Grilling me softly: Ein Grillmeister im Gespräch

Webers Europa-Chef Hans Herr erwartet goldene Zeiten: Für ihn lösen Grills das Auto
als Statussymbol ab 

Text: Ulf Tietge · Fotos: Jigal Fichtner

Er gilt als der Mann, der den Deutschen das Grillen neu beigebracht hat: Hans-Jürgen Herr. Genussmensch und Geschäftsmann. Badener von Geburt, von Berufs wegen Berliner, aber immer wieder gern in Durbach bei Gerhard Volk. Mit ihm hat Hans Herr vor zehn Jahren die Weber Grillakademie entwickelt, mit inzwischen 1,3 Millionen Absolventen die größte Kochschule der Welt. Seither liegen von Freiburg bis Friesland nicht mehr nur Würstchen, Nackensteaks oder Schweinebauch auf dem Rost. Und es geht auch nicht mehr darum, Fleisch über offenem Feuer in Kohle zu verwandeln …

Sein Lohn für diese kulinarische Erweckungsmission: Als einziger Deutscher unter lauter Amerikanern sitzt Hans seit 2012 im Vorstand von Weber-Stephen. Für den größten Grillhersteller der Welt befeuert er neue Trends, lässt immer neues Männerspielzeug entwickeln und darf sich freuen, dass seine Marke inzwischen einen Kult-Charakter irgendwo zwischen Harley-Davidson, Tupperware und Thermomix erreicht hat.

 

Eine Frage muss bei uns jeder beantworten. Was ist für dich Heimat?
Für mich ist Heimat meine Familie und die Erinnerungen an früher: Wie wir in den Ferien morgens um halb fünf raus sind und runter zum Fischwasser. Oder wie wir Brüder uns beim Maultaschen-Wettessen gemessen haben. Das hat nie bei acht aufgehört, eher bei 16 oder 17. 

Würdest Du das heute noch schaffen?
Nie im Leben! 

Es gibt Gegenden, da fragt man: evangelisch oder katholisch? Mich würde interessieren: Gas oder Kohle?
Alles! Ich bin passionierter Kohlegriller, aber bei sechs von zehn Gelegenheiten nehme ich Gas. Gerade unter der Woche und wenn es schnell gehen muss. 

Und was hast Du zuletzt aufgelegt und selbst gegrillt?
Das war vergangenen Freitag. Lachs auf einem Zedernholzbrett. 

Damit sind wir beim Thema. Weber hat den Deutschen eine neue Art des Grillens beigebracht. Indirekt. Mit viel Gefühl und viel Technik. Früher hat man Fleisch einfach schön durchgebraten – jetzt drapiert man eine Lachsschnitte auf einem Zedernholzbrettchen und sucht den perfekten Gargrad …
Das ist eine lange Geschichte, die 2004 angefangen hat. Damals bedeutete Grillen: Nackensteak und Würstchen. Direkt überm Feuer. Wenn du aber nur Steak und Würstchen grillst, machst du das ganz sicher nicht 20-mal im Jahr. Also haben wir angefangen, die Vielfalt des Grillens zu erklären und bekannt zu machen. Daraus ist ein Lifestyle geworden, und ganz unabhängig vom geschäftlichen Erfolg: Unser Leben ist schöner geworden. 

Du beschreibst Deutschland, als wäre es ein Grill-Entwicklungsland gewesen.
Das war es auch. Anfang der 2000er-Jahre hatten wir die niedrigsten Grill-Durchschnittspreise und grillten seltener als irgendjemand sonst in Europa. 

Das dürfte sich geändert haben …
Ja. Heute sind wir top. Deutschland ist in Sachen Grillkultur weiter entwickelt als die USA. Vielleicht noch nicht ganz bei der Häufigkeit des Grillens – aber in Sachen Vielfalt, Qualität und Popularität auf jeden Fall. 

Wer ist bei Euch auf die Idee gekommen, Grills konsequent als Status­symbole zu positionieren?
Wir haben Weber bewusst als Lifestyle-Produkt präsentiert. Gleich mit der ersten Kampagne. Es war uns klar, dass es um mehr als nur das Gerät an sich gehen muss. Aber wir haben auch Glück gehabt. Der damals sehr starke Gourmet-Trend hat uns in die Karten gespielt. 

Ihr habt zigtausend Männer dazu gebracht, als Markenbotschafter für Euch Werbung zu machen. Immer nach dem Motto: Komm’, ich muss dir mal meinen Grill zeigen! Und dann reden wir über die Vorteile von Edelstahlrosten, Grillspießmotoren und Brenner-Anordnung.
Unser bestes Marketing ist, wenn Männer mit unserem Grill umgehen können. Denn es läuft doch immer wieder so: Jemand besitzt einen Grill von uns, lädt Freunde ein, man genießt einen wunderschönen Abend und auf der Rückfahrt nachts um zwölf sagt der Mann zur Frau: „Weißt Du was, wir kaufen uns auch so ein Ding.“ Das ist entscheidend. Du könntest Werbung machen, wie du willst – wenn deine Kunden mit deinem Produkt nicht umgehen können, würde das alles nichts nützen. 

Es sind immer noch die Männer, die den Grill kaufen?
Ja. Auch wenn Frauen zusehends mehr grillen: 88 Prozent unserer Kunden sind Männer. 

Männer und ihr Spielzeug. Früher waren das Autos.
Das ist in der Tat interessant. Der Grill ist dabei, das Auto als Statussymbol abzulösen. Vor allem bei den Millenials trifft man immer mehr Menschen, die sagen: Ich brauch’ kein Auto – aber einen guten Grill. Nur einen Wermutstropfen gibt es noch: Ein Grill steht hinten im Garten, das Auto vorm Haus. 

Grills haben auch Abgase. Oder anders gefragt: Wann gibt es den ersten Weber mit Katalysator?
Den Katalysator haben wir noch nicht, aber wir haben eine erfolgreiche Entwicklung in Sachen Elektro-Grills. Mit Strom aus erneuerbaren Quellen ist es somit leicht, klimaneutral zu grillen. Da gibt es also auch Parallelen zum Auto.

Ist ein Elektro-Grill für Grillfreunde wirklich schon eine echte Alternative? 
Aber klar! Wenn ich in Berlin bin, grille ich mit dem Pulse auf dem Balkon. Das geht genauso wie auf dem Gasgrill. In Sachen Slow Cooking hat er sogar Vorteile. 

Was haltet ihr bei Weber von Pellets als Energiequelle?
Pellets sind eine sehr interessante Geschichte und können sicher ein Teil der Grill-Geschichte von morgen werden. Ich glaube, dass viele Grillgerätehersteller über dieses Thema im Moment nachdenken. 

Weber hat gemeinsam mit Gerhard Volk deutschlandweit Grillakademien aufgebaut, Grillbibeln geschrieben und viel Story um die Geräte herum aufgebaut. Wie viele Besser-Griller sind von Euch geschult worden?
Wir begrüßen im Jahr etwa 160 000 Teilnehmer in unseren Grillakademien. Über die zehn Jahre sind so gut 1,3 Millionen Männer ausgebildet worden, von denen viele inzwischen in ihrem Freundeskreis die Weber-Fahne hochhalten. Damit ist die Weber Grillakademie die weltweit größte Kochschule. Was wir vor zehn Jahren mit Gerhard konzipiert und begonnen haben, hat sich von einer badischen Idee zu einer globalen Erfolgsgeschichte entwickelt. In Schanghai und Peking genau so wie in Durbach oder Chicago. 

Wie sieht die Zukunft dieser Initiative aus?
Wir machen weiter – aber Inhalte und Didaktik werden sich ändern. Jüngere Zielgruppen wollen einfach anders abgeholt werden.

Und wie?
Mehr Kreativität ist ein Stichwort. Noch mehr Erlebnis. Gleichzeitig wollen wir dem Alles-nur-noch-digital-Trend mit der Grillakademie etwas entgegensetzen. Denn je mehr ich vorm Computer sitze, desto mehr will ich auch mal hands-on was machen, mich körperlich bewegen, etwas Echtes erleben. 

Die Zahl der Wenig-Fleisch-Esser und der Vegetarier wächst. Was heißt das für euch? 
Wir verstehen uns nicht als Grill-Hersteller, sondern als jemand, der im Food-Business arbeitet. Bei uns gibt es neben den Ingenieuren für die Grill-Entwicklung extrem viele Köche, die Trends analysieren, aufgreifen, verstärken oder auch selbst starten. Und ob es jetzt um Insekten als Proteinquelle geht, um Artificial Meat oder vegetarische Ernährung – all diese Trends sind sinnvoll und gesundheitsorientiert. Wir wissen, dass weniger Fleisch besser ist und freuen uns, dass Qualität statt Quantität für unsere Kunden immer wichtiger wird.

Also werden auch Heuschrecken demnächst Themen für die Grillakademie?
Mal sehen. Bis die Menschen in signifikanter Zahl Heuschrecken direkt essen, dauert es noch mindestens zwei Jahre. 

Ist es ökologisch vertretbar, ein Steak aus den USA oder Argentinien einmal um den Erdball zu schippern, um es hier auf den Grill zu legen?
Jein. Denn man muss gutes Fleisch nicht mehr importieren. Vor zehn Jahren war es in Deutschland noch schwierig, ein gutes Dry-Aged-Steak aus heimischer Produktion zu bekommen. Das hat sich geändert. Wir haben tolle Züchter in Deutschland, sehr gute Metzger und finden sehr gutes Grillgut direkt vor unserer Haustür.

Was kommt als nächstes? Die großen Outdoorküchen? Die Smoker? Teppanyakis?
Man wird mehr räuchern. In Fachkreisen ist das schon sehr in, aber wir spüren jetzt, dass dieses Thema auch bei den Verbrauchern ankommt. Räuchern ist eine tolle Möglichkeit, Geschmacks ans Essen zu bringen – aber man kann es in der Küche nicht machen. Auf dem Grill dagegen geht es super! 

Du warst für Deutschland verantwortlich – jetzt für Europa, Afrika und den Mittleren Osten. Wie grillt der Rest der Welt? Die Franzosen zum Beispiel?
Unsere französischen Freunde haben beim Grillen eine andere Dynamik, um es mal vorsichtig zu sagen. Wir arbeiten daran, dass auch in Frankreich nicht mehr nur Fleisch auf dem Grill liegt und man sich mit dem Grill an neue Themen herantraut. Bisher aber ist es schwer vermittelbar, dass man eine Wachtel auch auf dem Grill perfekt zubereiten kann. 

Ich würde mich freuen, wenn Du auf ein paar Begriffe spontan noch kurz antwortest. Lieblingsgrill?
Der Summit Charcoal von Weber. 

Lieblingsgargrad?
54. 

Also medium rare. Dein Lieblingsessen?
Spansau. Also Spanferkel auf badische Art. Aber ich bin Saison-Griller und mach immer gern das, was es auf dem Markt gerade gibt. 

Und wer macht bei Euch daheim den Grill sauber?
Na, ich! Damit ihn meine Söhne dann wieder dreckig machen können … 

Die Erfindung des Kugelgrills

Die Legende von der Erfindung des modernen Kugelgrills geht so: George Stephen produziert als Schweißer bei Weber Brothers in Chicago Bojen – und ärgert sich über seinen aus Ziegelstein gemauerten Grill. Bei schlechtem Wetter kann er ihn nicht nutzen. Zudem ist die ungleichmäßig verteilte Hitze nicht gut fürs Barbecue. 1952 kommt Stephen auf die Idee, eine Boje in zwei Hälften zu teilen, den unteren Teil mit drei Beinen zu versehen und den oberen als Deckel zu verwenden. Binnen 70 Jahren ist daraus der Weltmarktführer für Grillgeräte geworden – mit mehr als 2000 Mitarbeitern und 1,5 Milliarden Euro Umsatz.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 16 (3/2019)

Wir kochen uns mit Pilzen, Bier und Reh-Bolo durch den Herbst, backen Kuchen und suchen die vergessenen Orte des Schwarzwalds.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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