Outdoorgrillen im Schwarzwald

Reh aus dem Erdloch, Lachs vom Lagerfeuer und Kalbsbäckle aus dem Topf: Willkommen zum Outdoor-Kochkurs unter Obstbäumen

Text: Ulf Tietge Fotos: Patrick von Au

Es regnet nicht. Es schifft. So ein richtig ergiebiges Sommergewitter geht über uns nieder, durchweicht die Schuhe und lässt die Streuobstwiese matschig werden. So abenteuerlich feucht-fröhlich hätte unser Outdoor-Grillevent mit Tim Santo und seinen Freunden gar nicht werden müssen –
oder vielleicht doch?

Wir sind irgendwo bei Kippenheim. Obstbäume stehen hier, unten im Ort hat die Schlossbrauerei gerade einen Sud aufgesetzt, während wir mal so richtig Feuer gemacht haben. Nicht mit Gas oder Kohle in einem Hightech-Monstergrill, sondern auf und in der Erde. Ganz ursprünglich. Wir haben die Feuerstelle mit Steinen eingefasst, haben uns aus Biertischen eine improvisierte Küche gebaut und den Anhänger dahinter voll mit Küchengeräten, Werkzeug und Ideen. Eine große Wurstpresse, ein Frischwassertank zum Händewaschen, eine kleine Blechkaffeekanne wie am Yukon und ein Messersortiment wie beim Scherenschleifer: alles da.

Nur einen Regenschirm, den haben wir nicht.

Als wir vor ein paar Stunden unser großes Loch für das Hangi gegraben haben, brannte noch die Sonne vom Himmel. Und wir brannten zurück. Erst haben wir uns mit dem Klappspaten fast einen Meter tief in die Streuobstwiese gegraben, dann sind wir mit der Motorsäge aufs Holz los und haben einen Scheiterhaufen in Gang gesetzt. Dicke Steine haben wir in die Glut geworfen – die braucht es, um nachher die große Rehkeule, eine ganze Ente und das Riesenstück Lamm in einem Kokon aus Kohlblättern sanft auf Temperatur zu bringen.

Tim Santo bereitet derweil die großen Fleischstücke und einen Korb Kohlköpfe für das Hangi vor. In Neuseeland hat das Erdlochgaren eine große Tradition. Auf Hawaii und Island spart man sich das Feuermachen und macht sich stattdessen einfach die vulkanische Aktivität des Untergrunds zunutze. Auch eine Möglichkeit …

Wenn man Tim beim Arbeiten zuschaut, dann hat das ungeachtet der Klapptische unter dem Schneidebrett wenig mit dem zu tun, was sich die Trapper im Wilden Westen geschnippelt haben. Dafür ist Tim einfach zu virtuos. „Ich war Koch im Colombi“, sagt er und zieht sein Messer noch mal über den Stahl. „Aber irgendwann habe ich eine Lebensmittelallergie entwickelt und das war’s dann mit der Sterneküche.“ 

Hin und wieder mal mit Freunden kochen – das geht nach wie vor. Kochkurse geben sowieso. Und natürlich grillen. Am liebsten mit Heiko Zoller und Jochi Maurer. Heiko ist Metzgermeister. Einer von der modernen Sorte. Hipster-Bart, viel Freude an neuen Ideen und kein Bock auf Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker.

Jochi dagegen ist Zimmermann. Und Tüftler. Und ehemaliger Elite-soldat. Einer von denen, die hinter feindlichen Linien abgesetzt werden und die sich dann auf eigene Faust durchschlagen. Grillen am Lagerfeuer und badisches Asado – verglichen mit seinen Einsätzen ist das fast schon luxuriös, oder? 

Jochi grinst nur. Er spricht nicht über seine Zeit als Soldat, lieber bindet er zärtlich den beiden Maispoularden vor ihm die Flügel an die Rippen. „Das ist wichtig, damit die Vögel gleichmäßig über dem Feuer garen“, sagt er und rammt zwei Stecken in den Boden. Draht drantüddeln, Broiler baumeln lassen und sich Zeit lassen. 

„Das mit den Outdoor-Kochevents war anfangs nur eine Bieridee“, sagt Tim. „Wir haben uns einfach gegenseitig inspiriert, was man am Lagerfeuer alles machen könnte: Entrecote vom Buchenscheit. Bannock-Brot. Ochsenbäckle aus dem Dutch Oven oder Lagerfeuer-Karamell aus der Konservendose.“

Aus der Bieridee und ein paar Versuchen mit Freunden ist ein Start-up geworden. Tim und seine Freunde feuern für Firmen an, grillen für Vereine und organisieren Lagerfeuerkochkurse für Hobbyköche. Großer Genuss mit einfachsten Mitteln. Eine herrliche Idee. Aber schmeckt das auch?

Oh ja! Wir beginnen mit gerösteten Bauernbrotscheiben und Frischkäse. „Unser badisches Bruschetta“, sagt Jochi. Frischkäse und Kräuter, Nussöl und ein bisschen Knoblauch – ganz einfach. Aber sehr lecker. 

Mit Lachs vom Brett geht es weiter. Den Fisch filetieren wir, reiben ihn mit Gewürzen ein und schnallen ihn mit Flügelmuttern an zwei dicke Bohlen. „Anfangs haben wir den Fisch einfach aufs Brett genagelt. Wenn man darauf achtet, dass man keine verzinkten Nägel nimmt, geht das auch.“ Die Bohlen mit dem Fisch kommen nicht übers Feuer, sondern aufrecht an den Rand. Die dicke Seite nach unten, damit alles gleichmäßig gar wird. Das Holzfeuer aus Buchenscheiten und alten Obstbaumästen schenkt dem Lachs eine schöne Rauchnote. Nur: Wie weiß man jetzt, dass er auch fertig ist? „Ganz einfach“, sagt Heiko und zieht ein Grillthermometer aus der Tasche. „Bei etwas über 50 Grad ist der Lachs noch schön glasig innen. Wer den Fisch stärker durchgegart haben möchte, geht bis 60 Grad. Comprende?“ Weiter geht es mit Bannock-Brot aus der Feuerschale und wir lernen, wie wichtig es ist, die Teigfladen von sich weg ins heiße Öl gleiten zu lassen … 

Dazu lassen wir uns ein Entrecote schmecken. Nicht vom Grillrost oder vom heißen Stein – sondern einfach vom rot glühenden Buchenscheit. Drauflegen, nach 20 Sekunden umdrehen, noch mal umdrehen und fertig. „Unser Superfood vom Steinzeit-Beefer“, sagt Tim und grinst. „Aktivkohle soll ja gut für den Körper sein. Wichtig ist bloß, dass man das nur mit Buche macht. Nadelholz ist viel zu harzig.“

Während wir uns durch die ersten Gänge futtern, schmurgeln die Ochsenbäckchen mit Wurzelgemüse im Dutch Oven. Modell: Petromax, 10 Liter. Der gusseiserne Topf war früher auf jedem Planwagen und in jedem John-Wayne-Film dabei. „Das war der Topf der Siedler und Trecker“, sagt Tim. „Mit dem Dutch Oven kannst du alles machen. Das Ding ist Kochtopf für Suppe oder Chili con Carne, dient als Backofen für Brot und taugt notfalls auch als Pfanne für ein paar Eier.“ Entscheidend ist, wie man dem Dutch Oven Feuer macht. Für unser Schmorgericht haben wir den Topf auf einen Ring glühende Kohlen gesetzt und einen weiteren Ring Kohlen auf dem Deckel verteilt. Ober- und Unterhitze. Das kann am Ende nur gut werden …

Gleich neben dem gusseisernen Alleskönner haben wir ein Spanferkel über Feuer geschnallt. Die Haut haben wir mit einem Teppichmesser eingeritzt (dadurch verletzt man das Muskelfleisch darunter nicht) und dann das Schwein sorgfältig mit Salz und Gewürzen eingerieben. Vom Teppichmesser-Peeling sieht unsere Sau aus, als hätten wir sie ausgepeitscht – nur so aber kriegen wir die Gewürze ans Fleisch und die Schwarte in dünnen Streifen schön knusprig. Gute zwei Stunden braucht die Sau – aber so lange mag Petrus nicht mehr warten.

Denn plötzlich schüttet es wie aus Eimern. Unser großes Pavillonzelt stellen wir ratzfatz übers Feuer. Man muss Prioritäten setzen. Das Spanferkel einfach absaufen lassen – undenkbar. Und der Boden überm Hangi darf bitte auch nicht zu nass werden. Also trotzen wir dem Regen. Ohne Zelt, aber dafür mit heißem Kaffee aus der Blechkanne vom Lagerfeuer.

Als es dämmert, hört der Regen auf und die Stimmung steigt. Das Spanferkel ist fantastisch geworden. Außen knusprig, innen saftig. „Entscheidend ist, wie man das Schwein an sein Grillgestell bindet“, sagt Tim. „Das Fleisch sollte überall etwa gleich dick sein.“ 

Nach dem Schwein brauchen wir einen Schnaps, ehe wir zum Dessert noch einen Erdbeer-Cobbler im Dutch Oven machen. Obstler. Was auch sonst, hier oben in den Kippenheimer Streuobstwiesen auf halbem Weg zwischen den Rocky Mountains und den tiefen Tälern des Urals. Wenn jetzt noch jemand eine Gitarre dabei hätte – wir könnten die ganze Nacht am Lagerfeuer sitzen bleiben … 

#heimat Ortenau Ausgabe 9 (4/2017)

Mit Lego und Käsefondue machen wir uns winterfein - und behalten das Wild so lange im Visier, bis es auf dem Teller liegt...

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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