Süße Leidenschaft

Er spricht von Terroir, Steillage und Wetter. Tim Schreiber ist aber kein Winzer, sondern Hobbyimker. Sein Lohn: Tannenhonig mit Würze und super Aroma

Text: Pascal Cames und Dimitri Dell

Kommt im Hochschwarzwald das Gespräch auf die Rheinebene, schwingt ein bissle Neid mit. Vor allem im Frühling. Schließlich blühen unten die Kirschen – und überhaupt alles – einfach früher. Aber mal ehrlich: Ist das wirklich immer gut? Ein bisschen Verspätung kann nicht schaden, weiß Tim Schreiber, der die Honigmeisterei in Schonach betreibt. Wenn ein später Frost übers Land zieht, genauer gesagt durchs Tal, ist es Essig mit den Früchten, der Blüte und dem Honig. Da im Hochschwarzwald eh alles später losgeht, kennt er diese Probleme nicht unbedingt. Wenn es blüht, dann blüht es – und seine Bienen haben was zu tun. Blüte für Blüte, Flug um Flug.

Hobby mit Anspruch

Das Thema Honig wurde Tim Schreiber nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Bienenvölker hatte jedenfalls niemand in seiner Familie. Mit Anfang 30 suchte er einen Ausgleich zum Büro, etwas, das ihn fordert. „Nicht, dass ich mich nach zwei Jahren schon langweile“, sagt er und schaut auf die andere Talseite zur berühmten Schonacher Sprungschanze, auf der im Winter die weltbesten Nordischen Kombinierer zum Sprung ansetzen. Jetzt ist er quasi in den Honigtopf gefallen. Und Honig sei nicht gleich Honig: „Es ist gerade auch die Vielfalt, die mich begeistert“, erzählt der Imker. Sogar im Urlaub schaue er nach Honig, Freunde und Bekannte brächten ihm auch immer welchen mit. Auf der Steillage hat er seine Bienenvölker. Warum Steillage? „Wegen der Tannen“, klärt er auf. Weil er Tannenhonig liebt, stehen die Bienenstöcke dort. Da die Fichte am Hang einen schweren Stand hat, hat man hier die Weißtannen belassen. Kräftig, würzig, aromatisch schmecke der Tannenhonig. „Der gehört schon immer zu meinen Lieblingen“, sagt er. Dort, wo die Schilder zur Schönen Aussicht und zum Specklädele in Richtung Karlstein den Weg weisen, ist ein guter Platz. Jedes Jahr darf er hier seine Bienenstöcke aufstellen. So hat er es mit dem Waldbauern abgemacht. Im Frühjahr installiert er sie am Waldrand und bestückt sie mit den Waben. Alle paar Wochen muss er dann noch nach dem Rechten schauen. „Jetzt bin ich aber gespannt“, sagt er und wuchtet zuerst die Steine weg, die den Deckel beschweren. Dann lüftet er ihn und zieht die Waben heraus. Manche sind schon mit Honig gefüllt, der wie Bernstein in der Sonne leuchtet. Die Bienen krabbeln ungestört umher. Bienen machen den Honig, denken viele. Aber so ist es nicht immer. Beim Tannenhonig sind es die Läuse. Diese fressen Pflanzensaft und scheiden ihn als Honig wieder aus. Das ist der Stoff, den die Bienen sammeln und dann in die Waben tun. Als Wintervorrat. Den ganzen Tag! Darum heißt es auch bienenfleißig. Aber das Bienenleben ist nicht so idyllisch. Wühlmäuse, Dachs und Marder können in den Bienenstock eindringen und räubern (ganz früher auch Bären …). Zudem gibt es Hornissen, die vor der Luke des Bienenstocks Tiere abgreifen und auffressen.

Honig schmeckt nach Heimat

Das Volk hält den Schwund aus, weiß Tim. Aber sobald eine Hornisse in den Stock gelangt, wird es brenzlig. Für den Eindringling. Denn dann fliegt ein Schwarm Bienen auf die Hornisse und bildet auf ihr eine sogenannte Traube. Mit Flügelbewegungen erzeugen sie eine Wahnsinnshitze, sodass die Hornisse geradezu gekocht wird. Die Bienen halten die Temperatur aus. Ein anderer Feind ist der Waldbrand. Das machen sich Imker zunutze. Sobald eine Biene Rauch registriert, geht sie in den Stock, frisst Pollen und wird träge. Genau dieses Programm spulen die Bienen ab, als Tim im Imkeranzug den Deckel lupft und sie mit der Imkerpfeife benebelt. Ab und zu drückt er den Blasebalg und eine Rauchwolke steigt auf. Die Bienen sind ruhig. „Wenn sie aggressiv sind, hört man es“, weiß er und begutachtet in aller Ruhe die Waben. Den ganzen Sommer über prüft er einmal die Woche den Stand der Dinge. Im Herbst holt er die Waben recht früh aus dem Stock, damit sich die Bienen auf den Winter vorbereiten und gegen den schlimmsten Feind – die Varroamilbe – wappnen können. Damit die Bienen was zu fressen haben, stellt er ihnen eine große Schale mit Honigwasser in den Stock. So kommen sie über die harte Jahreszeit. Im Herbst muss Tim Bienenfleiß zeigen, er muss die vollen Waben durch leere ersetzen, daheim den Honig aus den Waben schleudern, diesen abfüllen, die Gläser etikettieren und ganz zum Schluss die Bestellungen versenden. Die Nachfrage ist immer größer als die Ernte, bedauert er. Sogar nach Irland verschickt er seinen Honig, weil dort ein Schwarzwälder lebt, der auf seinen geliebten Tannenhonig nicht verzichten möchte. Aber Honig ist nicht gleich Honig. Je nach Standort und Jahr schmeckt er anders, weiß Tim Schreiber und erklärt: „Auch ein Honig hat Terroir.“ Terroir, das bedeutet Erde, Klima, Pflanzen, Luft. Für den Schwarzwälder Iren und viele andere schmeckt Tims Honig dagegen vor allem nach Heimat.

Honigwissen & mehr!

Gewusst? Sprechen wir von Honig, dann meinen wir „Honig aus eigener Imkerei“. Je nach Standort schmeckt Honig anders und heißt auch anders, z. B. Waldoder Rapshonig. Honig kann rotbraun oder milchiggelb sein, zähflüssig bis cremig. Dank des hohen Zuckergehalts ist Honig ewig haltbar. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Deutschland bei einem Kilo pro Jahr. Im alemannischen Dialekt heißen die Bienen Immen, das Wort Imker stammt davon ab. Wer noch mehr Infos und praktische Tipps für den eigenen Garten in Sachen Bienen haben will, kann hier vorbeischauen!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 38 (3/2023)

Freut Euch in dieser #heimat auf Erdbeer-Rezepte, Schwarzwälder Van-Life, eine Boots-Tour im Elsass, ein spannendes Interview mit Frank Elstner und unser Heimatwald-Projekt – zusammen mit weiteren spannenden Menschen und ihren Geschichten. Was hat es zum Beispiel mit dem Schneekönig auf sich – im Mai? Und wer steckt hinter dem Titel Badens Winzer des Jahres? Lest selbst!

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