Beste Aussichten: Unterwegs mit der Schwarzwaldbahn

Der Schwarzwald eine der schönsten Bergbahnen Europas – und das seit nunmehr 150 Jahren. Wir sind mal mitgefahren

Text: Pascal Cames Fotos: Klaus Hansen

Fabriken bauen, Flüsse begradigen, Bahngleise verlegen: Das 19. Jahrhundert brummte. Auch kleine Länder wie das Großherzogtum Baden leisteten sich eine Eisenbahn. Aber wie konnte man die sogenannte Hauptstrecke im Rheintal mit Konstanz und dem Bodensee verbinden? Das war die große Preisfrage! Immerhin liegt ein Mittelgebirge dazwischen. Ein Mann aus Karlsruhe hatte schließlich Ideen für eine Bergbahn, die den Höhenunterschied von 650 Meter stemmt – die Schwarzwaldbahn war erdacht …

 

Europas schönste Bergbahn

Diese Bergbahn gibt es noch immer, mittlerweile seit stolzen 150 Jahren. Und sie gilt als eine der schönsten Panoramastrecken Europas. Wenn es nicht irgendwo eine Baustelle gibt, fährt sie stündlich. Zeit für einen Ausflug! In Haslach im Kinzigtal warte ich auf dem Bahnsteig auf den Zug. Das Laufband zeigt eine Verspätung von fünf Minuten an. Das ist okay in diesen Zeiten. War um 1873 sicherlich auch nicht anders. Dafür sind’s die Züge. Statt einem Stahlross, das schwarz-grauen Rauch auspumpt, fährt eine rote Bombardier TRAXX (früher Alstom) ein. Diese Lok ist so eine Art VW auf Gleisen, denn sie ist in mehr als 20 Ländern im Einsatz. Die roten Waggons sind zweistöckig. So sieht man mehr! Der Wagen hat eine kleine, durch Glas abgetrennte Erste Klasse. In den anderen Abteilen sitzt man etwas enger. Immerhin gibt es keine Dritte Klasse (Holzklasse) mehr, wie zu Zeiten Hemingways, der 1922 zum Forellenfischen nach Triberg fuhr. Die Sitze sind gepolstert. Schon nach wenigen Minuten sehe ich die ersten Schwarzwaldhäuser, dann Backsteinhäuser, wie sie oft an Bahnübergängen stehen. Diese Bahnwärterhäusle erinnern mich an Kuckucksuhren – und das ist kein Zufall. Der Erbauer der Schwarzwaldbahn, Robert Gerwig, war anfangs Schulleiter der neuen Uhrmacherschule in Furtwangen. Die Uhrenindustrie war in jener Zeit (und noch lange danach) Badens Jobmotor. Die Schwarzwälder hatten lange Winter und damit Zeit genug zum Spengeln und Werkeln. Auch zu Zeiten Kaiser Wilhelms belebte Abwechslung das Geschäft. Eine Uhr hält zwar ewig, aber es ist wie mit den Bildern an der Wand, an denen man sich schnell satt gesehen hat. Schulleiter Gerwig rief darum 1850 einen Uhren-Wettbewerb „vaterländischer Künstler“ ins Leben, um mit neuen Modellen das Uhren-Business zu pushen. Die noch nie dagewesene „Bahnhäusleform“ gewann. Das war die geniale Verbindung von Tradition mit dem damals weltweit modernsten Fortbewegungsmittel. Bis heute gehört ein Dächle auf die zünftige Kuckucksuhr.

Mit Tunnels die Kurve kriegen

Und Robert Gerwig hatte auch für die Bahnstrecke Offenburg–Konstanz Ideen. Grips wurde gebraucht, denn wie sollte ein Zug diesen Aufstieg nur schaffen? Zudem gab’s Gegenwind. „Die Eisenbahn kommt niemanden zugute, als den schnell durchfahrenden Reisenden, den Handeltreibenden und den Vergnügungssüchtigen, die schnell in einen Ball oder ins Theater da hier zu fahren wünschen“, ätzte Hofgerichtsadvokat Adolf Sander im badischen Landtag. Statt Handelsreisenden und Vergnügungssüchtigen entdecke ich unter den Passagieren nur Schüler, Pendler und Touristen. Täglich sind es zwischen Hausach und Villingen um die 3000 Fahrgäste. Gerwig hatte einen Plan, um seine Kritiker zu überzeugen. Aber auch Genies können mal falsch liegen. Der Karlsruher hatte nicht daran gedacht, dass die Bahn auch dem Holztransport dienen sollte. Die Langhölzer waren zu lang und hätten wahrscheinlich die Tunnel blockiert. „Doch diese Niederlage ließ ihm keine Ruhe und so legte er 1865 nach gründlichen Untersuchungen eine verbesserte Lösung mit zwei Doppelschleifen bei Niederwasser und Triberg sowie einem Kurvenradius von 300 Metern vor. Dies überzeugte die Verantwortlichen und er erhielt den Auftrag zum Bau der Schwarzwaldbahn“ (Obermaier/Stein, „Schwarzwaldbahn“). Für dieses Meisterstück mussten 39 Tunnels gebohrt und gesprengt werden. Das ging nur, weil das Dynamit erfunden wurde.

 

Drei Varianten, ein Ziel

Die vielen Tunnels und Doppelschleifen führen dazu, dass ich irgendwann die Orientierung verliere. Ich sehe auch keine Straßen mehr. Natürlich nicht, denn Gerwig ließ die Gleise oben am Berg legen und nicht unten im Tal. Aber noch etwas anderes verwirrt mich. Der Zug sollte doch nach Osten fahren, stattdessen fährt er nach Westen. Auch sieht man öfters die gleichen Landschaften oder auch Gebäude wie die Fabrik mit dem markanten Schornstein. Das liegt an der Streckenführung, die an ein hingeworfenes Seil erinnert. Erst vor St. Georgen wird das Zugfahren wieder wie gewohnt: Es geht geradeaus.

Gerwig standen drei Strecken zur Auswahl. Die leichteste Schwarzwaldüberquerung wäre die über Schramberg gewesen. Aber diese Variante hätte württembergisches Gebiet an die Welt angebunden – und nicht badisches. Keine Option. Damals wie heute gehört eine Infrastruktur zum wirtschaftlichen Erfolg. Für die badische Uhrenindustrie wäre das verheerend gewesen. Eine weitere Trasse war technisch noch kniffliger. So blieb nur die bergige Strecke über Triberg als Alternative übrig. Meine Augen entdecken nicht nur Wald und Wiesen, sondern auch den nackten Fels, der manchmal mit Stahlgitternetzen als Schutz vor Steinschlag überzogen ist. Klar, dass das auch für Gerwig das ganz große Thema war. Schließlich zeigte sich das Gebirge so renitent wie ein alemannischer Dickschädel. „Der Schwarzwälder Gneis ist eben manchmal unberechenbar, mal ist der Fels feinkörnig, mal grobkörnig, mal trocken, mal hart, je nach Wasserführung und Verwitterung. Günstig ist für uns allerdings Ihre geniale Idee, zu den bisherigen eingleisigen Strecken, die Strecke zwischen Hornberg und St. Georgen mit einem zweigleisigen Bahnkörper auszubauen. So nutzen wir das Ausbruchmaterial zur Aufschüttung des zweiten Gleisbettes und sparen uns die Zeit, alles Felsgeröll aus dem Tunnel zu transportieren.“ (Obermaier/Stein, „Schwarzwaldbahn“)

Wer konnte bei solchen Verhältnissen schaffen? Gerwig fand viele seiner Leute südlich der Alpen. Bekanntlich ist Italien nicht nur das Land der Strände und uralten Städte, sondern vor allem ist es bergig. Zwei Drittel der Landschaft sind nicht flach! In Norditalien wurden erfahrene Arbeiter angeheuert. „Attenzione! Signori e Signore! Alle mal herhören. Die Eisenbahn aus Alemagna sucht weitere 30 Arbeiter. Bewerber melden sich morgen ab 8.00 Uhr in der Taverna Cristallo in San Giacomo Filippo zur Anwerbung.“ (Obermaier/Stein,„Schwarzwaldbahn“)

Der französisch-preußische Krieg (1870) verzögerte den Bau. Erst 1873 wurde der kniffligste Teil zwischen Hausach und St. Georgen mit dem Viadukt in Hornberg beendet. Taugt die Bahn was? Also wurde zur Probefahrt geblasen. „Die Fahrt auf der wiewohl vielfach gewundenen und stark ansteigenden Bahn zeugte durch den raschen und leichten Gang des Zuges von der soliden und kunstmäßigen Anlage; die Brücken und Übergangswerke insbesondere entsprachen den gestellten Anforderungen aufs Vollkommene.“ („Erprobung der Schwarzwaldbahn“, Der Kinzigtäler, 6.11.1873).

Im höchsten Bahnhof der Schwarzwaldbahn (St. Georgen, 862 Meter) steige ich aus. Hätte ich mir in Triberg besser einen Pullover kaufen sollen? St. Georgen ist ob seiner Kälte gefürchtet. Aber nein, es ist genauso warm wie im Tal. Der höchste Bahnhof der Schwarzwaldbahn wurde erst drei Jahre nach der Fertigstellung gebaut. Dieser schaut schwarzwälderisch aus, während andere wie der Haslacher WWan einen italienischen Palazzo erinnern. Aber hier wie dort gibt es keine Bahnhofswirtschaft mehr, wo es Menüs, Vesper und Flaschenbier für die Reisenden gibt. Auch der Fahrkartenverkauf wurde längst eingestellt und niemand bimmelt die Glocke. Keiner ruft „Bitte einsteigen!“ Jetzt übernehmen Snackautomaten, Schalter mit Bildschirm und automatisierte Ansagen das Geschäft. Schnell ist der Bahnsteig wie leergefegt.

Wohin jetzt? Ans Schwäbische Meer nach Konstanz? Nein, ein kleiner Teich liegt grad zehn Gehminuten vom Bahnhof weg. Wie Millionen andere Fahrgäste bin ich am Klosterweiher schon zigmal vorbeigefahren. Wie mag es dort sein? Das Wasser glitzert so schön im Licht. Schwimmen kann man hier und sich einen Sonnenbrand holen, stelle ich fest. Cappuccino gibt’s auch. Italiener? Nein, die Betreiber kommen zwar aus der Emilia-Romagna, sind aber Albaner. Die Schwarzwaldbahn bringt nicht nur die Menschen von A nach B, sondern lässt sie manchmal auch irgendwo dazwischen sesshaft werden. Warum denn nicht? Es ist schon ein tolles Land, wo der Kuckuck ruft, das Auerhuhn sich hartnäckig versteckt und das Kirschwasser am Brunnen sprudelt. Schön, dass diese Lebensader noch so lebendig ist …

Unserer Tipps für Ein- und Aussteiger

Haslach i.K.

Schwarzwälder Trachtenmuseum: (Klosterstraße 1). Nicht alle Schwarzwälder trugen Bollenhüte. Was es sonst noch gab, ist hier zu finden.

Museum Freihof: (Hansjakobstraße 17). Keiner schrieb mehr über die Heimat als der Pfarrer und Lebemann Heinrich Hansjakob (1837–1916). Hier wird er gewürdigt.

Besucherbergwerk Gottes Segen: (Silberbergweg 27, Schnellingen) Gab es einen Schatz im Silberberg? Hier kann man es herausfinden.

Urenkopf: (Start: Ortsmitte) Leichte Rundwanderung zu einem der schönsten Aussichtstürme der Region. Unterwegs liegt auch die KZ-Gedenkstätte Vulkan. 7,4 km.

 

Hausach

Städtisches Museum (Hauptstr. 1): Wer sich für Hausach interessiert, muss hier rein. Sehr vielfältig!

Burg Husen: Die Zähringer Burg liegt direkt am Westweg. Harter Aufstieg, aber ein famoser Ausblick!

 

Gutach

Kunstmuseum Hasemann-Liebich (Kirchstraße 4): Gutachs Malerkolonie wird im ehemaligen Krämerhaus gewürdigt. Besagte Künstler „erfanden“ den Bollenhut mit.

Freilichtmuseum Vogtsbauernhof (Wählerbrücke 1): Alle Haustypen der Schwarzen Wälder sind hier versammelt. Mit eigenem Bahnhof.

 

Hornberg

Schloss Hornberg: Die „Heimat der Minnesänger“ war auch mal Gefängnis. Vom Schloss gibt es den besten Blick auf Hornberg und sein Viadukt.

Freilichtbühne: Die Kanonen der sommerlichen Inszenierung des Hornberger Schießens donnern durchs gesamte Gutachtal. Dazu gibt’s Märchen und Krimis.

 

Triberg

Hotel Café Adler (Hauptstraße 52): Die Lordsiegelbewahrer der Schwarzwälder Kirschtorte können auch andere Kalorienbomben.

Schwarzwaldmuseum (Wallfahrtstraße 4): Uhren, Drehorgel, Schnitzereien und ein begehbarer Stollen machen den Reiz des Heimatmuseums aus. Auch über die Schwarzwaldbahn und Gerwig gibt’s Infos.

Wasserfälle (Eingang: Hauptstraße 85): Sieben Fallstufen, 163 Meter Fallhöhe: Das Naturschauspiel lockt Touristen aus aller Welt an. Bahnerlebnispfad (Start: Bahnhof). Die 12 Kilometer lange Rundwanderung bietet einen Vierbahnenblick und mehr. Auf 16 Schautafeln wird die Bahnstrecke erklärt.

 

St. Georgen

Klosterweiher (Hauptstraße 9): Das Naturschwimmbad mit Kinderplanschbecken, Flo., Beachvolleyball, Café und Terrasse.

Heimatmuseum Schwarzes Tor (Bahnhofstraße 37): Wie lebte es sich in einem Schwarzwaldhaus? Hier gibt’s urige und echte Einblicke.

Phonomuseum (Bärenplatz 1): Nicht nur Uhren wurden im Schwarzwald gefertigt, sondern auch Grammophone und Plattenspieler

#heimat Schwarzwald Ausgabe 39 (4/2023)

Rein in den Sommer – mit unserer Liegestuhl-Lektüre! Wir laden Euch diesmal zum Abtauchen ein, denn wir haben uns gefragt: Wo kühlt man sich im Schwarzwald ab, wenn die Sonne brennt? Zusammengetragen haben wir eine bunte Mischung aus altbekannten und geheimen Bade-Spots. Auch darüber hinaus ist Wasser voll unser Element! So sind wir zum Beispiel in Pforzheim auf der Black Forest Wave gesurft und waren tauchen im Rhein. Außerdem sind wir für ein Wochenende im schönen Renchtal gestrandet, haben mit Berlinale-Chef Dieter Kosslick eine Runde Promi-Gossip ausgetauscht und uns durch das blaue Gold von Enzklösterle probiert: Waldheidelbeeren

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