How to Schnapsbrunnen

Einen Kulturschock erlebte unsere schwäbische Kolumnistin, als sie vor 10 Jahren zum ersten Mal das Renchtal besuchte. Dann aber tauchte bei einem Spaziergang ein Schnapsbrunnen vor ihr auf – es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft… 

Text: Jana Zahner

Vor zehn Jahren trank ich in Oberkirch zum ersten Mal aus einem Schnapsbrunnen – eine Liebe auf den ersten Blick. Ich verbrachte damals das erste Wochenende bei der Familie meines Freundes. Zuvor hatte ich auf der Fahrt in die Ortenau irritiert festgestellt, dass meine bessere Hälfte mit immer fremderer Zunge sprach, mit jedem Kilometer näher an der Heimat sich mehr in einen mir bis dato fremden Vollblut-Renchtäler verwandelte. Als Schwäbin aus Ravensburg hatte ich noch nie einen Fuß in den Mittleren Schwarzwald gesetzt. Badischkenntnisse? Nope. Während ich bei einem Spaziergang den Kulturschock verarbeitete, tauchte am Wegesrand die Brücke auf, die mich künftig über viele Sprachbarrieren tragen sollte: Ein Holzfass, umgebaut zum Schränkchen mit Spirituosen, Softdrinks und Kässchen. Und das steht hier einfach so rum, zur Selbstbedienung? Gastlich sind sie, die Badener, und haben offensichtlich noch ein Urvertrauen in die Menschheit. Prost!

So besiegelten der Schwarzwald und ich mit einem Gläschen Willi den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Schnapsbrunnen waren künftig auf Wanderungen in der Ortenau immer da, wenn ich sie brauchte. Vorbei die Zeiten, in denen man literweise Wasser durch die Gegend schleppen musste. Kein ängstliches Rationieren mehr im Sommer! Denn die Kühlschränke an Bauernhöfen, die Getränkekisten in Brunnen und Bächen und die vergrabenen Behälter mitten im Wald, sie wurden gefühlt mit jedem Verwandtenbesuch mehr.

Mittlerweile sind mein Partner und ich nach Offenburg umgezogen. Und wir fragen uns: Ist in der Region ein heimlicher Wettbewerb im Gange? Die Schnapsbrunnen scheinen immer pompöser zu werden. Die Auswahl an Getränken und Snacks wächst exponentiell, fast rechnet man damit, bald auf ganze SB-Supermärkte im Unterholz zu stoßen. Und es gibt wohl keinen Brenner mehr, der nicht auch meisterhaft Skulpturen mit der Motorsäge schnitzen kann …

Der Wanderer steht indes vor strategischen Fragen: In welcher Richtung laufe ich den Rundweg, damit das Angebot an Schnapsbrunnen zu meinem Bedarf an Pausen passt? Wie viel Kleingeld muss mit? Wie vertragen sich 40 % Steigung im Magen mit dem Höhenprofi l der Route? Ich mein: Wer fünf Sorten Kirschwasser verkostet hat, will sich ja nicht unbedingt gleich darauf steile Serpentinen hinaufkämpfen. Das ist eine Wissenschaft nach meinem Geschmack. Denn mein Badisch ist zwar immer noch schlecht, dafür werde ich von Jahr zu Jahr im Planen von Schnapswanderungen besser …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 39 (4/2023)

Rein in den Sommer – mit unserer Liegestuhl-Lektüre! Wir laden Euch diesmal zum Abtauchen ein, denn wir haben uns gefragt: Wo kühlt man sich im Schwarzwald ab, wenn die Sonne brennt? Zusammengetragen haben wir eine bunte Mischung aus altbekannten und geheimen Bade-Spots. Auch darüber hinaus ist Wasser voll unser Element! So sind wir zum Beispiel in Pforzheim auf der Black Forest Wave gesurft und waren tauchen im Rhein. Außerdem sind wir für ein Wochenende im schönen Renchtal gestrandet, haben mit Berlinale-Chef Dieter Kosslick eine Runde Promi-Gossip ausgetauscht und uns durch das blaue Gold von Enzklösterle probiert: Waldheidelbeeren

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