Mit dem Bike cross und quer durch den Schwarzwald

Wurzeln und Steine, Pfade und Wege. Abseits aller Straßen führt die 450 km lange Bike-Crossing Schwarzwald Strecke der Länge nach durch die Heimat

Text: Patrick Kunkel Fotos: Patrick Kunkel

So macht Radfahren Spaß: Von Straße keine Spur, dafür streichelt kniehohes Gras die Beine. Der Pfad vor uns ist so schmal wie ein Handtuch, Wurzeln wachsen quer, ein Bach plätschert drüber. Rhythmisch kurbelnd geht es rauf, eben noch durch einen morgendlich kühlen Bergwald im grün-goldenen Licht, jetzt über eine offene Wiese unter einer ziemlich kräftigen Sonne. Die letzten steilen Meter schwitzen wir im Wiegetritt. Gelber Ginster, Kräuterduft in der Nase, zirpende Heuschrecken. Fast wie am Mittelmeer.

Der härteste Brocken

Die Kuhglocken aus der Ferne erinnern uns daran, dass wir im Schwarzwald sind. Genauer: Auf einer Bergwiese gut 900 Meter hoch über dem Simonswälder Tal und nur wenige Meter unterhalb des Kandelgipfel. Seine legendäre Nordwestanfahrt hat dem 1241 Meter hohen Berg unter Rennradlern den Ruf als einer der härtesten Brocken des Schwarzwalds eingebracht. Fast 1000 Höhenmeter auf zwölf Kilometer! Von Simonswald windet sich die Schotterstraße den Kandel hinauf. Knapp unterhalb des Gipfels mündet der Forstweg in einen Pfad. Dass der Schweiß fließt und die Kette ächzt, kann man in jeder zweiten Mountainbike-Reportage nachlesen. Aber was soll ich sagen? Genau so ist es!

Und es fühlt sich gut an, nach der Anstrengung verschwitzt oben auf einer blühenden Bergwiese zu rasten, wo es summt und brummt und ein Windstoß in die Buchen rauscht. Der schmale Singletrail endet neben der rot getünchten Kandelkirche. Im Kandelhof gibt’s Weizenbier, Apfelkuchen und einen Wirt aus Norddeutschland. Im vorigen Sommer waren die Quellen fast ausgetrocknet, erzählt er. Dieses Jahr ist alles anders.

Start in Pforzheim

Vor vier Tagen sind wir in Pforzheim los. Unser Ziel: Bad Säckingen an der Schweizer Grenze. Die ersten drei Tage hat uns das sprunghafte Wetter zermürbt. Erst seit Tennenbronn zeigt sich die Sonne. Jetzt ist der Himmel klar, passend zur Königsetappe auf den höchsten Berg des mittleren Schwarzwalds. Unser Plan: Einmal mit dem Bike von Nord nach Süd durch den Schwarzwald. Sieben Etappen, 440 Kilometer. Schlafsack, Isomatte und was man für ein paar Nächte draußen braucht, haben wir in den Bikepackingtaschen. Wir werden nicht nur in lauschigen Schutzhütten oder auf Bergwiesen, sondern auch in Pensionen schlafen – je nach Lust und Laune. Mehr als 16 000 Höhenmeter werden am Ende auf dem Tacho stehen, ein paar Abstecher mitgezählt, das ist mehr als bei so manchem Alpen-Cross. Eine Ochsentour, aber eine durch die schönsten Täler und über die höchsten Gipfel. Urwüchsige Tannen, geheimnisvolle Karseen, Berggasthäuser und Schwarzwaldhäuser säumen den Weg. Die komplette Strecke ist ausgeschildert. An jeder Abzweigung weist ein kleines gelbes Schild mit dem Schriftzug „X-ing“ den Weg, darauf ein Mountainbike-Piktogramm und ein Bollenhut mit blauen Bollen.

Schon kurz hinter Pforzheim – nach den ersten Metern auf Waldboden – wanderte die Kette bedrohlich schnell nach links. Und da bleibt sie auch die meiste Zeit. Spätestens am zweiten Tag, als wir Abends um halb neun müde ins warme Bett einer Pension fallen, ist klar, dass der Schwarzwald-Cross vor allem ein heftiges Kraft- und Konditionstraining ist. Steigung, Abfahrt, Steigung, rauf, runter, rauf, runter. Die Planer haben dafür häufig Forstwege gewählt, manchmal Asphalt, das Vergnügen auf einem Single-Trail kommt aber auch nicht zu kurz.

Fahre lieber ungewöhnlich

Auf den breiten Wegen lässt sich gut Strecke machen. Atemberaubende Abfahrten und knackige Anstiege wechseln sich ab, dazu grandiose Aussichten. Und wer noch mehr Abwechslung auf schmalen Pfaden sucht, macht’s am besten so wie Jean aus dem Elsass, ein Mountainbiker, den wir im Bergrestaurant auf dem Kandel kennen lernen. „Man muss sich ja nicht wie ein Sklave an die Schilder halten.“ Mit einer guten Wanderkarte sei es kein Problem, die Bike-Crossing-Strecke etwas aufzupeppen, weiß der Elsässer. Auch wenn’s nicht ganz legal ist: In Baden-Württemberg wurde die berühmtberüchtigte „Zwei-Meter-Regel“ erfunden, die Radfahren auf Wegen unter zwei Metern Breite untersagt, egal ob sich Biker und Füßgänger in die Quere kommen oder mit ein bisschen gegenseitiger Rücksichtnahme nicht schon viel gewonnen wäre. Allerdings kontrolliert auch keiner, ob die Regel eingehalten wird.

Es ist holprig. Wir sind dreckig. Arme und Beine sind zerkratzt. Und es macht jeden Tag mehr Laune. Vom Kandelgipfel führt ein schöner Wurzeltrail Richtung Plattenhof. Ab da entscheiden wir uns für die Alternativroute hinunter ins Dreisamtal über die Kapfenkapelle mit ihrem gigantischen Fernblick zum Feldberg und die Wolfsteige. Bloß: Ehe wir am Abend in Hinterzarten ins Bett oder auf die Isomatte fallen, müssen wir wieder hoch, wo die nächste heftige Rampe wartet. Am Nessellachen biegen wir auf einen abwechslungsreichen Singletrail ab, den verblockten Querweg Freiburg-Bodensee. Um diese Uhrzeit sind fast keine Wanderer mehr unterwegs. Und überhaupt: Anhalten, Platz machen und ein nettes „Hallo“ entschärft fast jeden Ärger schon im Keim.

Kontrastreich ist im Schwarzwald nicht nur die Topographie, sondern auch das Wetter: Am Abend der ersten Etappe im Nordschwarzwald hatten wir gut zu tun, all die durchnässten Klamotten wieder trocken zu bekommen. Von Kopf bis Fuß mit Schlamm bespritzt hatten wir Enzklösterle erreicht, wo wir erst mit dem Wasserschlauch die Räder freilegten, ehe uns der Löwenwirt mit einem gigantischen Kalbsrahmschnitzel den Abend rettete. Und auch am zweiten Tag sah die Welt im dichten Fichtenwald im Norden ganz anders aus als später im strahlenden Südschwarzwald – Nieselregen. Nebelschwaden. Gigantische Pfützen.

Nass, kalt, rutschig

Am nächsten Morgen gießt es wie aus Kübeln und der Wald gleicht wieder einer kühlen Waschküche! Oberhalb von Bad Rippoldsau biegen wir von der offiziellen Strecke auf den Mittelweg ab. Der Fernwanderweg schlängelt sich kilometerlang über einen Bergrücken. Der scheinbar endlose Wurzelteppich erfordert unsere volle Aufmerksamkeit: Mal versinken die Reifen schmatzend im aufgeweichten Waldboden, mal schlittern sie über glitschige Wurzeln. Alles trieft vor Wasser: unsere Klamotten, der Wald, die Räder. Und dazu knirschen die restlos entfetteten Ketten. Grüne Hölle voraus!

Ganz anders dann die Fahrt zum Feldberg drei Tage später: Blauer Himmel, Sonne, Insekten. Kaiserwetter und traumhafte Fernsicht! Knapp 800 Höhenmeter sind es von Titisee auf den 1493 Meter hohen Berg. Am Horizont hat sich die Alpenkette aufgebaut. Heute ist der höchste Gipfel des Schwarzwalds heillos überlaufen mit Wanderern und Bikern. Ein solcher Trubel ist entlang der X-ing Strecke die Ausnahme: Meist kurbelt man allein durch die Wälder und trifft stundenlang keine Seele.

Schwarzwälder Idyllen

Dafür springen Rehe über den Pfad und ruft der Kuckuck. Schwarzwald wie im Bilderbuch: Tannen, Schwarzwaldhöfe, Wasserfälle und schroffe Felsen. Ein alter Bauer ist mit der Sense zugange, seine Frau mit einem großen Holzrechen. Es riecht nach Heu. Hinter der nächsten Kurve blockiert eine Ziegenherde den Weg. Es klappert die Mühle, es rauscht der Bach. Kurzum: Die Crossing-Strecke bedient nebenbei auch noch fast jedes Schwarzwald-Klischee.

Wer kauft Kuckucksuhren?

Mit Klischees kennt sich auch ein Kuckucksuhrenhändler in Triberg bestens aus. Direkt vor seinem Laden an der B33 springt mein Schlauchlosreifen mit einem lauten Knall von der Felge. Luft zischt, Dichtmilch spritzt. Der weißhaarige Uhrenhändler hilft mit Lappen und Wasser aus und erzählt seine Geschichte: „Früher, als noch viele amerikanische Touristen kamen, haben hier vier Mädels mitgearbeitet, heute mache ich alles allein.“ Der Mann führt uns durch sein Geschäft, in dem Hunderte von Uhren ticken. Ein älteres Paar verlässt gerade den Laden. Ohne Kuckucksuhr.

„Es geht wieder bergauf“, sagt der Händler noch. Da hat er sicherlich recht, vielleicht meint er aber auch nicht die Uhren. Denn die Cross-Strecke geht wieder bergauf – und geradewegs zum Kuckuck. Aber dem echten!

Bike-Crossing

Die „Bike-Crossing-Schwarzwald-Tour beginnt in Pforzheim und endet in Bad Säckingen. Die 440 Kilometer lange Radstrecke ist in sieben oder acht Etappen gut zu schaffen. Insgesamt sind 16000 Höhenmeter zu bewältigen. Übernachten kann man in Pensionen oder Hotels sowie in den Schutzhütten im Wald. Da die Beschilderung Lücken aufweisen kann, raten die Macher zur kostenlosen SchwarzwaldApp oder einem GPS-Gerät. Wer bei dieser Tour auf den Geschmack kommt, kann noch einen 370 Kilometer langen Rundkurs über Donaueschingen und Tuttlingen draufsatteln.

Für eine 7-Tage-Tour sollte das in die Satteltaschen: Handy mit Taschenlampenfunktion, Powerbank, Isomatte, leichter Schlafsack, Outdoor-Handtuch, Wasser (Plastikflasche), Hartkäse, Landjäger, Brot, Energieriegel oder Schokolade, aufblasbares Kissen, leichte Wechselkleider, Taschenmesser, Ersatzschlauch und Flickzeug, Kabelbinder, Luftpumpe, Sonnencreme, Pflaster und für alle Fälle eine Landkarte.

bike-crossing-schwarzwald.info

#heimat Schwarzwald Ausgabe 25 (2/2021)

Ob Hüftgold vom Titisee, blütenschnuppern im Renchtal oder hobbygärtnern auf Balkonien - Wir haben richtig Bock auf Frühling!

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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