Meister der Spannung: Ein Bogenbauer aus Freiburg

Laurin Krause hat schon als Kind Flitzebögen gebaut – und ist dieser Leidenschaft treu geblieben. Wer ihm begegnet, entdeckt eine spannende Welt

Text: Ulf Tietge · Fotos: Jigal Fichtner

Es riecht einfach herrlich. Nach Holz und Leim. Nach Opas alter Werkstatt und frischem Sägemehl. Nach Mittelalter und Robin Hood, nach Abenteuer und Winnetou, nach Helden von gestern und dem Kind im Manne. Schon interessant, was so eine Bogenbauer- Werkstatt an Emotionen auslösen kann, erst recht die von Laurin Krause hier im Freiburger Bahnweg. Den kennt selbst an der Dreisam nicht jeder. Gut so, sonst wäre hier zwischen Werkstätten und Schrebergärten die Zeit sicher nicht so schön stehen geblieben. So aber laufen wir weitab von Neubausiedlungen vorbei an einer mehr als mannshohen, gusseisernen Bandsäge aus der Kaiserzeit. Fest einbetoniert. Mit dem Mühlbach zu betreiben oder per Generator. Es geht eine schmale Stiege hoch, am Holzlager vorbei und hinein ins Glück. Der Holzboden mit seiner Patina. Das wunderschön altmodische Sprossenfenster. Das Werkzeug an den Wänden: Stemmeisen, Zugmesser und Schraubzwingen. Holzhämmer, Leimtöpfe und Schnitzmesser. Dazu drei betagte Werkbänke und ein Schniedesel, mit dem man früher Schindeln geschnitzt oder Stangen geschält hat. Ein Doppelschleifer in der Ecke ist so ziemlich das einzige Zugeständnis an  die Moderne. Akkuschrauber oder lasergeführte Kreissägen sucht man hier vergeblich.

 

Die erste Begegnung

Stattdessen hängen überall um uns herum Bögen an der Wand. Aus Eibe und Ulme, aus Bergahorn und Hartriegel, aus Esche, Weißdorn und Robinie. Englische Langbögen zumeist, mit denen man im Mittelalter mehr als 300 Meter weit schießen konnte. Moderne Bögen kommen auf bis zu 1200 Meter – aber der Vergleich mit diesen Carbonfaser-Monstern ist, als stelle man einen Mercedes-Benz 300 SL mit seinen Flügeltüren aus den späten 1950er- Jahren neben irgendeine Supersportflunder von Hyundai oder Kia. Ja, die ist schneller. Aber wen juckt’s? Natürlich hat Laurin Krause meinen Blick gesehen. Er kennt das. Vielen geht es hier so. Und die meisten erleben hier auch ihr erstes Mal, ihre erste Begegnung mit einem Langbogen. Ich kriege einen aus Ulme. 40 Pfund Zuggewicht. Fachmännisch gespleißte Sehne ohne Knoten. Aus einem einzigen Stück Holz gefertigt – aber was mich wirklich baff macht: Der wiegt ja gar nichts! 300 Gramm vielleicht, viel weniger jedenfalls als die Primitiv-Bögen aus Haselnussstecken, mit denen ich als Kind Baumarkt-Holzstäbe mit ollen Kartoffeln als Spitze verschossen habe. „So ähnlich habe ich auch angefangen“, sagt Laurin und grinst. „Ich glaub, ich hab mit sechs oder so meinen ersten Flitzebogen gebaut und dann nie damit aufgehört.“ Was auch immer es an Literatur zum Thema Bogenbau gab: Laurin hat es gelesen. Er machte seine Lehre, ging drei Jahre auf die Walz und arbeitete bei anderen Bogenbauern. Und dennoch: „Das Meiste muss man sich selbst beibringen.“ Heute gibt Laurin sein Wissen weiter und bietet Bogenbau-Kurse in Dreier-Gruppen für jedermann an. Gutscheine dazu gibt es bei uns im Shop unter www. heimatbude. com – und dass es kaum ein cooleres Weihnachtsgeschenk gibt, muss man wohl kaum extra erwähnen, oder? Schließlich stiefeln die Teilnehmer nach ihrem Wochenende mit Laurin mit ihrem ganz eigenen Bogen nach Haus …

Auf in den Wald!

Für die Bogenbaukurse und alles andere braucht es Holz. Nicht irgendwelches natürlich. Astfrei ist gut. Zug- und Druckfestigkeit spielen eine Rolle. Dazu eine ordentliche Rückstellkraft und eine gleichmäßige Biegung. Laurin schlägt sein Holz daher jetzt im Winter, stets bei abnehmendem Mond. Ein Jahr muss es lagern und wird oft als Rohling schon in Form gebracht. Dann geht es an die Säge und entweder entsteht Feuerholz für den Bollerofen oder ein neues Wunderwerk der Technik aus dem Mittelalter. Laurin schnappt sich einen armdicken Stamm und zeichnet an. Der Länge nach wird der Stamm aufgeschnitten und das immer der Faser entlang. Denn die darf man nicht durchtrennen. Im zweiten Durchgang geht es ums Seitenprofil, um die Mitte und die Längsachse, ums Tiefenprofil und solche Dinge. „Um einen schießbaren Bogen herzustellen, braucht es nur zwei bis drei Stunden“, sagt Laurin. „Je nach Finish stecken acht, zwölf oder auch 20 Stunden drin – und nach oben gibt es keine Grenze.“

Hirschhaut statt Carbon

Laurin hat schon Bögen mit einer nur noch papierdünnen Schicht Fischhaut als Backing gebaut. Andere haben Kirschrinde auf dem Bogenrücken oder sind mit Harzöl und Schellack auf Hochglanz getrimmt. Die Griffteile kann man aus mehreren Holzschichten aufbauen, die Bogenspitzen (die Tips) schnitzt Laurin aus Horn oder Hartholz. Und wer mag, bekommt einen Bogen mit den Eigenschaften von glasfaserverstärktem Kunststoff – aber gemacht aus Hirschhaut und Pflanzenfasern, Leim und viel Erfahrung. Dazu passende Pfeile und eine Sehne aus fünf bis sieben Strängen Nylon oder Dyneema – Hanf ist einfach zu unpraktisch. „Meine Bögen soll man schießen können“, sagt  Laurin. „Sie sind nicht bloß Deko.“ Entsprechend wichtig ist, dass der Bogen zum Schützen passt. Die Armlänge spielt dafür eine Rolle, die Technik und die Kraft. Einsteigerbögen für Jugendliche liegen bei 15 bis 20 Pfund Zuggewicht. Erwachsene beginnen mit 25 bis 35 Pfund – das reicht für Flugweiten zwischen 150 und 200 Metern. Englands legendäre Bogenschützen nutzten Bögen mit etwa 100 Pfund Zuggewicht und den aktuellen Weltrekord hält ein Amerikaner mit einem 180-Pfund-Bogen, dessen 57 Gramm schwerer Pfeil 427 Meter weit flog. „Dann kann man nur nicht mehr zielen“, sagt Laurin und lacht. „Und du kannst vielleicht einen oder zwei Pfeile fliegen lassen. Ich aber hab Bock auf ein paar mehr. Magst du mitkommen?“

Bogenschiessen?

Bögen sind Waffen und keine Spielzeuge – sie fallen jedoch nicht unter die Restriktionen des Waffengesetzes oder der Waffenverordnung und können daher als Sportgerät ohne weitere Erlaubnis genutzt werden. Eine gute Übersicht über Bogensportvereine und sichere Schießwiesen in der Region listet die Website vom Bogensportverband unter www.bvbw.org auf. Und bevor jetzt jemand auf ganz doofe Ideen kommt: Man schießt weder auf Menschen noch auf Tiere, sondern auf Zielscheiben. Das Mittelalter ist nämlich Geschichte …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 23 (6/2020)

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#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

 

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