Von Menschen, die an Tannen zapfen

Die beiden Freiburger Luca und Louisa sammeln Tannenspitzen und machen daraus Limonade. Wie die schmeckt? Wie Heimat aus der Flasche …

Fotos: Jigal Fichtner

Die Sonne streift die Tannen an ihrem höchsten Punkt. In goldgelben Strahlen gleitet sie an diesem Nachmittag weiter bis auf die Wiesen bei Lenzkirch. Es ist warm, aber nicht heiß. Perfekt eigentlich für eine Wanderung durch den Wald. Doch Luca Presentato und Louisa Sawatzki sind nicht hier zum Lustwandeln. Sie sind hier, um zu arbeiten. Das junge Paar hat es auf die leuchtend grünen Triebe der Tannen abgesehen, die sie körbeweise sammeln. Was sie damit machen? Na, eine Limonade, die so schmeckt, wie es bei uns im Schwarzwald duftet …

Waldduft zum Trinken

Luca und Louisa produzieren Schwarzwälder Tannenliebe – so heißt das Ergebnis in Flaschen. Den Geruch des Waldes fangen sie rund um Freiburg ein und kochen ihn zu flüssigem Geschmack. Das Wort Tannensauna fällt, als wir mit ihnen in die Hütte gehen, in der Helferin Sonja, Lucas Schwester, schon schwer geschäftig die Tannenzweige durch die Gegend wuchtet. Die Hütte ist der Brennraum der Familienbrauerei Rogg in Lenzkirch. Alle Fenster und Türen sind geöffnet und trotzdem ist es eine Heißluftkammer. „Hier haben wir schon Ladungen drin“, sagt Luca und zeigt auf den Kupferkessel und die großen Kochtöpfe, die auf Elektroplatten vor sich hin blubbern. Währenddessen werden draußen schon die nächsten Spitzen gewaschen und vorbereitet. 

Seit 2017 stellen Luca und Louisa Tannenliebe her. Erst nur nebenher, denn am Anfang war es nur eine kleine Sache. Die große Begeisterung, die ihre Limonade inzwischen auslöst, hatten sie so gar nicht erwartet. 

Seit fünf Jahren hat der gelernte Hotelfachmann in Freiburg sein eigenes Lebensmittelgeschäft in der Wiehre. Sonnengereift heißt es. Mit der Hilfe seiner Familie hat Luca aus dem Versandgeschäft einen gemütlichen Feinkostladen mit Café gemacht, in dem er eigentlich italienische Köstlichkeiten aus der sizilianischen Heimat seines Vaters verkauft: Olivenöle, Orangen, Granatäpfel. Seit drei Jahren bekommt man hier nun auch Schwarzwälder Tannenliebe – genauso wie zunehmend in vielen weiteren Geschäften, Bars und Cafés in der Region. 

Erfunden haben die beiden die Limo allerdings nicht. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Thomas Binder schon die Idee, aus Tannenspitzen Limonade zu machen. Warum auch nicht? Schließlich wissen die alten Schwarzwälder noch, dass man aus den jungen Trieben unserer Nadelbäume allerlei anstellen kann. Liköre, Tinkturen, Salben, Honig. Warum nicht Sirup kochen und daraus ein Süßgetränk machen? Der Anwalt aus dem Hochschwarzwald fand allerdings schon zwei Jahre nach seiner Erfindung nicht mehr die Zeit für die Schwarzwaldbrause und wollte die Marke abgeben. Luca und Louisa, die im Marketing eines Design-Möbelherstellers arbeitet, schmeckte Tannenliebe damals schon zu gut, um Nein zu sagen. Sie schlugen zu und übernahmen das Rezept. Seither ist Tannenliebe bio und trägt ein neues Etikett. 

Die Schritte bis zum „Zisch“

„Für unsere Limonade brauchen wir Sirup und den kochen wir aus den Tannenspitzen“, sagt Luca, während seine Schwester Sonja die großen Eimer vor der Hütte mit einem Schlauch ausspült und Louisa drinnen mit rotem Kopf im Kessel rührt. „Zuerst waschen wir die Tannen mit kaltem Wasser“, sagt er und zeigt auf die Zweige, die vor der Hütte in den Eimern schwimmen. Beim Ernten ist es wichtig, dass sie nur die Triebe der Weißtanne sammeln und nicht die der Eibe. Denn Eibe ist in Teilen giftig, Weißtanne nicht. Wie man den Unterschied erkennt? „Unten an den Nadeln müssen zwei weiße Längsstreifen sein. Wenn die nicht da sind, ist es eine Eibe“, erklärt Louisa. 

Luca nimmt währenddessen die gewaschenen Tannenspitzen aus dem Wasser und legt sie mit großen Schaumlöffeln in die gerade frei gewordene Brennblase aus Kupfer.  „Die doppelwandige Brennblase heizen wir mit Feuer. Über das Rohr geht der Dampf zwischen die Wände der Blase und innen kocht’s.“ In den Töpfen ist das bereits passiert. Luca nimmt die Zweige raus und schüttet die Flüssigkeit durch ein Sieb. Und das ist er nun, der Sud aus Tannenspitzen, Wasser und Zitronensäure – die Basis der Limonade. Er wird anschließend weiter gefiltert, mit Honig und Zucker gemischt und zu Sirup aufgekocht. In der Brauerei wird am Abfülltag aus Sirup, Wasser und Kohlensäure schließlich die fertige Tannenliebe. Dann wird das Ganze noch pasteurisiert, das macht die Brause haltbarer. 

Mit ihrer Leidenschaft sind Luca und Louisa das ganze Jahr über beschäftigt. Denn das Grün, das sie kochen, müssen sie auch selbst schneiden. Aber: Darf man das eigentlich einfach so machen? „Wir haben einen Vertrag mit dem Forstamt“, sagt Louisa. „Damit bekommen wir ein Gebiet und eine Menge in Kilogramm zugeteilt. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel in Littenweiler geerntet.“ Dem Wald schade das nicht. Um das Wachstum nicht zu beeinträchtigen, würden sie auch immer nur das untere Drittel eines Baums schneiden, erklärt Louisa. „Zum Glück unterstützen uns unsere Freunde und Familie, wenn wir wieder ein Auto voll Tannenspitzen brauchen.“ Die Spitzen werden in der Saison immer frisch geerntet, wenn Nachschub benötigt wird. 

Eine Autoladung reicht für etwa 1 000 Liter Sirup. Daraus entstehen am Ende fast 20 000 Flaschen fertige Tannenliebe. Der Vertrieb ist regional. „Wir müssen nicht neben Coca-Cola in jedem Supermarkt stehen“, sagt Luca, „aber die Idee ist: Tannenliebe von Freiburg aus in regionalen Märkten, Bars, Cafés, über Bio-Supermärkte und das Internet zu verbreiten.“ 

Feierabend

Das junge Paar sitzt auf einer Holzbank neben der Brennhütte und atmet tief durch. Tannenlimonade zu machen, ist ein Knochenjob. „Das hätten wir so auch nicht gedacht“, meint Louisa. Luca kümmert sich um den Vertrieb, sie sich um das Marketing. Gesammelt und gekocht wird aber immer gemeinsam. Meistens dann von morgens neun bis abends neun.

Plopp! Endlich dürfen wir auch mal probieren. Die Tannenliebe schmeckt würzig, fast schon ein bisschen kräutrig. Aber nicht zu süß. Die Nadeln schmeckt man deutlich, aber nicht zu intensiv. Lecker! „Tannenliebe ist ein Naturprodukt, wie beim Wein schmeckt deshalb jede Abfüllung ein bisschen anders“, erklärt uns Louisa noch. Bringt die Ernte überwiegend junge Triebe, schmeckt die Limo etwas milder. Kommen reifere Tannenspitzen in den Kessel, wird das Aroma intensiver. 

Luca öffnet für seine Freundin nun auch eine Flasche. Die beiden lächeln sich an. Das Tagwerk ist geschafft. Ob sie die Limo denn nach der ganzen Arbeit irgendwann nicht mehr sehen können, wollen wir noch wissen. „Nein“, sagt Luca. „Wir trinken fast täglich ein Fläschchen,  Uns schmeckt’s immer noch.“ Und wir verstehen: Das muss echte Liebe sein …

Auch mal probieren?
Unter tannenliebe.de erfahrt Ihr, wo in der Region Tannenliebe zu finden ist.

Weißtanne

Tannenliebe wird aus den Trieben der Weißtanne hergestellt. Sie ist aber nicht der einzige Nadelbaum, der infrage käme. Auch Fichte und Kiefer wären möglich. Auch daraus lassen sich Sirup, Gelee und Ähnliches zaubern. Als regionales Identifikationsgewächs ist die Weißtanne für eine Schwarzwaldlimonade aber besonders geeignet. Warum? Sie ist wohl der ursprünglichste und typischste Baum unserer Region. 

#heimat Schwarzwald Ausgabe 19 (2/2020)

Auf Eiersuche: Wir lassen uns von den Wusslers aus Gengenbach was ins Nest legen, verputzen die Wutz und zapfen an Tannen. Zudem erzählen wir, wie (und warum) der Schwarzwald tickt und warum es sich auf jeden Fall lohnt, nach Colmar zu fahren.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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