Halloween uff badisch

Die ganze Welt feiert Halloween wie in Amerika! Die ganze Welt? Nein, ein kleines Tal im Schwarzwald hält dagegen...

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Kürbisse, schrille Masken und Skelette: Mit Halloween kam der spaßige Grusel aus Amerika über die Welt. Aber: Lichterbräuche vor Allerheiligen und im November gibt es auch im Schwarzwald. Im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach leuchtet etwa nach wie vor die Flamme der Tradition. Aber nicht nur dort, auch in den Seitentälern des Kinzigtals leben die alten Bräuche fort.  „Lichtgeistle“ ziehen dort von Haus zu Haus. Im Schwarzwald leuchtet dabei aber nicht der Kürbis, sondern die Rübe. Oder wie man auf gut Badisch sagt: die Dirlipse … 

Für das große Ereignis schnitzen Kinder jeden Herbst im Vogtsbauernhof aus Futterrüben Lichtgeister. Jetzt holen wir uns „’ne Rübe“, sagt Claudia Binswanger und rollt dabei so charmant das „R“, wie man es nur als bayrische Schwäbin kann. Die Museumspädagogin stammt aus Augsburg – und auch dort gibt es einen ähnlichen Brauch. „Wir sind damals einfach aufs Feld gegangen“, verrät sie, aber jetzt wäre es nicht mehr so einfach, da immer weniger Rüben angebaut würden. Der Vogtsbauernhof, ein Eigenbetrieb des Ortenaukreises, haben natürlich welche im Keller gelagert, so wie früher. Haben die Kinder Angst in den Keller zu gehen? I wo, sofort sind sie bei der Sache, schleppen die schweren Knollen ins Freie und wuchten sie auf einen robusten Holztisch neben einem uralten Schwarzwaldhaus. Ein Hahn kräht, falsche Uhrzeit, aber es klingt gut zu diesem Anlass. Wie bestellt ist der Tag grau und verhangen.  

„Hier abschneiden“, erklärt die Museumspädagogin. Unten muss die Rübe einen klaren Schnitt haben, damit sie nicht umfällt, wenn man sie hinstellt.  Am anderen Rübenende wird das obere Viertel abgesäbelt. Das wird der Kopf, der wie ein Deckel über die ausgehöhlte Rübe gesetzt wird. Mit einem Messer zum Stochern und einem Suppenlöffel zum Aushöhlen geht die Arbeit kinderleicht. Wirklich?

Zwei Brüder haben dazu zwei verschiedene Meinungen, sind aber beide im besten Wortsinn vertieft und graben sich mit dem Löffel in die Rübe hinein. Alles, was sie rausholen, landet auf dem Tisch und später bei den Kühen. 

Das Aushöhlen ist die eine Sache, der Rübe ein Gesicht zu geben die andere. Zwei Messerschnitte, und schon werden aus runden Augen Schlitzaugen. Mit etwas Fingerfertigkeit bekommt das Grinsen gar etwas Teuflisches. Die Münder zeigen markante Hauer oder fiese Vampirbeißerchen. „Gruselig“, sagt Brunhilde Schweizer vom Museumsteam. 

Noah, zwölf Jahre alt, bastelt derweil noch zwei Segelohren an seinen Rübenkopf. „Der hat Fantasie“, lobt der Opa. Noah meint aber, dass sein kleiner Bruder Joni viel kreativer ist. Gerechterweise muss man sagen, beide haben’s drauf. Auch die fünfjährige Hannah ist kräftig am Löffeln und Ritzen. Ihre Mama Marcela erzählt, dass zu Hause in Steinach dieser Brauch noch lebendig ist. In der Woche vor dem 31. Oktober ziehen die Kinder mit ihren Rübenköpfen durchs Dorf und stellen sie vor die Tür. Sie klingeln und verstecken sich (im Busch, wie Hannah weiß) und rufen „Geisterlichtle“. Dann müssen die Hausbewohner so viele Süßigkeiten dazulegen, wie Rübenköpfe flackern. So beschenkt zieht die Geisterkarawane zum nächsten Haus. „Seltsamerweise machen sie das im Nachbarort Welschensteinach nicht“, erzählt Hannahs Mutter. Der Schwarzwald kennt eben viele Traditionen.

Für den wissenschaftlichen Leiter des Freilichtmuseums, Thomas Hafen, ist das wiederum nicht verwunderlich. Da wo es gelebt wird, lebt es fort. „Außerdem braucht es gute Vorbilder, die das Brauchtum mit Herzblut am Leben erhalten“, sagt er. Das Lichtertreiben gibt es in verschiedenen Bräuchen in ganz Deutschland. Passend zur dunklen Jahreszeit flackern im Lichtermonat November Kerzen – auf Martini-Umzügen, auf Friedhöfen am Totensonntag und am ersten Advent auf Adventskränzen. 

Das Freilichtmuseum lebt seinen Rüben-Brauch seit 2003. Die Idee: „Wir wollen darauf hinweisen, dass es schon vor Halloween solche Bräuche gab“, sagt Thomas Hafen. Das ganze aber ohne Kommerz und Kürbis. Dafür eben mit Geisterlichtle und Süßigkeiten …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 16 (3/2019)

Wir kochen uns mit Pilzen, Bier und Reh-Bolo durch den Herbst, backen Kuchen und suchen die vergessenen Orte des Schwarzwalds.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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