Franz, der Weise

Franz Keller war und ist Küchenmeister, Leibkoch, Freigeist, Buchautor, Biobauer… und Deutschlands ehemals bestbezahlter Koch denkt nicht ans Aufhören

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Legere Hose, lockerer Pulli, Schildmütze. So wie’s ausschaut, hat der ältere Herr Freizeit. Gemütlich setzt sich der ehemals bestbezahlte Koch Deutschlands ins Offenburger Café Zauberflöte und bestellt einen Milchkaffee. Den Keks zum Kaffee greift er sich gleich und schaut dabei verträumt ins Café. Später wird er auch den Kaffeekeks seiner Frau noch verdrücken, so wie das Männer eben machen. Gestern hatte er eine Küchenparty, die ihm natürlich gefallen hat. Nur eins nervt ihn hier, in Baden hocken immer die gleichen zusammen. „Die Badener sind Sturköpfe“, meint er. „Etwas Bewegung“ ist ihm lieber. Das Essen, nein, das gute, gesunde Essen ist jetzt seine Mission. Weil er vor Jahren für ein Buch angefragt wurde, ist Franz Keller (Jahrgang 1950) zumindest als Gesprächsstoff wieder in aller Munde. „Klappe halten ist im Keller-Gastronomen-Genpool keine wirklich dominante Eigenschaft“, schreibt er in seinem neuen Buch „Ab in die Küche! Wie wir die Kontrolle über unsere Ernährung zurückgewinnen“. Seine Bücher verkaufen sich tausendfach. Ja, es liegt etwas in der Luft, dass so einer wie er gebraucht wird. Der Sternekoch Keller dagegen ist schon längst Vergangenheit, 1993 ist er ausgestiegen.

Arbeiten mit den Besten

Franz Keller gehört einer fast vergessenen Generation an. Sein Name fällt, wenn man von Bocuse und Witzigmann erzählt, von Paris und Lyon, von der Aubergine und der Tomate, seinem eigenen kleinen Bistro. Franz Keller war zu seinen Glanzzeiten vielleicht nicht der beste Koch Deutschlands, aber er war der bestbezahlte Küchenmeister, den Deutschland bis dahin gesehen hatte. Der Industrie-Tycoon Max Grundig (1908–1989) zahlte Franz Keller eine halbe Million D-Mark, damit er auf der Bühlerhöhe für Gäste und Chef zu zaubern begann.

Puppenstube mit Sternen

Die Erfolgsstory beginnt in Oberbergen im Kaiserstuhl, wo ein umtriebiger Gastronom und Weinhändler namens Franz Keller senior (1927–2007) sich aufmachte, ein Imperium zu gründen. Für die Gastronomie war Gattin Irma Keller zuständig, Deutschlands erste Köchin mit einem Michelin-Stern. Wen interessierte das? Den Senior auf jeden Fall nicht, der war ein Patriarch durch und durch. Auch der Junior sollte schön die Klappe halten. Was er nicht tat. Franz Keller hatte in Frankreich bei den Besten gelernt und gekocht. Er war in Tournus (Burgund), Lyon und Paris, kochte für Alain Delon und andere Stars. Damals konnte Hochgastronomie 100 Gedecke stemmen, erzählt Franz Keller stolz. Für Franz Keller sind heutige Sternerestaurants „Puppenstuben“. Wenn sieben Köche für 25 Gedecke kochen und acht Kellner servieren …

Da der alte und der junge Franz nicht miteinander konnten, verließ Keller junior endgültig die Heimat. Franz Kellers Karriere hat auch Tiefpunkte. In Köln versuchte er 1979 sein Glück mit dem Edelrestaurant Franz Kellers Restaurant. Von den monatlichen 120 000 Mark Umsatz aber blieb nichts hängen. Zu viel Pacht, Kreditzinsen und dann noch hohe Personalkosten …

Franz Keller als Trendsetter

Neben seinem Flaggschiff führte Keller das Bistro Tomate, das sich jeder leisten konnte. Damit nahm er eine Entwicklung voraus, die heute ganz normal ist. Das Sternerestaurant ist exzellent, exklusiv, teuer und strahlt ab auf die normale Gastronomie, die so ebenfalls großes Gaumenkino verspricht.

Up to date ist er auch später bei Max Grundig auf der Bühlerhöhe, für den er ab 1988 als Gastronomiedirektor nach den Sternen greift – und parallel Schweinsbraten und Knödel für den Unternehmer auftischt. Mehrmals plant Keller Besuche und Gegenbesuche von anderen Köchen, so wie das heute gang und gäbe ist. Für ihn kein Problem, denn „dann kochen dieselben, die auch kochen, wenn ich da bin“, um es mit Monsieur Pauls Worten zu sagen.

Da Grundig die Sache aber anders sah, kam es wie es kommen musste. Der fränkische Sturkopf traf auf einen badischen Sturkopf – und Keller wurde gefeuert.

Wanderprediger und Wanderkoch

Anfang der 90er-Jahre hat sich Franz Keller aus dem „Krieg der Sterne“ verabschiedet und sich in Hattenheim etwas Neues aufgebaut, das an Altes anknüpft. „Der Adler“, sagt er und meint seine Adler Wirtschaft, die an den Schwarzen Adler in Oberbergen anknüpfen soll. Auch der Adler hat einen Stammtisch, wie daheim im Badischen auch. „Heimat ist Heimat“, sagt er und meint aber auch, dass „Heimat ein langer Begriff ist“.

Franz Keller hantiert mit dem Begriff Heimat und meint dabei nicht nur den Ort, an dem man wohnt, oder das Essen, das man bestellt und isst, sondern dass man selbst daran teilhat. „Selbst Kochen heißt, die Verantwortung über das eigene Leben in die Hand zu nehmen“, schreibt er. Sein aktuelles Buch ist daher ein Plädoyer für eine gute, gesunde Küche und für den gesunden Menschenverstand. Mut will er auch machen. Zudem schreibt und echauffiert er sich über Agrarsubventionen und Industriedünger, Monokulturen und Klimawandel. Aufhören will „der Wanderprediger und Wanderkoch“ (Keller über Keller) nicht, da kennt er zu viele Beispiele, wo ein Leben in Rente ungut endete. So will er es definitiv nicht.

Spaß an der Freude

Spaß sei das Wichtigste, meint er. „Hält frisch“, grinst er. Dazu gehörten das Schreiben, die Küchenpartys, in Amerika nach Trends schauen und sein Bauernhof mit „50 Rindern, 30 Schweinen und fertig“.

Franz Keller schaut zwar in Zivil nicht wie ein Koch aus, auch nicht wie ein Biobauer, aber auch noch nicht wie ein Siebzigjähriger, der Zeit seines Lebens malocht hat. Die Arbeit macht ja Spaß, bzw. er macht das, was ihm Spaß macht. Dazu gehört eben auch das kantige Element. „Wenn man genügend Porzellan im Schrank hat …“, sagt er und hebt die Schultern. Ja, dann darf man auch poltern.

Kellertexte

Wie so viele Köche ist auch Franz Keller unter die Autoren gegangen. Mit „Vom Einfachen das Beste“ gelang ihm 2018 ein Bestseller. „Vom Einfachen“ ist zum einen eine unterhaltsame und witzige Autobiographie mit Schnurren wie z. B. über seinen Ex-Chef Max Grundig, der von Franz Keller Sodbrennen bekam. Zum anderen ist es ein Plädoyer für eine gute, gesunde Küche. Mit „Ab in die Küche“ (Westend Verlag, 24 Euro) legt Franz Keller noch mal nach. Er appelliert an den gesunden Menschenverstand und prangert an: Mehrwertsteuersatz, Agrarsubventionen, Industriedünger, Gentechnik … Gleichzeitig aber ist es ein Buch für die Praxis – denn Keller erklärt Lebensmittel und bringt Rezepte beispielsweise für Pot au feu sowie Grundlagenwissen für Jus, Soßen, Würzen.

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