Kunst und Kantine

Seit Mai ist Offenburg um eine hippe, urbane Location reicher. Die Rede ist von der Kantine am alten Kesselhaus, in der Offenburgs gastronomischer Alleskönner Willi Schöllmann Badens vielleicht beste Sandwiches resch rösten und saftig belegen lässt. Ein kleiner Gastraum mit Strumbel-kuratierter Kunst an den Wänden, eine schöne Terrasse mit großer Freitreppe, dazu das alte Kesselhaus mit seiner Patina: Hier müsste es nicht einmal mehr gut schmecken, damit man sagen könnte, man habe hier eine gute Zeit verbracht –  hoffentlich tut’s das aber trotzdem!

Dennoch: Viel los ist heute nicht. Komisch eigentlich, schließlich ist morgen Feiertag und die Karte wirklich verlockend. Starten wir den Abend mit einem Amerouge-Tonic? Gute Idee! Dazu zwei der Sandwiches, auf die sich die Kantine spezialisiert hat. Austernpilze mit Teriyaki-Sauce vielleicht? Mit Ingwer, Chili und Koriander im Brioche-Brot? Oder doch lieber die Kombination mit Shrimps-Cocktail, Radieschen und Caesar- Dressing? Gar nicht so einfach, zumal das vegane Banh-Mi-Sandwich mit gebratenem Tofu, hausgemachter Leberwurst ohne Wurst, süß-saurer Rettich-Karotte, veganer BBQ-Mayo, Gurke, Chili und Cashews auch sehr lecker klingt.

Am Ende wird’s ein Salted-Beef-Sandwich im Vollkornbrot für Susanne und die carnivore Banh-Mi-Variante für mich, bei der sich zu all den veganen Versuchungen noch eine dicke Lage dünn aufgeschnittener Schweinebauch hinzugesellt. Ein Sandwich für Flexitarier, würde ich sagen, und wundere mich über den Preis: elf Euro. Ziemlich günstig, wenn man bedenkt, was in der Kantine alles selbst gemacht wird: der Schweinebauch, die eingelegten Gurken, die Dressings, die vegetarische Leberwurst, die Cheddar- Sauce und mehr. Das eigens für die Kantine entwickelte Brot kommt von der immer kultiger werdenden Bäckerei Glatz in Offenburg, das Salted Beef von der Metzgerei Dirr in Endingen am Kaiserstuhl. Alles handwerkliche Könner!

Mit Piepser geht es nach draußen. Vorbei an einer schönen kleinen Sammlung moderner Kunst und einem gigantischen Tannenzapfen aus Corten-Stahl, den Künstler Stefan Strumbel hier an einen riesigen, alten Kranhaken gehängt hat und der an die industrielle Vergangenheit dieser beeindruckenden Immobilie erinnert. Das Kesselhaus hier am Mühlbach hat einst die Spinnerei versorgt, die vor 150 Jahren für Offenburgs erste Blütezeit sorgte. Irgendwann war der Ofen aus, die Spinnerei Geschichte und die Gebäude fingen an zu verfallen. Retter in der Not war am Ende der Offenburger Künstler Stefan Strumbel, der für sehr viel Geld das fast kathedralenhaft wirkende Kesselhaus mit seinem gigantisch hohen Maschinenraum, den dicken Backsteinmauern und Offenburgs schönster Fensterfront zu seinem Atelier gemacht hat. Darunter haben OG Projects und das Forest Studio einen Platz gefunden, den Anbau zur Ostseite hat Strumbel erweitern lassen und so Platz geschaffen für die Kantine seiner Freunde Martin Kammerer und Willi Schöllmann. Die sagen übrigens über ihr Konzept: „Es ist unsere Antwort auf Personalknappheit und Personalkosten.“ Zehn Tische haben Platz auf der kleinen Terrasse, die Kantinen-Crew lässt chillige Musik laufen und wir denken: Auf dem Quartierplatz vor dem Kesselhaus könnte man auch herrlich Boule spielen – aber das geht nicht, weil jetzt schon unser Essen kommt. Stilecht serviert auf handbemalten Platten von der Zeller Keramik und nicht etwa in Papier gewickelt oder in Pappe verpackt.

Das Banh-Mi-Sandwich entpuppt sich als herrliche Alternative zum ewigen Wurstsalat, und der Beilagensalat ist bunter als gedacht: Pflücksalat, Paprika, Kraut, Radiesle und knackige Croutons – dazu eine großartige französische Vinaigrette. Klasse! Nicht anders schaut’s beim Salted-Beef-Sandwich aus, auch wenn ich bei dieser Kombi denke: Vielleicht hätte man doch die schlonzige Cheddar-Sauce noch dazubestellen können – aber das machen wir dann gern beim nächsten Besuch!