Das Glück ist ein Rindvieh

Wenn sich Bauer und Koch im Hochschwarzwald zusammentun, kann nur etwas richtig Leckeres dabei herauskommen…

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

„Chömme! Chömme!“ (Kommt! Kommt!), ruft der stämmige blonde Mann in den Wind. „Chömme!“ Und dann ruft er noch: „Schokolaaaade!“ Die Rindviecher lassen nicht lange auf sich warten und stürmen den grünen Hang hinauf. Der Buckel der Tiere bewegt sich dabei in etwa so, wie ein Walrücken der immer wieder aus dem aufgewühlten Wasser herausschaut. In Wellen. Bergbauer Felix Schätzle hat für seine Hinterwälder Rinder Mineral-Leckerlis, die er liebevoll Schokolade nennt. Und seine Rinder fressen ihm aus der Hand.

Wenn auf über 1000 Meter Höhe das Wetter umschlägt, dann ist was los. Da kommt der Herbst nicht mit sanften Windstößen und ein paar bunten Blättern, sondern er bricht herein wie Thors Hammer (was aber nicht für immer ist, der Herbst ist auch idyllisch). Die Hinterwälder Rinder nehmen es hin. „Wenn der erste Schnee kommt und liegen bleibt, dann kommen sie in den Stall“, sagt Felix Schätzle, dem die Herde gehört, zu Volker Hupfer, der Gastronom ist. Die beiden haben sich bei diesem Sauwetter den Feldweg zur Weide hochgekämpft (logisch: Allrad!), um nach dem Rechten zu schauen. Was machen die Viecher? Wäre ein Wald in der Nähe, dann würden sich die Rinder dorthin flüchten. Aber hier gibt es keine Bäume, nur eine große Wiese mit Blick auf ein paar Häuser, in denen das Licht brennt.

Nicht in den Wald, dafür aber ins Gasthaus derWaldfrieden sind jetzt die beiden Männer gegangen. derWaldfrieden ist hier oben die Wirtschaft zum fein Essen, aber auch für ein gepflegtes Bier. Die Wirtschaft ist noch relativ jung. Als Oma und Mutter Hupfer einen Namen suchten, wollten sie nicht einen weiteren Hirsch oder Ochsen. Sie ließen sich von Hochplateau und Aussicht inspirieren.

Volker und Felix kennen sich schon immer, so wie man sich hier oben halt kennt, wenn es nur ein paar Hundert Leute gibt, die hier oben wie auf einer Insel (der Seligen) wohnen. Felix ist aber nicht irgendein Nachbar am Stammtisch, sondern sein ganz exklusiver Rindfleischlieferant. Das Hinterwälder Rind wird vom Küchenmeister geradezu besungen. „Dieses feinfaserige Fleisch!“ „Mir schmeckt alles“, sagt der Landwirtschaftsmeister und meint auf seine nüchterne Art, dass es „das Rumpsteak schon wert ist.“

Filet und alte Klassiker

Wann hat’s angefangen? Volker meint, dass man das gar nicht so richtig sagen kann, irgendwann halt. Felix meint, dass es vor zwei oder drei Jahren war, als er Volker fragte, ob er nicht Interesse an einem Halben hätte. Einem Halben, klar, er meinte kein Bier, sondern ein halbes Rind. Aber was kann man mit einer Rinderhälfte alles anstellen? Volker, der schon in verschiedenen Top-Häusern in der Schweiz und Deutschland gearbeitet hat, weiß genug und zählt aus dem Stegreif gleich mal ein paar tolle Rezepte auf, wie zum Beispiel geschmorter Ochsenschwanz, Rinderbäckchen oder Tafelspitz. Dabei wird klar, dass es dabei nicht nur um Filet oder Steak geht, sondern eben um das, was unter „Nose to tail“ läuft, also von der Nase bis zum Schwanz. Wer eine 120 Kilo schwere Rinderhälfte nimmt, muss alles verwerten. Volker kann’s! 

Volker ist Naturpark-Wirt, seine Mutter Irmgard gehört zu den Gründungsmitgliedern des Naturparks. Naturpark-Wirte verpflichten sich, regionale Produkte zu verwenden, also die Milch, die Butter, das Gemüse und: das Fleisch. Oft kommt es aus heimischer Jagd oder von den Weiden ringsum. Hier kommt Landwirtschaftsmeister Felix ins Spiel, der um die hundert Stück Vieh in Präg und Herrenschwand hat. Felix liebt seinen Beruf: „Die Natur, die Viecher, das Draußensein – alles zusammen!“

Volker wird von den heimischen Produkten nicht eingeschränkt, sondern inspiriert. Und: „Mit diesen tollen Produkten kann ich trotzdem Rezepte aus aller Welt kochen.

Rinder machen Landschaft schön

Wenn er etwas auf die Karte bringen will, was es mal nicht im Hochschwarzwald gibt, dann bestellt er es, wie zum Beispiel Seeteufel oder Jakobsmuscheln. Die Gäste freuen sich auch darüber. Aber der Schwerpunkt bleibt ganz klar bei den regionalen Produkten.

Für Volker und Felix hat die Geschichte noch einen weiteren Mehrwert. Die 100 Rinder beweiden ungefähr 100 Hektar Weideland. Dieses ist nicht immer sanft hügelig, sondern manchmal steil, schräg und unwegsam. Würde man nichts tun, dann wäre ruckzuck der schöne Hochschwarzwald verbuscht. Hier „springen“ die Kühe ein. Appetit (groß) und Körperbau (klein) machen es möglich, dass die Landschaft offenbleibt. Die wendigen Rinder kommen überall hin und da sie leicht sind, treten sie nicht die Erde weg. Volker hält die offene Landschaft für absolut wichtig für den Tourismus. „Wer hierherkommt, will genau das.“ Außerdem hebt Tourismus die Lebensqualität. „Ohne Tourismus würde der Bus nicht fahren, gäbe es weder Bäcker noch Metzger.“ Und wahrscheinlich auch keine Wirtschaften mehr, wo noch das Licht brennt, damit einer, der Hunger hat, auch was Gescheites zu essen bekommt und einer, der Durst hat, sein Bier. Prost!

 

Das Hotel-Restaurant derWaldfrieden liegt auf 1020 Meter Höhe in Herrenschwand (130 Einwohner), das zu Todtnau gehört. Ringsum sind nur Hochweiden, der Hausberg ist der Hochgescheid (1200 Meter). Küchenmeister Volker Hupfer leitet in der dritten Generation das Gasthaus, Mutter Irmgard und Ehefrau Dorothee arbeiten mit. Volker und Dorothee Hupfer haben drei Kinder. Das Gasthaus ist ein ursprüngliches Bauernhaus mit Landwirtschaft, das 1954 zum Gasthaus mit Pension umgebaut wurde. Früher mal waren es fünf Betten, jetzt 60. Seit 2013 hat derWaldfrieden ein spaHaus, das von der Architektenkammer Baden-Württemberg und dem Regierungspräsidium Freiburg den Architekturpreis 2016 bekam. Weitere Preise folgten. Volker Hupfers Küche ist mit dem Bib Gourmand ausgezeichnet.

Hinterwälder

Europas kleinste Rinderrasse ist heimisch im Südschwarzwald, wo es sich hervorragend an das Gelände angepasst hat. Aufgrund von Größe und Gewicht ist es vom Aussterben bedroht, da es im Vergleich zu herkömmlichen Rinderrassen weder genug Fleisch noch Milch bringt. Im Schwarzwald wird es zur Offenhaltung der Landschaft eingesetzt und für sein Fleisch geschätzt. Ohne Nachfrage aus der Gastronomie wäre es schon ausgestorben.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 23 (6/2020)

Feuer unter der Brennblase, wandern im Winter Wonderland und ein laaaaanges Wochenende am Feldberg: So lieben wir die kalten Tage!

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

 

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Outdoor-Abenteuer

Die 7 besten Winterwanderungen im Schwarzwald

Mütze auf, Winterstiefel an: Auch ohne Langlaufski und Schlitten lässt sich das herrliche Winterwetter genießen – mit einer Schneewanderung!
Schwarzwald

Wandern mit Tiefgang

Die kalte Luft macht die Backen rot, der Atem macht die Wolken. Im Schnee findet man einen ganz neuen Schwarzwald
Reportagen

Schwarzwälder Handwerkskunst: Holzmöbel nach Maß

Das ist noch echtes Schreinerhandwerk: Aus handverlesenem Massivholz entstehen im Familienbetrieb der Schmidts in Au am Rhein Möbel für die Ewigkeit…
Reportagen

Ein Herz für Hähne

Ihr könnt nun Eier von Hühnern kaufen, deren Brüder auch leben dürfen - dank dem Siegel Huhn & Hahn. Einer der Initiatoren: Martin Zapf aus Gengenbach
... Schwarzwald Das Glück ist ein Rindvieh