Sensen für Anfänger

Auch wenn Landwirte auf Maschinen setzen, wird hier und da immer mal wieder wie früher gemäht – z. B. in Bermersbach

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Spätestens jetzt weiß man, wo der Barthel den Moschd holt. Wer schon mal einen Traktor mit Mähwerk in Aktion gesehen hat, weiß was Sache ist. Diese 500 PS starken Monster mähen ruckzuck die größten Wiesen. Wer das alleine mit der Sense machen will, darf schon mal seinen Jahresurlaub einreichen …

Einmal gelernt hebt's ewig

Man weiß zwar, dass es Sensen gibt, aber wer hat schon mal einen Menschen damit auf einer Wiese gesehen? Seitdem es Traktoren und Mähwerke gibt, ist die Sense auf dem Rückzug. Dank der modernen Mähroboter, die sogar in die steilsten Hanglagen kommen, braucht es im Prinzip keinen Mäher mehr, der sich einen Buckel abschafft. Das ist auch sehr anstrengend. Auf der anderen Seite gibt es lokale Sensenwettbewerbe und sogar Europameisterschaften in dieser Disziplin. Irgendetwas daran muss wohl Spaß machen! Besuchen wir einen, der sich damit auskennt. Der Bermersbacher Landwirt Konrad Schilli vom Meierhof gehört mit seinen 72 Jahren zu dem Schlag Mensch, der das noch gelernt und gemacht hat. „Früher“, erzählt er, „kamen Wanderarbeiter ins Tal. Die haben dann die Wiesen gemäht.“ Es gab aber auch Einheimische, die im Tausch gegen einen kleinen Acker jedes Jahr geholfen haben. Dabei zeigt er auf die große grüne Fläche, die mehrere Fußballfelder groß ist und sich zwischen den Hügeln und der Schnellstraße B33 hinzieht. Dort, wo jetzt auch Weizen und Emmer im Wind wehen, könnte man Gras mähen. Schauen wir mal, was heute machbar ist. Wir rumpeln mit dem Traktor über den holprigen Feldweg zur Wiese. „Damals standen die Männer in einer Reihe und haben die Wiese gemäht“, erzählt der Landwirt. Die Wanderarbeiter sind mit dem Frühling das Tal hochgewandert. Immer mit der Vegetation. Denn im Tal beginnt der Frühling früher als auf der Höhe.

Mähen ist wie Rad fahren oder Schwimmen. Wer’s einmal gelernt hat, vergisst es nie mehr. So, als würde er es jeden Tag machen, schnappt sich Konrad Schilli die Sense vom Bulldog und bewegt das Sensenblatt mit kleinen, kurzen Hüftdrehbewegungen. Es sieht aus, als würde es über dem Gras schweben, aber reihum fallen die Halme ganz leicht. Ruckzuck ist  in Quadratmeter gemacht, dann zwei, dann drei. Morgens um fünf wurde angefangen, dann gab’s eine Pause um neun („S’Nieni“), dann wurde weitergemacht bis um 11 Uhr, erzählt er nebenbei. Getrunken wurde mit Wasser verdünnter Most, eventuell auch Schnaps. Nach dem Mittag war es zu heiß und das Gras zu trocken. „Wenn das Gras feucht ist, haut die Sense besser“, sagt Konrad und senst weiter …

Der Anfänger

Nach diesem Exkurs darf ich probieren, ich habe ja schon zugeschaut und müsste also wissen, wie es geht. Theoretisch. Würde man einem Steinzeitmenschen Messer und Gabel geben, das Ergebnis wäre ähnlich elegant. Entweder rasiere ich das Gras zu weit oben ab oder ich ramme das Sensenblatt in die Erde. Wo kann man das lernen? Mein Seufzer hallt durchs halbe Tal. Aber das war’s dann schon wieder, weil ein Gewitter aufzieht. Unter schwerem Landregen fahren wir zurück zum Meierhof.

Scharf wie's Messer

Dort zeigt Konrad, wie man eine Sense schärft, damit sie immer haut, also scharf wie’s Messer ist. Das eine ist das Wetzen mit dem Wetzstein, der im Kumpf steckt, einer Art Köcher. Konrad nimmt den grauen Wetzstein und haut links und rechts aufs Sensenblatt, wobei die Schläge nicht richtig treffen, sondern abstreifen. Ich probiere es auch, was dazu führt, dass mein Vorbild jetzt auch noch Sorgenfalten bekommt.

Eine weitere Sache ist das Dengeln. Dafür setzt sich der Landwirt an einen Stein mit Miniamboss. Auf diesem bearbeitet er das Sensenblatt mit dem Hammer und treibt den Stahl hauchdünn aus. Je dünner, desto besser, desto schärfer. Dass es Leute gibt, die gerne mit der Sense arbeiten, kann sich Konrad nicht wirklich vorstellen. Landwirtschaft macht ja eh schon mehr Arbeit, als der Tag Stunden hat. Der alte Landwirt hat immer noch 30 Hektar Grünland.

Beim Sensenmacher

Dass es diese Zielgruppe gibt, erfahren wir bei Roland Reminder, 66, in seiner Sensenwerkstatt in Seebach. Roland weiß alles und handelt auch mit Sensen. Die Sensenblätter bezieht er aus Österreich, den Sensenbaum (den Worb) fertigt er selbst. Vor Jahrzehnten schaute er in Enzklösterle bei der Europameisterschaft der Mäher zu und da packte es ihn. „Schaut gut aus. Will ich auch lernen.“ Dann kniete er sich rein und merkte, dass Sense nicht gleich Sense ist. Denn eine Sense muss individuell an den Mäher angepasst sein. Ähnlich wie bei einem Fahrrad, wo Sattel und Lenker eingestellt werden. „Wir haben vom Opa eine Sense, die passt aber nicht!“, hört er öfters.

Der saubere Schnitt

Der Worb oder auch Sensenbaum muss also eine Maßanfertigung sein. Zunächst gibt es Holzarten zur Auswahl: Esche, Kirsche, Buche. Für den Worb werden dünne Latten verleimt, das Holz wird zugesägt, gebogen, es wird geschliffen und poliert. Für vieles hat es Maschinen, anderes geht nur von Hand. Klassisch gibt es vier Worb-Formen: Gerade, krumm, gebogen oder geschweift. Zudem muss man wissen, dass auch die Haltegriffe verschieden sein können – es gibt sogar Sensen ohne! Andererseits gibt es auch Wörbe mit natürlichen Handgriffen, dafür braucht es Astholz, das erst noch im Wald gefunden werden muss. Dass Sensen so verschieden sein können, hat seinen Sinn. Mit manchen Sensen lässt sich unterm Geäst mähen, andere sind hervorragend für Hanglagen, Hügel oder ebenes Gelände. So wie die Völker anders essen und trinken, so mähen sie auch verschieden. Ein Baske mäht anders als ein Schotte und dieser wieder anders als einer vom Thurgau. Roland: „Es gibt 26 Kantone und jeder hat eine andere Sense.“ Zu seiner Kundschaft gehören weniger Landwirte oder Winzer mit Steillagen, sondern Manager, Lehrer, Ärzte mit einer Streuobstwiese oder einem Rasen. Wer mäht, macht das aus sportlichem Ehrgeiz oder weil er die Natur achtet. Ein Mähroboter zerstört das Gras und ein Fadenmäher gibt evtl. sogar Mikroplastik ab. Ein Benziner hat auf einer Streuobstwiese auch nichts zu suchen. Eine Sense bietet dagegen den klaren, sauberen Schnitt und das Gras ist als Futter verwendbar oder lässt sich zu Heu trocknen. Andere greifen aus anderen Gründen zur Sense: Wer eine Wiese mäht, arbeitet konzentriert und findet dabei die im Alltag verlorene Ruhe und Achtsamkeit wieder. Zudem kommt man sprichwörtlich in Schwung. Ich denke noch: Yoga ist teurer und kraftaufwendiger, da erklärt Roland wieder Technik: „Die Klinge muss über der Grasnarbe schweben, damit es wenig Kraft braucht.“ Er macht es vor. Es schaut so leicht aus! „Der richtige Mähschwung ist eine Übungssache.“ Alles, was jetzt noch fehlt, ist ein großes Stück Wiese …

Mahd

Als Mahd wird der erste Mähgang (Schnitt) auf einer Wiese im Frühjahr bezeichnet. Das Gras lässt man zu Heu trocknen. Zwar werden der Wiese durch den Schnitt Nährstoffe entzogen, aber ohne das Mähen würde das Grünland verbuschen. Früher oder später wäre alles Wald. Auch gemähte Wiesen bieten Lebensraum und Biodiversität. Normalerweise wird eine Wiese im Spätsommer nochmals gemäht, das heißt Öhmd oder auch Grummet.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 39 (4/2023)

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