Wälderdackel: Der Kleine mit dem großen Riecher

Echte Schwarzwälder gibt es auch in vierbeinig: Selbstbewusst, liebenswert und etwas dickköpfig sind die Wälderdackel, die gerade ein Revival erleben

Text: Peter Marx · Fotos: Dimitri Dell

Karina zickt. Die junge Schöne will einfach nicht in die Kamera gucken – basta! Trotzig steht sie zwischen mächtigen Fichten und sucht den Blickkontakt zu Michael Lietzau, der neben ihr im Moos sitzt und in das Objektiv von #heimat-Fotograf Dimitri lächelt. Dimitri versucht alles, um die Aufmerksamkeit der Wälderdackel-Dame auf sich zu ziehen. Er raschelt mit Zweigen, wirft Tannenzapfen in die Luft, winkt mit der Hand, pfeift und bellt. Aber Karinas Interesse: gleich Null. Karina von Häuser-Weinberg, so ihr kompletter Name, hält stur die Nase in den Wind, was Michael sichtlich amüsiert. „Die ist heiß, die will jetzt lieber Action“, lacht der passionierte Jäger aus Steinach. Soll sie haben… Karina verschwindet im Unterholz, die Nase tief am Boden, nur ein heiseres Bellen ist noch zu hören. Plötzlich wird der Ton lauter, aggressiver. Michael packt sein Gewehr fester. „Am Bellen höre ich, dass sie Wild aufgestöbert hat.“ Karina ist eine Schwarzwälder Bracke, wie der Wälderdackel offiziell heißt, ein im Schwarzwald beheimateter Hundeschlag, der in den 1980er-Jahren fast ausgestorben wäre. Zu dieser Zeit ist der Genpool dieser Gattung auf ein Minimum zusammengeschrumpft.

Vom Taubenmarkt ins Jägerhaus

Das ändert sich erst, als Thomas Rist aus Kenzingen sich der Sache annimmt und 1998 schließlich den Verein Wälderdackel e. V. Schwarzwälder Bracke gründet. Seither werden die Vierbeiner nicht mehr auf den sogenannten Taubenmärkten – den bäuerlichen Kleintiermärkten – getauscht, sondern gezielt für die Jagd gezüchtet. Rists Credo: „Diese Hunderasse taugt nicht zum Kuscheln.“ Die Praktiker des Vereins Schwarzwälder Bracke, allesamt Landwirte, Förster und Jäger, wollen den Hund ausschließlich im Jagdbereich eingesetzt sehen. Michael ist Mitglied des Vereins und bestätigt: „Der Wälderdackel wird blöd, wenn er keine Aufgabe hat.“ In seinem Revier bei Hofstetten geht er auf die Pirsch. „Karina“, sagt er, „erfüllt alle jagdlichen Aufgaben mit Bravour.“

Es gibt echte Fans …

Alfred Schmieder aus Oberharmersbach geht noch einen Schritt weiter: „Für mich gibt es bei der Jagd keine Alternative zum Wälderdackel.“ Der 60jährige Nebenerwerbslandwirt kennt die Energiebündel: „Mein Großvater hatte einen und ich selbst bin seit 35 Jahren ein Fan.“ Während er von seinen Erfahrungen mit den Wäldern – wie sie auch genannt werden – erzählt, dreht seine vierjährige Biene ihre Runden am den Hertig-Hof auf dem Billersberg. „Sie ist extrem temperamentvoll.“ Lachend greift er nach einem abgenutzten Tennisball und wirft ihn in den nahen Löschteich. Sekunden später steht Biene triefend nass neben ihm, den Ball in der Schnauze.
Michael hingegen kam eher zufällig auf den Hund: Er las in einer Jagdzeitschrift einen Bericht über die selten gewordene Gattung, die zwar Rasse genannt wird, aber offiziell keine ist. Denn von der Fédération Cynologique Internationale, dem internationalen Hundeverband, ist der Wälderdackel nicht als Rasse anerkannt. „Ich kannte den Wälderdackel nicht, aber er entsprach genau meinen Vorstellungen von einem Jagdhund“, sagt Michael. Thomas Rist beschreibt in seinem Buch „Auf den Spuren des Wälderdackels“, wie er vor rund 40 Jahren auf den lokalen Hundeschlag stieß, der perfekt an die Bedingungen der Jagd im Mittelgebirge angepasst ist. Mühsam suchte er den Schwarzwald ab und fand vereinzelt noch Züchter im Elz- und Kinzigtal, im Schutter und Glottertal, in Oberharmersbach, St. Peter, St. Märgen, Gutach- und Wolftal. Diese regionalen Linien, die durchaus ihre Unterschiede haben, führte der Kenzinger zusammen.

Die Suche nach dem Schwarzwald-Schatz

Die Suche war deshalb so schwierig, ergänzt Rist, weil es keine Dokumente oder gar Zuchtbücher gab. Was er fand, waren Menschen auf den Höfen, die mit Wälderdackeln groß geworden waren oder mit ihnen auf die Jagd gingen. Dabei zeigte sich eine Gemeinsamkeit: Sie waren begeistert von den Eigenschaften der Hunde. Das hat sich nicht geändert: Landwirte und Jäger schwärmen bis heute von diesen Bracken. Und auch Michael, der nach langer Suche seine Karina bei einem Züchter in Heilbronn fand, strahlt: „Sie ist eine Jägerin mit Herzblut.“

Die Mischung machts

Wälderdackel sind Promenadenmischungen: Dackel und Bracke steckt drin, pinscherartige Hunde oder auch mittelgroße Laufhunde wurden eingekreuzt. Und so gibt es Wälderdackel in allen Farbschattierungen, mit verschiedenen Zeichnungen und in diversen Größen. Für die Jäger und Liebhaber der kernigen Schwarzwälder stellt dieses Mischungsverhältnis kein Problem dar, für die Funktionäre einiger Verbände dagegen schon. So ist der Wälderdackel keine vom Jagdgebrauchshundverband anerkannte Jagdhundrasse. Eine Teilnahme an Prüfungen ist daher ausgeschlossen. Was aber kaum einen Besitzer eines Wälderdackels um den Schlaf bringt … Der Einsatzbereich der Hunde ist vielfältig: Meist werden sie zum Stöbern und für die Nachsuche eingesetzt. „Wild aufstöbern, darin sind sie nicht zu übertreffen“, schwärmt Michael. Obwohl: „Manchmal treibt Karina ein Reh auch vor die Büchse eines Kollegen.“ Und die bedanken sich dann bei Karina. Die Leidenschaft von Biene sind Wildschweine. „Sie springt unerschrocken mitten in die Rotte, verwirrt die Tiere damit. Oder beißt sich am Nacken einer Sau fest und reitet davon“, grinst Alfred und schwört: „Alles kein Jägerlatein!“ Wenn die Wälderdackel mal nicht auf der Jagd sind, sind sie durchaus familientauglich und machen es sich auf der Couch gemütlich. Im Steckbrief der Bracke stehen also nur positive Eigenschaften. „Was so nicht ganz stimmt“, betont Alfred und grinst runter zu seiner Biene. Denn Wälderdackel sind für ihn richtige Dickköpfe. „Wenn sie was nicht will, dann passiert auch nix.“ Was ihn aber nicht weiter stört. „Ist halt echt ein Schwarzwälder!“

Typisch Schwarzwälder!

Die Wälderdackel waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts die typischen Haus- und Hofhunde im Schwarzwald. Sie wurden auf der Jagd eingesetzt, bewachten Hof, Menschen und Vieh. Gezüchtet wurde dabei eher zufällig als absichtlich, sodass es kaum Nachweise über Stammbäume oder Zuchtbücher gibt. Der Ursprung liegt vermutlich in den alten kurzhaarigen Dackelrassen und alemannischen Jagd- bzw. Laufhunden. Die Zuchtauswahl erfolgte über das Wesen, die Gesundheit und die Leistungen bei der Jagd. Diese Tradition will der Verein Wälderdackel e. V. Schwarzwälder Bracken fortsetzen. Dabei gilt die Maxime: Hauptsache gesund und robust. Auf äußere Rassestandards legt sich der Verein nicht fest. Wichtiger sind die Eigenschaften: Intelligent, selbstbewusst, wachsam treu, ausdauernd und familienfreundlich müssen die Hunde sein und einen sehr guten Orientierungssinn haben.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 20 (3/2020)

Wir entdecken den Schwarzwald neu, kochen Spargel, lernen das Überleben unter Tannen und messen uns mit Gegnern von gestern. 

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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