Deutschlands jüngste Brauereichefin

Bauhöfer hat wieder ein Familienmitglied am Ruder. Katharina Waldhecker ist mit 27 Deutschlands jüngste Brauerei-Chefin – eine mit Broadway-Erfahrung

Text: Stephan Fuhrer · Fotos: Jigal Fichtner

Familie. Das ist ja immer auch irgendwie so was wie die Heimat des eigenen Herzens. Und tatsächlich musste Katharina oft an ihre Lieben zu Hause denken, wenn sie sich wieder auf den Weg zum Broadway machte – zur Arbeit, auf die Musicalbühne. Denn dorthin hatte die Offenburgerin im Jahr 2016 ihr Tanztalent gebracht. Während ihrer Ausbildung in Freiburg hatte man sie für das Hamburger Ballett entdeckt, in der Hansestadt wurden Talentscouts auf die junge Badenerin aufmerksam. „Dann ging alles schnell und schon war ich in New York, musste mich jeden Tag drei Stunden schminken lassen und dann ab auf die Bühne“, erzählt sie. Und jetzt sei sie wieder hier und Brauerei-Chefin, sagt Katharina und grinst. Deutschlands jüngste, müssen wir an dieser Stelle noch betonen …

Die Kraft der Familie

Katharina Waldhecker lehnt sich in ihrem Sessel zurück und schaut entspannt aus dem Fenster. Draußen, auf dem Werksgelände der Familienbrauerei Bauhöfer in Ulm – dem kleinen Ulm bei Offenburg – surren ein paar Elektro-Stapler über den Hof. Daneben läutet der Kirchturm, wir sind hier schließlich mitten im Ort. „Da vorne haben wir als Kinder gespielt“, erzählt die 27-Jährige und zeigt mit dem Finger ins Grüne. Das Büro hier sei mal das Schlafzimmer der Uroma gewesen. Familienerinnerungen, überall. Selbstverständlich weiß Katharina auch noch, wie sie einst mit Opa Eugen Bauhöfer zu Kundenterminen mitdurfte – wenn Großvater und Enkelin nicht gerade zusammen meterlange Bierdeckelbahnen bauten …

Von der Bühne an den Sudkessel

Tatsächlich kamen der Tänzerin Katharina in New York genau solche Bilder in den Sinn, wenn sie mal wieder durch das laute Manhattan hetzte. Zwar lebte sie mit der Tanzkarriere ihren Kindheitstraum – mit gerade Anfang 20. Doch irgendwie war dieser plötzlich nicht mehr so rosarot. Der Konkurrenzkampf unter den Tänzerinnen gefiel ihr nicht. Dazu kam, dass die Sache mit dem Geldverdienen auch nicht so dolle war – und dazu noch dieses verflixte Heimweh. 2017 kehrte Katharina aus den USA mit einer Entscheidung im Gepäck zurück: Bier statt Tanzen. Sie wollte nicht nur zu ihrer Familie, sondern auch die Familienbrauerei weiterführen. In fünfter Generation …
Zu Hause kamen die Ballettschläppchen erst mal an den Haken. Stattdessen schnappte sich Katharina, die bereits vor New York ihren Betriebswirt gemacht hatte, den Laptop und ging zu Dinkelacker nach Stuttgart, an den Chiemsee ins Hofbräuhaus Traunstein und in eine Werbeagentur.Erfahrungen sammeln. Und Eindrücke. 2019 kam Katharina schließlich nach Ulm zurück, zunächst mit gesundem Respekt. Ist sie der Herausforderung schon gewachsen? Wie wird die 30-köpfige Belegschaft reagieren? „Manche Mitarbeiter kannten mich ja noch als Baby, die haben mich hier früher zwischen den Bierkisten herumgetragen“, sagt die Chefin. Vielleicht war aber gerade das der Grund, warum von Anfang an dann doch alles gleich so passte, als wäre schon immer klar gewesen, dass es in Ulm eines Tages so kommen würde. Seit 1. Januar 2020 ist Katharina nun kaufmännische Geschäftsführerin – und legte los. Ihre erste Amtshandlung: neue Etiketten, neue Biernamen. Aus Ulmer Bier wurde Bauhöfer. Ein mutiger Schritt.

Unser Bier!

„Wir sind eine Familienbrauerei, das dürfen wir auch gern im Namen tragen“, sagt Katharina dazu. Zudem sei sie es leid gewesen, außerhalb der direkten Umgebung immer erklären zu müssen, dass ihr Bier eben nicht aus der großen, schwäbischen Domstadt komme, sondern aus der beschaulichen Ortenau. Die Belegschaft stand dabei sofort hinter ihr, genauso wie die Familie. Die Prozesse laufen aber noch. Neue Bierdeckel, -kisten, neue Etiketten, neues Marketing: „Gut, dass mir am Anfang noch nicht so klar war, was da alles dahintersteckt. Sonst hätte ich’s vielleicht nicht als Allererstes gemacht“, sagt Katharina schmunzelnd. Die junge Brauerei-Chefin wollte von Anfang an viel – so viel, dass ihre Mitarbeiter sie mitunter auch mal bremsen mussten. Veränderungen ja, alles gut. Aber bitte nicht alles auf einmal. „Das wusste ich natürlich, aber es fiel mir echt schwer“, sagt die Chefin. Alles auf den Kopf stellen, das wollte Katharina aber nicht. Gerade bei den Bieren …
Das hätte sowieso auch gar nicht funktioniert. „In so einem kleinen Unternehmen müssen wir das, was wir machen, ja alle gut finden“, meint die Brauerei-Chefin. Ihre Großcousine Elisabeth Bauhöfer kümmert sich etwa seit Jahren um das Qualitätsmanagement, Elisabeths Mann Alexander Schneider steht seit einer halben Ewigkeit als Braumeister am Kessel. „Natürlich wissen die beiden bei dem Thema viel mehr Bescheid als ich. Wir hören da aufeinander.“

Zehn Millionen Halbe im Jahr

Zudem liefen die Geschäfte in Ulm zuletzt auch nicht gerade schlecht, wenn man von Corona mal absieht. Knapp 50 000 Hektoliter Bier werden jährlich im Ulmer Sudhaus gebraut – Tendenz steigend. Mal anders ausgedrückt sind das fünf Millionen Liter Bier oder zehn Millionen Halbe. Das spricht in Zeiten, in denen der Bierkonsum deutschlandweit rückläufig ist, sicher für die Brauerei. „Wir machen mit viel Liebe und aus besten Zutaten ein tolles Bier – geschmacklich wie handwerklich und einfach ehrlich“, sagt Katharina. Und deshalb bräuchten sie bei Bauhöfer jetzt auch nicht noch irgendeine komplette neue Craft-Beer-Linie mit irgendwelchen verrückten Etiketten. Auch wenn dieser Trend der Branche sehr gut getan habe, wie sie meint. Hier und da wird es aber sicherlich Ergänzungen geben. Wie etwa das Naturradler, das es jetzt ab Mai aus Ulm zu verkosten gibt.

Endlich wieder tanzen

Und was ist jetzt eigentlich aus den Ballettschuhen geworden? „Die hängen noch immer am Haken“, sagt Katharina. Allerdings aus Zeitgründen. Perspektivisch soll es dann aber wieder klappen, das Tanzen möchte die Brauerei-Chefin auf keinen Fall ganz aufgeben. Schließlich darf es ja jetzt wieder Hobby sein. „Ich hätte durchaus auch mal wieder Lust auf einen New-York-Besuch“, meint Katharina und lacht.

Ladies vor!

Die Bier- ist eine Männerwelt, Chefinnen gibt es in der Branche nicht viele. Bei Bauhöfer ist Katharina Waldhecker aber nicht die erste. Maria Anna Bauhöfer (1830–1920) hatte zusammen mit ihrem Mann Joseph Ludwig einst die Brauerei gegründet. Der starb früh, sodass Maria zumindest eine Zeit lang das Zepter allein in der Hand hielt. Den Grundstein für den modernen Brauereibetrieb legte dann Sohn Gustav (1865–1936).

Mehr Infos unter: www.bauhoefer.de

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