Von der Sonne verwöhnt: Ein Wochenende in Staufen

Wie im gelobten Land. Radler, Wanderer, Spazierganänger. Alle wollen auf ein Glas Gutedel oder Kaffee und Kuchen nach Staufen. Wir auch!

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Staufen? Das ist doch Faust, Risse, Gutedel. Reicht das? Nein! Um es mit Johann Wolfgang von Goethe zu sagen: „Zwar weiß ich viel, doch möcht ich alles wissen.“ Was also hat es mit Dr. Faustus auf sich? Woher kommen die Risse an den Häusern? Und ist der Weißwein trinkbar? Fragen über Fragen. Darum: Auf nach Staufen!

Freitag, 16:00 Uhr

Noch schöner als gedacht, stelle ich auf meinem Spaziergang durchs Städtle fest. Die Burg ist das romantische Wahrzeichen der Stadt. Ebenso fürs Herz sind Kopfsteinpflaster und Bächle. Die schmalen, bunten Häuser kleben wie die Kletten aneinander, wenn sie nicht einer Gasse Platz machen. An vielen Häusern hängt ein goldenes Schild. Der Hirsch! Der Löwen! Das Kreuz! Irgendwo muss ja der Gutedel die Kehlen runter fließen. Für zwei Tage wird der Löwen meine Bleibe sein. Das uralte Wirtshaus schaut immer noch frisch aus wie zu Goethes Zeiten. Der aber niemals in der Stadt war! Trotzdem ist der Dichterkönig an allen Ecken präsent. Warum? Na, wegen Faust, der im Löwen hauste, experimentierte und vom Teufel geholt wurde. Besagter Faust wurde in die Stadt gerufen, weil die Burgherren mit Geld angeblich so gut umgehen konnten wie Boris Becker. Goethe und 100 andere schrieben über ihn.

Freitag, 19:00 Uhr

Die Krone ist eine anerkanntes Restaurant mit Geschichte und einem guten Geschmack. Die Polster sind rot-weiß gestreift, die dominante Farbe ein edles Lindgrün. Hier gibt es badische Klassiker, aber auch einen frischen Ziegenkäse mit Chutney (unten) und Kräutern (oben) zur Vorspeise und zum Hauptgang Leber von der jungen Ziege mit einer kräftigen Soße. Das ist nicht nur rar, sondern auch regional. Zum Absacker sind es nur fünf Minuten. Alte Rockmusik läuft in der Kultkneipe Rombach-Scheuer genauso gut wie frisches Bier. Die Gutedel-Schorle wird aus Wassergläsern (Badischer Weinkrug) getrunken. Wieder was gelernt!

Samstag, 9:00 Uhr

Wunderbar! Rund um den Brunnen brummt der Wochenmarkt und ich stürze mich ins Getümmel, finde geräucherte Würste, dazu Äpfel und Birnen für eine Wanderung, Honig für daheim sowie Tulpen fürs Auge. Wo finde ich etwas über Faust? Oben im Rathausturm entdecke ich den Fußabdruck des Leibhaftigen im Stein. Das könnte ein Hinweis sein! „Die Botschaft seh ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, sagte so oder so ähnlich auch der Goethe. Die Staufener sehen es aber anders: Mephisto war hier! Im kleinen Museum im Rathaus und sogar in einem Schaufenster grinst mich ein Teufel an. Die Goethe Buchhandlung hat hunderte Bücher von Goethe und über Faust. Aber was heißt das schon? Vielleicht kann mir Herbert Burghard weiterhelfen? Der Stadtführer kennt alle Ecken, Winkel, Nischen, Gassen und Plätze der Stadt. Unser Weg führt uns in die Welt der kleinen Häuser im Hinterstädtle. In der Spitalstraße 17 wurden auf dem Speicher Dokumente gefunden, die von Dr. Faustus berichten. Es hat ihn also wirklich gegeben! Wir entdecken viele schöne Adressen wie das Café Coffee and more und die Chocolaterie Sixt mit ihren Köstlichkeiten. Ein weiterer Schatz ist die Schuh- und Lederwerkstatt, die nach Maß anfertigt, z.B. Damenstiefel mit einem Pferdefuß statt glatter Sohle. Für Frau Mephisto?

Samstag, 13:00 Uhr

Mittagessen! Eine rote Wurst und ein Apfel vom Markt reichen als Grundlage für eine kleine Tour durch den Gutedel. Ich klingle beim Weingut Ulmann direkt neben dem Löwen. Heinrich „Heiner“ Ulmanns Weingut geht auf einen Einwanderer aus Savoyen („ohne Schulden und frei von den Zwängen der Ehe“) zurück, der hier sein Glück suchte. Was denkt er über Gutedel? „Für Leib und Seele, jeden Tag, immer!“ Der Trend gehe zwar zu neutralen Weinen, aber Ulmann will seinen Wii (Wein) mit ein paar Ecken und Kanten. Beim Gutedel kann man alleine eine halbe Flasche trinken oder zu zweit eine ganze, meint Ulmann. „Wein ist ein weites Feld“, philosophiert der Winzer. Weites Feld? In nur fünf Minuten stehe ich schon bei Winzer Peter Landmann vor der Tür, der mir vom „fröhlichen Tourismus“ vorschwärmt und dann ein Loblied auf den Zechwein singt. Die Jahrgänge sind meist sonnig, die Weine immer trocken. Landmanns Weine geben der Nase Futter (Pfirsich, Zitrus, Apfel) und machen Lust auf ein zweites Glas. Das gibt es 100 Meter weiter bei Michael Wiesler vom Weingut Wiesler. Auch hier regiert die Leichtigkeit des Weins. Warum nicht zum Spargel oder einem Schinkenbrot? Wie so viele Winzer hat auch er ein Kellergeheimnis. Es handelt sich um eine Mutation aus Muskateller und Gutedel, mit blumigen Aromen: „ein Nischenprodukt!“

Samstag, 19:00 Uhr

Nein, kein Schinkenbrot, sondern ein gutes Stück Fleisch – Rostbraten – gibt es im Bahnhöfle, das sich durch die Künste von Fabian Heiß neu erfunden hat. Die Soße dazu ist ein sensationell kompaktes Aromawunder. Auf Nachfrage verrät mir die Kellnerin ein paar Zutaten. Aber nicht alles. Der Koch lächelt wie ein glücklicher Alchimist, dem es gelungen ist, Gold zu machen. Aromagold!

Sonntag, 10:00 Uhr

Hat man abends gut gegessen, hat man am nächsten Morgen schon wieder Hunger. Kurios, ist aber so. Mit einem schönen, ausgedehnten Spaziergang auf die Burg zögere ich das nächste Essen hinaus. Den schönsten Ausblick auf Staufen hat es vom Panoramaweg. Oben angekommen, geht der Blick weiter, manchmal sogar bis Straßburg. (Ans Kleingeld fürs Fernrohr denken!) Auf meinem Weg durch die Obstplantagen treffe ich endlich Mephisto. Er ist bärtig, ständig am Meckern und Hörner hat er auch. Mein Mittagessen findet dort statt, wo mein Wochenende begann: In der historischen Stube im Löwen ist es so stimmig wie köstlich. Es gibt dünne Rindfleischscheiben mit Meerrettich (badisch, scharf, wunderbar!) und als Beilage Kartoffeln und Karotten. Damit’s besser rutscht: ein leichter Gutedel. Vom Kachelofen grinst mir derweil noch ein Mephisto entgegen.

Sonntag, 14:00 Uhr

Auf der anderen Seite des Flusses liegt das Keramikmuseum im ehemaligen Haffnerhaus. Hier gingen früher die Staufener hin zum Geschirr-„Shoppen“. Heute staunen Leute wie ich über die alte Werkstatt. Die aktuelle Ausstellung über Künstlerinnen ist ein wahrer Schatz. Bambi kam aus Karlsruhe, lautet die Erkenntnis. Ein Klassiker ist auch das Café Decker und ich merke mir: Staufen kann nicht nur Gutedel, Staufen liebt auch Kaffee und Kuchen. Und wie!

Unsere Tipps für Staufen

Hotel

Der Löwen (Rathausgasse 8)

Das erste Haus am Platz mit historischer Gaststube, gutbürgerlicher Küche und legendärem Faustzimmer.

Gasthaus Hirschen (Hauptstraße 19)

Stadthotel mit Restaurant, Dachterrasse, eigenem Wein …

Camping Münstertal (Dietzelbachstraße 6, Münstertal)

Camping deluxe dank Apartments, Wellness, Schwimmbad und Restaurant.

 

Restaurants

Restaurant Bahnhöfle (Bahnhofstraße 6)

Der anspruchsvolle Küchenchef gibt den Soßenmeister. Die Burgerund Rostbratenkompetenz in Staufen! Weine von Fritz Wassmer, Biergarten.

Die Krone (Hauptstraße 30)

Mehrfach ausgezeichnetes Restaurant mit Sinn fürs Regionale, fleischlose Küche und die badischen Klassiker. Auch Hotelzimmer.

Kreuz-Post (Hauptstraße 65)

Michael Zahn wagt den Neustart in der Kreuz-Post. Signature Dish: die Ochsenbäckle, so heißt’s.

Höfli (Hauptstraße 56)

Badisch-mediterran: Lammrücken, Tatar, Hummus, Falafel und sonntagmorgens Frühstück. Lauschig im Hof.

Auf der Breite (Auf der Breite 1)

Die Strauße mit dem super Ausblick bietet saftiges Schäufele und lecker Pfannkuchen. Zur Saison: Spargel! Eigener Wein.

Al Dente (Hauptstraße 43)

Seit fast 20 Jahren das Rom Staufens. Mit italienischem Feinkostladen.

Spielweg (Spielweg 61, Münstertal)

Klassische Wildgerichte und ein frischer Wind aus Fernost dank Köchin Viki Fuchs. Auch Hotel, Wellness.

Bahnhof Münstertal (Belchenstraße 24, Münstertal)

Ein Hoch auf die Pommes und aufs Schnitzel.

 

Café

Café Decker (Hauptstraße 70)

Schlaraffenland für Kuchen, Torten, Plunder. Hier ist alle Tage Sonntag.

Café Faller (Hauptstraße 27)

Klein, aber fein, meisterliche Nussecken (Böbbele) für die Ewigkeit.

Coffee and more (St. Johannesgasse 14)

Verschwiegenes Café mit Rösterei im uralten Fachwerk von Anno 1599.

 

Wein

Weingut Landmann (Auf dem Rempart 2)

Bioland-Weingut, das auch bei Slow Food ist. Sekt wird großgeschrieben. Viel besuchter Weinbrunnen.

Weingut H. Ulmann (Hauptstraße 39)

Legendäres Staufener Weingut. Die Weine werden nach der Ulmmann’schen Stilistik von Martin Wassmer ausgebaut.

Weingut Michael Wiesler (Krozinger Straße 26)

Alte Reben und die Liebe zum Gutedel prägen das Weingut. Gutedel-Cup Gewinner. Mit Gutsschenke.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 38 (3/2023)

Freut Euch in dieser #heimat auf Erdbeer-Rezepte, Schwarzwälder Van-Life, eine Boots-Tour im Elsass, ein spannendes Interview mit Frank Elstner und unser Heimatwald-Projekt – zusammen mit weiteren spannenden Menschen und ihren Geschichten. Was hat es zum Beispiel mit dem Schneekönig auf sich – im Mai? Und wer steckt hinter dem Titel Badens Winzer des Jahres? Lest selbst!

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