Schmieden: Die schwarze Kunst

Hier geht es Schlag auf Schlag, und das seit Jahrtausenden. Damals wie heute braucht ein Schmied Feuer & Kohlen, Eisen & Hammer sowie Kraft & Grips

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Es ist ein heißer Sommertag und alle sind froh, im Museum zu sein. Schön kühl ist es da und ruhig dazu. Die Dorfstraße in Richtung Schwarzwaldkamm ist weit weg, nur die Bühlot rauscht und ein Schaufelrad dreht seine Runden. Ein helles Tak-tak-tak dringt in die Stille. Und Tak-tak-tak: Das gilt für mich. So klingt der Hammer auf dem Amboss. Und ich bin heute der Feuerjunge, der schmieden wird. Tak. Tak-tak. 

Feuerjunge ist die Bezeichnung für diejenigen, die in der Schmiede an der Esse stehen und das Feuer kontrollieren, die Kohle zugeben, aber vor allem darauf achtgeben, dass das heiße Eisen nicht verbrennt. Wenn Funken aus dem Eisen sprühen ist es zu spät, dann geht das Eisen kaputt und der Lohn verbrennt. 

In dieser Sache bin ich familiär vorbelastet. Mit zwölf oder dreizehn war ich das letzte Mal in einer Schmiede, damals mit meinem Vater, und mit Lohn verbrennen kenne ich mich aus. Denn natürlich habe ich beim Ins-Feuer-Schauen geträumt und die Zeit vergessen. Irgendwann flogen dann die Funken und wieder ging ein Stück Eisen in Flammen auf.

Der alte Haudrauf-Sepp

Heute ist Josef Nöltner mein Meister. Alles „was mit Stahl und Eisen zusammenhängt“ ist sein Metier. In der Hitze der Arbeit sind Sepp und ich schnell per du. Der Sepp stammt aus einem Schmiedebetrieb in Affental, der damals auf Landmaschinen spezialisiert war. Da vor nicht allzu langer Zeit Deutschland vom traditionellen Ackerbau lebte, lief das Geschäft gut. Pferde und Kühe mussten beschlagen werden, es brauchte Hacken und Schaufeln, auch die Eggen mussten scharf sein. Allein in Bühlertal hatte es bis in die 60er-Jahre des vorherigen Jahrhunderts sechs Schmieden. Heute ist keine mehr da, außer der Hammerschmiede des Museums Geiserschmiede in Bühlertal. Sepp Nöltner, der jetzt eine Gruppe von ehrenamtlichen Schmieden leitet, wollte ursprünglich lieber im Wald arbeiten, musste aber das Geschäft vom Vater übernehmen. Aus einem mittelprächtigen Schüler wurde so ein exzellenter Schmied. „Mit 20 war ich Deutschlands jüngster Schmiedemeister“, erzählt er mit einem breiten Grinsen. Für seine 69 Lenze schaut er jung aus, er hat eine gesunde Farbe, der Blick ist freundlich und hellwach und seine raspelkurzen Silberhaare leuchten im Widerschein der Flammen wie bei einem Heiligen – oder einem Dämon.

Große Träume, klein anfangen

Wir einigen uns, dass ich weder Jagddolch noch Damaszener Schwert oder Streitaxt schmiede, wie ich es wohl als Kind erträumt hätte, sondern klein anfange. Sehr klein sogar. Ein Hufeisen ist auch schön. Wir schauen uns eines an. Das Stück Eisen ist rund, aber offen, an den Enden ist es doppelt so dick, dann sehe ich eine Art Ritze als Verzierung und ein Siegel. Jede Schmiede ob in Bühlertal oder anderswo hatte ihr Siegel, das mit einem Prägehammer eingestanzt wurde. Die Geiserschmiede hat vier aneinanderstehende Kreise, andere Schmieden in Bühlertal hatten ein „W“, ein „G“ oder ein Schaufelrad, wie die Bäuerleschmiede. Warum? Das war eine Art Gewährleistung, so konnte man feststellen, wenn einer „Murks“ geschmiedet hat, erklärt der Sepp.

Mit dem Feuer hat es seine Bewandtnis, in der Kuhle der Esse ist es am heißesten. Wie bei einem Lagerfeuer auch. Je heller die Flamme, desto größer die Hitze, lautet die Gleichung. Also lege ich das Eisen so ins Feuer, dass es fast mit Kohle bedeckt ist. Ohne groß nachzudenken nehme ich den Schieber und bewege die Kohle auf dem Stein zur Mitte, damit das Feuer seine Nahrung bekommt. Genauso muss man es machen, lobt mich Sepp. (Innerlich jauchze ich, ich
habe also doch noch nicht alles verlernt!)  

Die Kohle stammt aus Polen, ist nur 20 Millimeter groß, bringt aber genau deshalb so viel Hitze. Mit Koks, Braun- oder Grillkohle würde es nie und nimmer funktionieren. Der Stoff, der aus heiß höllisch macht, ist der Sauerstoff, der über ein Gebläse zugeführt wird. In alter Zeit hätte man das mit einem Blasbalg machen müssen. Mühsam! Heute geht Regulierung spielend einfach mit einem großen Hebel.

Schmieden wie anno 1890

Während einer Pause schaue ich mich um. Zwar hat es vom letzten Anstrich noch ein paar weiße Flecken in der Schmiede, aber sie wird bald wieder ganz die alte, also rabenschwarz sein. Bestimmt zwei Dutzend Hämmer sind aufgereiht, dazu um die 100 Zangen, denn man braucht für jeden Zweck das richtige Werkzeug.

Unter dem Kamin sind zwei Essen, sodass zwei Schmiede gleichzeitig den Hammer schwingen können. Auf der anderen Wandseite bewegen sich mannshohe Zahnräder, die vom Mühlrad draußen angetrieben werden. Von den Zahnrädern laufen Transmissionsriemen ab, die den Schwanzhammer antreiben, einen mechanischen Hammer, mit dem man viel Muskelkraft sparen kann. Die elektrische Funzel ist nur Luxus, die ganze Schmiede würde auch ohne Strom funktionieren. So war es auch schon 1890, als die Schmiede eingerichtet wurde. In der Esse hat es derweil 1000 bis 1100 Grad, an meiner Lederschürze prallen immer noch 50 bis 70 Grad der Widerhitze ab. Um die Farbe des heißen Eisens besser erkennen zu können, soll ich die Augen zusammenkneifen, rät mir Sepp. Ich probiere es, so gut es geht.

So langsam wird mir heiß, ohne auch nur einen Hammerschlag geführt zu haben. Die ersten Schweißtropfen laufen mir bereits von der Stirn in die Augen, das Schauen wird noch schwieriger. Jetzt ist es aber soweit, das Eisen hat die richtige Farbe. Mit einer Zange hole ich es aus dem Feuer und lege es der Länge nach auf den Amboss. Jetzt ein Hammerschlag. Und noch einer! Es ist nicht der ganz große Schmiedehammer mit seinen fünf Kilo, den ich schwinge, sondern eine Nummer kleiner. Das Schlagen geht leicht, fast hüpft der Hammer von alleine zurück vom silbergrauen Amboss. Sepp verrät mir einen Trick. Wenn ich abrupt mit dem Schlagen aufhöre, dann ist das eine unnatürliche Bewegung, die mir in die Knochen und den Rücken fährt. Also soll ich noch einen schwächeren Schlag machen, vielleicht noch einen, aber nicht aufs heiße Eisen, sondern auf den Amboss. „Mit dem Amboss sprechen“, heißt das. Sofort fällt mir auf, dass es Sepp genauso macht. 48 Jahre hat er auf den Amboss gehauen, jetzt lässt er die Arbeit ausklingen und zwar als ehrenamtlicher Schmied, der weiß, dass man im Leben irgendwas machen muss, aber nicht immer für Geld.

Weniger Hitze heißt mehr Kraft 

An beiden Enden habe ich das Eisen umgeschlagen und die Kanten platt gehämmert. Ich habe das heiße Eisen auf den Amboss gelegt und wieder gerade gehauen. Das noch unfertige Hufeisen glimmt orange, wird dann blutrot. Wenn ich schlage, fallen grau-schwarze Placken ab und so langsam wird es kalt. 

Um sich ordentlich zu verbrennen reicht es immer noch, aber das Schmieden wird zäh. „Jetzt bist du ein Kaltschmitt“, lacht Sepp. Ans „kalte“ Schmieden kann ich mich noch gut erinnern. Wenn mein Vater in Fahrt war, dann glich er die nachlassende Hitze des Eisens mit der eigenen Kraft aus und schlug das Eisen auch so in die gewünschte Form. Übrigens haben mein Vater und der Sepp eine Gemeinsamkeit: sehr dünne Oberarme. Aber ich bin mir sicher, dass sie in ihren Glanzzeiten jeden Muskelprotz platt gemacht hätten, ohne Hammer.

Schon das kleine Hufeisen zeigt mir, dass Kraft nicht alles im Leben ist! Was macht man zuerst? Die Enden umschlagen oder das gerade Teil rundformen? „Im Kopf entsteht die ganze Geschichte“, erklärt Sepp zwischen zwei Schlägen. „Man muss es sich vorstellen können.“ Andere Werkstücke, wie die Stierköpfe, sind noch komplizierter. Natürlich werden sie aus einem Stück Eisen gemacht, die Hörner werden abgespalten, Augen und Mund werden eingeschlagen, es wird gebogen, gehämmert, aufgespalten. „Was will ich machen? Wie will ich es machen?“ Sepp spricht von „sich vorstellen“ und „ausführen“. Aber geht das so schnell?

Erst nachdenken, dann schlagen 

Wir nehmen ein Probestück, das ich spitz ausschmieden soll. Wie gelernt fixiere ich das Eisen mit der Zange und setze den ersten Schlag. Während der Hammer oben ist, drehe ich das Eisen mit der Zange, schlage zu, hebe wieder den Hammer, drehe das Eisen, schlage zu, drehe, schlage und so weiter und so fort. Es klappt, nein, es klappt nicht. Ich komme aus dem Rhythmus. Wieder erhitze ich das Eisen und siehe da: Die zweite Runde läuft besser. Jetzt ist Zeit für die letzten Arbeiten am Hufeisen. Wir schlagen mit einer Art Meißel eine Verzierung ein. Spätestens jetzt sieht man dem guten Stück an, dass es ein Anfänger war. Fehlt nur noch der Prägestempel, der auch zackig eingehämmert wird. Meine Schlagkraft vergrößert sich, aber ich spüre immer noch Hemmungen, „fest druff“ zu schlagen. Fliegt mir dann der Hammer aus der Hand? Sollte ich nicht lieber einen Helm tragen? Oder noch besser die anderen? Komprimierte Schläge müsse man setzen, sagt Sepp. Mit der Messingbürste schrubbe ich das gute Stück sauber, dabei geht etwas vom Messing auf das Eisen über. Dank dieser chemischen Reaktion bekommt das Hufeisen einen schönen Glanz.

Schmieden, bis die Funken fliegen

Dann erlauben wir uns noch einen Spaß und lassen ein Flacheisen verbrennen. Wir bringen das Eisen zur Weißglut und warten auf die Funken. Ich nehme es heraus und versuche es mit komprimierten Schlägen à la Sepp. Eins, zwei, drei. (Der erste Schlag geht daneben, aber ein Amboss
ist bekanntlich stabil.) Doch es geht noch besser. Sepp zeigt mir, wo der Hammer hängt. Seine Schläge sind schneller, stärker, kompakter. Die Funken fliegen, der Funke fliegt über und das nächste Hufeisen wird besser. Danke, Sepp!

Schmied als Beruf

Der Schmied gehört zu den ältesten Berufen der Welt. Seit der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) produziert die Menschheit Werkzeuge und Waffen, indem sie Metalle erhitzt und formt. Erst durch das Handwerk des Schmieds gab es effektive Arbeitsgeräte für den Ackerbau. Ritter und Soldaten waren für ihre Schwerter und Speere ebenfalls auf die Kunst der Schmiede angewiesen. Im Altertum wurde der Schmiede- und Feuergott bei den Griechen als Hephaistos und bei den Römern als  Vulcanus verehrt. Im Laufe der Zeit fand eine Spezialisierung des Berufs statt, der eine Schmied beschlug Pferde, der andere produzierte Waffen, der nächste Messer oder Schmuck. Der Nachfolger des klassischen Schmieds ist der Metallbauer.

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