Start in Pforzheim
Vor vier Tagen sind wir in Pforzheim los. Unser Ziel: Bad Säckingen an der Schweizer Grenze. Die ersten drei Tage hat uns das sprunghafte Wetter zermürbt. Erst seit Tennenbronn zeigt sich die Sonne. Jetzt ist der Himmel klar, passend zur Königsetappe auf den höchsten Berg des mittleren Schwarzwalds. Unser Plan: Einmal mit dem Bike von Nord nach Süd durch den Schwarzwald. Sieben Etappen, 440 Kilometer. Schlafsack, Isomatte und was man für ein paar Nächte draußen braucht, haben wir in den Bikepackingtaschen. Wir werden nicht nur in lauschigen Schutzhütten oder auf Bergwiesen, sondern auch in Pensionen schlafen – je nach Lust und Laune. Mehr als 16 000 Höhenmeter werden am Ende auf dem Tacho stehen, ein paar Abstecher mitgezählt, das ist mehr als bei so manchem Alpen-Cross. Eine Ochsentour, aber eine durch die schönsten Täler und über die höchsten Gipfel. Urwüchsige Tannen, geheimnisvolle Karseen, Berggasthäuser und Schwarzwaldhäuser säumen den Weg. Die komplette Strecke ist ausgeschildert. An jeder Abzweigung weist ein kleines gelbes Schild mit dem Schriftzug „X-ing“ den Weg, darauf ein Mountainbike-Piktogramm und ein Bollenhut mit blauen Bollen.
Schon kurz hinter Pforzheim – nach den ersten Metern auf Waldboden – wanderte die Kette bedrohlich schnell nach links. Und da bleibt sie auch die meiste Zeit. Spätestens am zweiten Tag, als wir Abends um halb neun müde ins warme Bett einer Pension fallen, ist klar, dass der Schwarzwald-Cross vor allem ein heftiges Kraft- und Konditionstraining ist. Steigung, Abfahrt, Steigung, rauf, runter, rauf, runter. Die Planer haben dafür häufig Forstwege gewählt, manchmal Asphalt, das Vergnügen auf einem Single-Trail kommt aber auch nicht zu kurz.
Fahre lieber ungewöhnlich
Auf den breiten Wegen lässt sich gut Strecke machen. Atemberaubende Abfahrten und knackige Anstiege wechseln sich ab, dazu grandiose Aussichten. Und wer noch mehr Abwechslung auf schmalen Pfaden sucht, macht’s am besten so wie Jean aus dem Elsass, ein Mountainbiker, den wir im Bergrestaurant auf dem Kandel kennen lernen. „Man muss sich ja nicht wie ein Sklave an die Schilder halten.“ Mit einer guten Wanderkarte sei es kein Problem, die Bike-Crossing-Strecke etwas aufzupeppen, weiß der Elsässer. Auch wenn’s nicht ganz legal ist: In Baden-Württemberg wurde die berühmtberüchtigte „Zwei-Meter-Regel“ erfunden, die Radfahren auf Wegen unter zwei Metern Breite untersagt, egal ob sich Biker und Füßgänger in die Quere kommen oder mit ein bisschen gegenseitiger Rücksichtnahme nicht schon viel gewonnen wäre. Allerdings kontrolliert auch keiner, ob die Regel eingehalten wird.
Es ist holprig. Wir sind dreckig. Arme und Beine sind zerkratzt. Und es macht jeden Tag mehr Laune. Vom Kandelgipfel führt ein schöner Wurzeltrail Richtung Plattenhof. Ab da entscheiden wir uns für die Alternativroute hinunter ins Dreisamtal über die Kapfenkapelle mit ihrem gigantischen Fernblick zum Feldberg und die Wolfsteige. Bloß: Ehe wir am Abend in Hinterzarten ins Bett oder auf die Isomatte fallen, müssen wir wieder hoch, wo die nächste heftige Rampe wartet. Am Nessellachen biegen wir auf einen abwechslungsreichen Singletrail ab, den verblockten Querweg Freiburg-Bodensee. Um diese Uhrzeit sind fast keine Wanderer mehr unterwegs. Und überhaupt: Anhalten, Platz machen und ein nettes „Hallo“ entschärft fast jeden Ärger schon im Keim.
Kontrastreich ist im Schwarzwald nicht nur die Topographie, sondern auch das Wetter: Am Abend der ersten Etappe im Nordschwarzwald hatten wir gut zu tun, all die durchnässten Klamotten wieder trocken zu bekommen. Von Kopf bis Fuß mit Schlamm bespritzt hatten wir Enzklösterle erreicht, wo wir erst mit dem Wasserschlauch die Räder freilegten, ehe uns der Löwenwirt mit einem gigantischen Kalbsrahmschnitzel den Abend rettete. Und auch am zweiten Tag sah die Welt im dichten Fichtenwald im Norden ganz anders aus als später im strahlenden Südschwarzwald – Nieselregen. Nebelschwaden. Gigantische Pfützen.