Immer volle Locke!

Zu Marcos Friseursalon nach Kirchzarten kommen Hipster wie Omas aus der Nachbarschaft. Und auch wir kriegen einen neuen Vintage-Look verpasst...

Text: Stephan Fuhrer · Fotos: Jigal Fichtner

Kirchzarten ist sicherlich nicht der Nabel der Welt. Aber das kleine Städtchen vor den Toren Freiburgs hat was. Eine schnuckelige, gepflasterte Fußgängerzone mit jeder Menge kleiner einladender Läden, Lokale und Eisdielen zum Beispiel. Und – ach ja – einen Friseur, bei dem man unweigerlich vor der verglasten Fensterfront stehen bleiben muss. Was ist denn da los? Der ziemlich volltätowierte Frisurenmeister sieht so gar nicht nach Dreisamtäler Dorfidyll aus. Genauso wenig wie seine Kundschaft: vollbärtige Hipster und junge Damen im Rockabilly-Look. Nur, was hat da dann die Oma auf dem Stuhl daneben zu suchen, deren Haarpracht gerade mit einer Jack-Daniels-Flasche eingesprüht wird? Da muss ich mal rein …

Kirchzartener von Herzen

Drinnen empfängt mich Marco Trenkle.* Und zugegeben: Wir sind nicht zufällig hier. Wir hatten von der Kirchzartener Haarschneiderei Zur Locke schon gehört und sind verabredet. Schließlich wurde der Laden mit seinem frechen British-Old-School-Style zuletzt mehrfach als einer der besten Vintage-Friseure Deutschlands  ausgezeichnet. Inzwischen kommt die Kundschaft entsprechend nicht nur aus dem ganzen Schwarzwald, sondern auch von weiter her. Doch das ist nicht einmal die größte Besonderheit an Marcos Laden. Viele Kunden kommen auch aus der Nachbarschaft. Zum Spitzenschneiden.  Oder, um sich mal ’nen ganzen neuen Schnitt zu gönnen. Was denn in der Jack-Daniels- Flasche drin sei, wollen wir gleich wissen. Marco lacht. Das sei nur Wasser … „Ich bin mit ganzem Herzen Kirchzartener“, sagt der gelernte Friseurmeister, der sich in seinem Heimatort nicht nur im Gewerbeverein engagiert. 24 Jahre lang war Marco auch im Musikverein, bei der Narrenzunft ist er als zweiter Vorstand immer noch aktiv. „Deshalb hat man mich als bunten Vogel wahrscheinlich hier auch einfach so angenommen, wie ich bin“, meint er lachend und begrüßt den nächsten Stammkunden, der gerade vorfreudig zur Tür hereinkommt: Dominik aus Furtwangen. „Die Dreiviertelstunde Fahrt nehme ich immer gerne auf mich, damit Vollbart und Frise wieder sitzen“, erzählt uns der Rock ’n’ Roll-Fan gleich. Bei der Gelegenheit kommt Marcos Auszubildender Recep auf mich zu – denn ich bin ebenfalls Vollbartträger. „Aber deiner könnte auch mal wieder Pflege gebrauchen. Setz dich da mal hin …“ 

Mit der Klinge am Hals

Also gut, ran ans Gestrüpp. Und während Dominik zu rotziger Punk-Musik im Hintergrund seinen ohnehin schon wohlgeformten Gesichtsschmuck aufpoliert bekommt, wird bei mir erst mal Grundlagenarbeit geleistet: Auskämmen, Ausfransen, Kanten rasieren. Fühlt sich gut an, auch wenn ich mich an die nackte Klinge am Hals erst noch gewöhnen muss. Beim Cutten bleibt Zeit für ein paar weitere Fragen: Wo Marco seinen Style herhat? „Ich war viel unterwegs“, erzählt der 40-Jährige. Nach der Meisterschule in Lörrach sei er mit seinem Salon in Freiburg gelandet. Danach war Marco lange als Educator für einen internationalen Kosmetikhersteller in der ganzen Welt unterwegs – in New York etwa, in Las Vegas. Dann trieb in das Heimweh 2011 zurück. „Diese ganzen Eindrücke habe ich natürlich alle mitgebracht.“ Während Marco nebenan mit Dominiks Bart fertig ist und beginnt, dessen Tolle frisch hochzupimpen, beendet Recep bei mir schon wieder die Prozedur – mangels weiterer Haarpracht. Noch ein bisschen wohlriechendes Bartöl, das war’s. „Noch ’nen Wunsch?“, fragt mich der Azubi höflich. Wenn er schon so nett nachhakt: Komisch, irgendwie hätte ich jetzt noch Lust auf einen Schluck Jacky …

 

Zur Locke

Stylische Ledersessel, jede Menge Totenköpfe, Rock ’n’ Roll-Mucke und ein Wildschweinkopf an der Wand: Marcos Salon Zur Locke in der Kirchzartener Fußgängerzone ist auch so schon ein Hingucker. Zu seinen Kunden zählen Hipster und Rockabilly-Fans wie Punks, Omas wie Banker. „Es gibt eben nicht nur fünf Frisuren“, ist Marcos Credo. Wer mehr über seinen Salon erfahren möchte:

www.zur-locke.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 25 (2/2021)

Ob Hüftgold vom Titisee, blütenschnuppern im Renchtal oder hobbygärtnern auf Balkonien - Wir haben richtig Bock auf Frühling!

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Menschen

Walls can talk!

Wände können sprechen. Das weiß nicht nur Kendrick Lamar, dessen Song darüber einen Grammy gewonnen hat, sondern auch Jan Knopp von der Altholzgarage
Schwarzwald

Mit dem Bike cross und quer durch den Schwarzwald

Wurzeln und Steine, Pfade und Wege. Abseits aller Straßen führt die 450 km lange Bike-Crossing Schwarzwald Strecke der Länge nach durch die Heimat
Menschen

Badens Brenner Teil 3: Feine Ziele, viele Hände

Hinter einem guten Brand stecken immer Neugierde, Geduld, Geschmack. Meist hat auch die Ehefrau ihren Anteil, genauso wie die ganze Familie
Stephan Fuhrer

Osterhase? Da lachen ja die Hühner!

„Der Osterhase ist ein Superhase!", findet die kleine Tochter unseres Kolumnisten. Stimmt, sagt er: Eier bemalen, Nester befüllen – ein ganz schön str...
... Menschen Immer volle Locke!