Badens Brenner Teil 1: Baden brennt

Unsere Brenner können mehr als Kirschwasser. Sie sind Genusshandwerker, Landschaftsgärtner und echte Typen. Grund genug, sie euch mal vorzustellen…

Text: Stephan Fuhrer und Pascal Cames · Fotos: Baschi Bender und Dimitri Dell

Wer würde in Sachen Champagner nach den berühmtesten Häusern fragen? Wer beim Burgund die Frage stellen, ob’s da viele Winzer hat? Aber kennt jemand Badens großartige Brenner? Eben. Es gibt noch jede Menge Nachholbedarf. Grund genug für uns, Euch in einer neuen Serie mal einige dieser echten Typen vorzustellen. Schließlich beherrschen sie nicht nur ein uraltes Handwerk (und erfinden es in Teilen immer wieder neu), sondern sind auch ein Garant für die Pflege unserer so besonderen Kulturlandschaft.

Denn: Bei uns gibt es mehr als nur Kirschwasser. In Deutschlands Garten Eden wachsen Mirabellen, Williams und Zwetschgen sowie Raritäten wie verwilderte Mispeln, Zibärtle oder Haferpflaumen. Wohin mit dem ganzen Obst? Wie eh und je wird es gegessen, aber da es schon immer zu viel des Guten gibt, wird es auch „verschafft“, wie man im Badischen so sagt. Oder anders gesagt: destilliert.

15 000 Brenner machen das. So viele wie nirgendwo sonst in Deutschland. Früher hieß das Produkt Schnaps, das Feuerwasser führte manchmal auch zur Schnappatmung. Das hat sich geändert. Heute wollen Badens Brenner Nase und Mund Futter geben. Es geht um Verführung, Geschmack, Lust, das Erleben, die Sensation und die Essenz der vollen Frucht. Und es geht um unsere Natur – und damit am Ende auch irgendwie um uns alle …

Gebrüder Wohlgemuth

Gewusst? In Schwarzwälder Brennkesseln landet traditionsgemäß nicht nur Obst, sondern auch Getreide. Auf dem Hornberger Hasenhof war das schon immer die Hauptsache. Die Gebrüder Wohlgemuth blieben bei dieser Tradition und schufen damit die Grundlage für ihre Kornbrennerei. Aus dem alten Wissen der Generationen kreierten Arne und Niels wiederum etwas völlig Neues: Ihr Bestseller ist die Gute Schwester, eine Ansatzspirituose. „Ein Angesetzter, das ist im Schwarzwald sicher besser bekannt“, sagt Arne lachend.

Für die Gute Schwester wird Blutwurz – noch so ein Schwarzwald-Klassiker – zusammen mit Schlehen und Chilis im eigenen Kornbrand angesetzt. Der Alkohol entzieht Geschmack und Farbe, zurück bleibt eine Spirituose mit fruchtig-herber und leicht prickelnder Note, die sich auch hervorragend als Longdrink- und Cocktaildreingabe macht. Dafür gibt es die Gute Schwester auch als Plus-Variante mit mehr Alkohol für noch mehr Geschmack. „Uns ist wichtig, dass neben der Obstbrandtradition auch das Erbe der Schwarzwälder Kornbrenner bewahrt wird“, sagt Arne. Ihren Schwarzwald-Korn gibt es natürlich auch in der Flasche – als 45er und ganz neu in mehrfach destillierten Varianten aus verschiedenen Getreidearten: die Schwarze Serie.

www.wohlgemuth-schwarzwald.de

Brennerei Halter

Bei den Halters in Ödsbach erfährt man nicht nur was über den Geschmack in den Flaschen, sondern auch jede Menge über die Zutaten. Direkt am Oberkircher Brennersteig gelegen (den man übrigens herrlich durchwandern kann), hat die Familie einen kleinen, feinen Obstlehrpfad angelegt. Dort lernen Wanderer und Spaziergänger auf vielen, kleinen Holztafeln, dass Vogelbeeren zu den Rosengewächsen gehören und destilliert einen wunderbaren Marzipan-Ton ergeben. Keine Frage also auch, dass das allermeiste Obst für die Brände von Johannes Halter, 39, von eigenen Bäumen stammt.

Bei den Sorten geht der Brenner dabei weit über den Standard hinaus. Wer zum Beispiel statt Williams mal eine Süli-Birne oder ein Jaköble probieren möchte – bitteschön. „Es ist krass, wie unterschiedlich Brände aus der gleichen Familie sein können“, sagt Johannes. Was es sicherlich auch nicht überall gibt: destillierte Aroniabeeren.

In der nächsten Umgebung bekannt sind vor allem aber auch die süßen Varianten der Familie. Das dürfte sicherlich auch an der mobilen, farbenprächtigen Likörbar liegen, die in der Region immer wieder auf Feiern und Festen aufgestellt wird. Vor allem aber auch an der Qualität, denn die stellt Johannes Halter an erste Stelle. „Bringt ja nichts, wenn’s nur gut ausschaut“, sagt er und grinst …

www.halter-edelbraende.de

Brennerei Künstel

Ohne Zweifel ist der Waldulmer Brenner Theo Künstel, 72, eine herausragende Gestalt in der Szene. Vor 50 Jahren hat er sich fürs Brennen entschieden und nicht für den Wein. Zwar ist er kein ausgebildeter Brenner mit Diplom, aber er bildet sich stetig fort und ist mit jeder Faser neugierig. „Man muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt er. Theo Künstel hat längst das gängige Sortiment verlassen. Er lagert Kirschwasser in Eichenholz und macht so aus einem Brand einen Brandy. Alte Sorten wie die kleine Bergbirne oder die Hanauer Gewürzbirne (seine Geheimtipps) sind bei ihm hoch angesehen.

Seine Brände finden überregional Beachtung, wurden zigfach prämiert und sogar Journalisten aus Paris waren schon bei ihm auf dem Hof – wegen seines Klassikers, dem Kirschwasser, das dieses Jahr einen Ehrenpreis erhielt. Mehr als 40 Produkte hat der kleine Familienbetrieb, der mittlerweile von Tochter Elke Stockinger geführt wird, deren Mann Heinz den Whisky macht. Elkes und Heinz’ Sohn Jonas hat angekündigt, dass er auch einsteigen will. Zuerst lernt er aber noch den Winzer. Man merkt: Bei den Künstels lodert die Flamme unterm Kessel genauso wie die Flamme der Leidenschaft fürs Brennen, wie das neueste Destillat, eine im Sherryfass gereifte Mirabelle beweist.

www.theo-kuenstel.de

Böttchehof

Frank Küchlin ist nicht nur Brenner, sondern auch eine Art „Flying Distiller“. Der Winzer aus Wolfenweiler (zum heimischen Böttchehof gehören 30 Hektar Reben und eine urgemütliche Straußenwirtschaft) hat schließlich vor einiger Zeit nicht nur den ersten Gin Singapurs kreiert, sondern vor Ort auch gleich eine Brennereianlage aufgebaut und Mitarbeiter geschult. Bereits zuvor hatte Frank ein ähnliches Projekt in Namibia durchgezogen.

Zu Hause hat der Brenner selbstredend auch schon Gins entwickelt (den Blue Flower Gin, der sich in Verbindung mit Tonic färbt, oder seinen Grape-Gin mit Trauben). Und Whisky. Und Rum. Dazu Klassiker von den eigenen Streuobstwiesen. Franks Geheimtipp für den Winter: „Probiert mal den Carron, unseren Rumlikör – pur, im Cappuccino oder über einem Walnusseis!“

www.boettchehof.de

Franz Benz Edle Früchtchen

Franz Benz, 57, aus dem idyllischen Bottenau (Oberkirch) steht als Winzer und Brenner in einer langen Tradition. In seinem Elternhaus fand man auf einem Torbogen die Jahreszahl 1791 eingemeißelt. Die Tradition hindert ihn aber nicht, Neues auszuprobieren, wie etwa die Haferpflaume in eine Flasche wachsen zu lassen und diese dann mit dem Haferpflaumenwasser aufzufüllen.

Der Brenner, der selbstverständlich noch mit Holz („Klar doch!“) anfeuert, hat auch sonst ein Händchen für den natürlichen Stoff. Er legt seine Brände in ein Holzfässchen ein und hat sich damit schon einen Namen gemacht. Kirschwasser aus dem Kirschholz, das klingt verdammt gut – und schmeckt auch so. Jedes Holz gibt dem „Wasser“ noch ein weiteres Aroma mit. Kirschholz macht den Brand würzig, Akazienholz gibt eine sü.e, an Honig erinnernde Note mit, Kastanienholz liefert herbsü.e Aromen. Auch die Farbe des Destillats wird intensiver. Franz Benz’ Klassiker ist die Haferpflaume, die Ähnlichkeiten mit der Edelpflaume Reneklode hat. Sie gibt es noch häufig in Bottenau, nebenan in Durbach, aber sonst kaum mehr in Baden. Sein Geheimtipp nennt er auf gut Badisch D’Sunn (die Sonne), einen in Kastanienholz eingelegten Mirabellenbrand. „Stell dir einen warmen Sommertag vor“, schwärmt Franz Benz von seinem Sonnenschein und wir spüren: Diese Sonne wärmt!

www.benz-bottenau.de

Brennerei am Feuergraben

Schwarzwald ist Kirschwasser, so lautet die Gleichung. Aber das war nicht überall so, wie der Acherner Brenner Josef Kurz, 62, erzählt. Als seine Großeltern 1966 mit der Brennerei begannen, waren Zwetschge und Mirabelle erste Wahl, nicht aber die Kirsche. Die Ernte war zu aufwendig. Heute gehört Kirschwasser selbstverständlich ins Programm seiner 60 und mehr Destillate. Josef Kurz gehört der Generation an, die nachhaltig die Trennlinie zwischen Schnaps und Destillat gezogen hat. Was ihn antreibt, ist die Frucht. Wenn ihm beim Spazierengehen die Düfte vom Obstacker in die Nase steigen, will er genau das im Glas haben. „Die saftige, frische Frucht!“

Wie jeder gute Brenner legt er Wert auf Details, so zum Beispiel bei der Findung des richtigen Zeitpunkts für den Brand. Bei manchen Obstsorten ist es die abklingende Gärung. Zudem muss das Obst von 1-a-Qualität sein, so frisch und schön, „dass man gerade reinbeißen möchte.“ Auf die Frage nach Klassiker und Geheimtipp, tut er sich schwer mit der Antwort. Dann nennt er doch seinen Klassiker: Schwarzwälder Kirschwasser, mehrere Jahre gelagert, um die typische Harmonie der Aromen zu entwickeln. Sein Geheimtipp heißt Gin: zehn Sorten sind im Programm. Einige seiner Botanicals findet er dort, wo auch sein Brennholz wächst. 25 Goldmedaillen, davon sieben Ehrenpreise waren das Ergebnis der Baden Best Spirits 2020. Auch für seinen Single Malt Whisky bekam er 94,5 Punkte und damit den „Liquid Gold Award“ von Whisky-Papst Jim Murray in der „Whisky Bible 2021“.

www.salamansar.de

Brennerei Indlekofer

Vorsprung durch Technik. Dieser Spruch kommt zwar aus der Autoindustrie, aber für eine Destillerie wie diese passt er auch. Die Edeldestillerie Indlekofer liegt im Südschwarzwald, wo das Alemannisch schon nach Schweiz klingt. In Sachen Brennkultur sind sie aber pur Schwarzwald.

Früher wurde gebrannt, um das viele Obst zu verwerten, berichtet Marco Indlekofer, der in der vierten Generation den Hof führt. Aber schon der Opa und Vater Reinhold, 70, fokussierten den Brand als ein Genussmittel und stellten ihre Brennerei neu auf. Nach wie vor ist das Kirschwasser der Klassiker, zusammen mit Williams, Mirabelle und Zibärtle. Aber in Wutöschingen geht noch mehr, das liegt an der Gesinnung. „Leidenschaft und das Streben zum Besserwerden, das ist das Wichtigste“, erklärt Marco Indlekofer. Der hauptberufliche Automatisierungstechniker bringt sein Wissen und Können ein. Die top-moderne Brennanlage von Holstein wurde von Marco Indlekofer technisch noch aufgerüstet. Jetzt geht alles noch einen Tick präziser, lassen sich hochgenau Vor- und Nachlauf trennen und sogar eine Datenbank erstellen. Das ermöglicht es, die Brände zu vergleichen und noch mehr zu optimieren.

Dazu gesellt sich noch der typische Drang zu neuen Ufern. Mit ihrem Gin holten sie auf einem renommierten Wettbewerb in London Silber. Whisky reift ebenfalls schon in Eichenfässern. Als Geheimtipp gilt der Williamsbrand, der (Achtung, Ironie!) rein zufällig in ein Bourbonfass gelegt wurde. So schmeckt er allen!

www.destillerie-indlekofer.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 23 (6/2020)

Feuer unter der Brennblase, wandern im Winter Wonderland und ein laaaaanges Wochenende am Feldberg: So lieben wir die kalten Tage!

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

 

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