Hotel. Die Nager sind nur ein paar Meter vom tiefsten Schwarzwald entfernt. 

WG mit Hörnchen

Zwei Volieren grenzen direkt an Stefanies Haus. Eine der beiden kann sie vom Wohnzimmer aus betreten. Es ist fast, als teilten sich Mensch und Hörnchen ein Heim. „Diese Voliere ist für meine bleibenden Gäste“, erklärt sie. Stefanie versucht, jedes Hörnchen wieder auszuwildern. Denn nur so ist es richtig: „So süß sie aussehen: Eichhörnchen sind wilde Tiere mit eigenem Revier“, erklärt die Biolehrerin. Stefanie behält Eichhörnchen nur dauerhaft, wenn sie in der freien Wildbahn nicht überleben würden. 

In der 20 Quadratmeter großen Voliere für bleibende Hörnchen wohnen derzeit Betty, Lotta und Montana. Betty und Lotta sind schon vier Jahre da. Montana ist ein Neuzugang aus dem vergangenen Frühjahr. Zu dieser Zeit kommen die meisten Pflegekinder: „Beim Baumfällen stürzen Babys manchmal aus den Nestern, den Kobeln“, sagt sie. Aber selbst dann versucht sie, die Tiere in der Natur zu lassen: „Per Audiodatei kann man Ruflaute der Babys abspielen und so die Mütter manchmal zurücklocken. Sie nehmen die Kinder dann in einen ihrer anderen Kobel mit.“ Wenn das nicht funktioniert, sorgt Stefanie für sie – und zieht die putzigen Tierchen mit Mini-Nuckel und Katzenaufzuchtsmilch auf. Heißt: alle zwei Stunden füttern. „In Stoßzeiten kann das ganz schön viel werden“, gibt sie zu. Aber: Mittlerweile hat sie viel Hilfe im Freundeskreis – und einiges erlebt ...

True crime – Hörnchen style

So hat ausgerechnet die Milch für die Babys bei einer Freundin schon für einen Schreckmoment gesorgt: „Sie hatte das Milchpulver auf dem Tisch. Zusammen mit einer Mini-Waage, um das Gewicht der Kleinen zu ermitteln.“ Dummerweise kam genau dann die Polizei vorbei wegen einer Zeugenaussage in einer anderen Sache: „Trotz aller Erklärungen brachte die Kombination aus Waage und Pulver die Polizisten dazu, alles zu konfiszieren ...“, erzählt Stefanie. 
Die winzig kleinen, nackten Babys kommen erst in den Inkubator. Mit acht Wochen dürfen sie raus, um sich auf die Auswilderung vorzubereiten. „Ich behalte die Hörnchen nur in extremen Fällen, bei Stoffwechselstörungen oder schiefen Zähnen“, so die Expertin. Die kriegen sie übrigens oft nach einem Kieferbruch: „Bei den ersten Kletterversuchen stürzen sie manchmal. Ihr Kopf ist da nämlich noch schwerer als der Körper. Sie kippen dann nach vorne und verletzen sich.“ Wenn die Fehlstellung so ausgeprägt ist, dass die Tiere nicht fressen können, kürzen ihr Mann und sie den Nagern regelmäßig die Zähne: „So können sie besser kauen.“ Andere Hörnchen gerieten wie Tiny an Katzen oder Krähen – oder ans Auto. Die meisten Anrufe bekommt Stefanie von Waldarbeitern oder Anwohnern, welche ein verletztes Tier gefunden haben. Mehr als 500 Tiere hat sie schon gepflegt – und ihre Quote ist super: „80 Prozent meiner Fälle überleben und gehen zurück in den Wald“, sagt sie stolz. „Und genau das ist mit das Schönste an der Hörnchenpflege.“

Was tun bei Eichhörnchen-Findlingen?

Stefanie ist eines ganz wichtig: Wer ein Hörnchen findet, sollte nicht versuchen, es selbst gesund zu pflegen. Denn man braucht kundige Hände dafür. Sie hat eine eigene Notrufnummer und ist in zwei Schutzvereinen für weitere Kontakte: www.eichhoernchenstationfreiburg.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 42 (1/2024)

Die erste #heimat für 2024 ist da! In dieser Ausgabe haben wir uns passend zur frostigen Jahreszeit auf die Suche nach Schnee gemacht – und wurden fündig! Unser Autor Pascal zum Beispiel war mit dem Pistenbully rund um Bernau unterwegs und Sophie lieferte sich beim traditionellen Fassdaubenrennen in Bad Wildbad eine wilde Abfahrt. Wo 2024 sonst noch Remmidemmi ist, haben wir euch in einem Jahresüberblick mit den #heimat Veranstaltungskalender zusammengefasst. Ach, und gutes Essen und Trinken darf natürlich auch nicht fehlen: mit Rezepten zu neu interpretiertem Wintergemüse und Cocktails ganz ohne Alkohol! 

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