Bis der Knopf spannt

Das Hotel Bareiss ist vor allem für das Drei-Sterne-Restaurant von Claus-Peter Lumpp bekannt. Aber wie speist es sich eigentlich in den Dorfstuben?

Text: Daniel Oliver Bachmann

Unterhält man sich mit Einheimischen in Baiersbronn – wo gutes Essen zum Leben einfach dazu gehört – vernimmt man inzwischen auch Klagen. Denn selbst hier hat eine ganze Reihe traditionsreicher Lokale geschlossen. Bald könne man nirgends mehr hin, heißt es – doch halt: Ist das nicht einfach Teil der Folklore? Denn so ernst ist es längst noch nicht in Deutschlands Gourmetgemeinde! Die trumpft nämlich mit acht Michelin-Sternen auf und bietet hohes Niveau auch in den Preisklassen drunter. Das ist einer der Vorteile: Selbst der Wurststand um die Ecke muss sich ein bisschen mehr anstrengen.

Die guten Stuben

Zum Wurststand zieht es uns nicht, sondern in die Dorfstuben im Hotel Bareiss. Mit dem Bareiss verbinden wir natürlich den Namen von Starkoch Claus-Peter Lumpp, den es über Stationen bei Heinz Winkler im Tantris, Eckart Witzigmann im Aubergine, Horst Petermann in Zürich und Alain Ducasse in Monte Carlo nach Baiersbronn verschlug. Inzwischen ist er selbst eine Institution: Seit 16 Jahren in Folge freut er sich über drei Michelin- Sterne. Sehr gut lässt es sich aber auch in der mittleren Preiskategorie speisen, in den beiden zusammengehördenden Dorfstuben nämlich: Sowohl in der Förster- Jakob-Stube wie in der Uhrenstube stehen Schwarzwälder Spezialitäten auf der Karte. Wir nehmen in der Uhrenstube Platz. Die Einrichtung ist gediegen und gemütlich, jedoch nicht überladen. Klar, dass ich erst einmal die schönen handbemalten Wanduhren genauer studiere. Dann widmen wir uns der Speisekarte, die ebenfalls in der Form einer Uhr daherkommt. Hier lockt uns die braisierte Schulter mit Bohnenragout und Perlgraupen. Doch empfiehlt nicht der Falstaff Gasthaus-Guide vehement die Buhlbach-Forelle? Richtig, auch die Dorfstuben haben eine Latte an Auszeichnungen vorzuweisen: Der Guide Michelin vergab 2022 ein rotes Besteck sowie den Bib Gourmand für bestes Preis-Leistungs-Verhältnis, im Gault Millau stehen zwei Hauben und zwei rote Bestecke, im Varta-Führer… Ach, widmen wir uns lieber dem göttlichen Bauernbrot mit Griebenschmalz, das vom Service an den Tisch gebracht wird.

Lecker ohne Schnickschnack

Der bekommt vorab das erste Lob: Bei Ingrid Jedlitschka und ihrem Team fühlen wir uns bestens aufgehoben. Wir entscheiden uns für die Forelle vom Forellenhof Buhlbach, der ebenfalls zum Bareiss gehört, und für eine Bauernente mit Knollensellerie und Serviettenknödel. Da Dorfstuben immer Vesperstuben waren, finden die Gäste auch Wurstsalat und Schwarzwälder Schinken auf der Karte. Uns ist es jedoch nach Tatar von gebeiztem Saibling sowie einem Carpaccio vom Milchkalbsfilet. Beide Vorspeisen munden vorzüglich und legen den Verdacht nahe, dass es zwischen der Dorfstuben-Küche und dem Reich von Claus-Peter Lumpp eine Verbindung geben muss. Zweifelsohne versteht Küchendirektor Oliver Ruthardt sein Handwerk, was nicht weiter wundert, schließlich ist er als Ausbilder der Bareiss-Köche ebenfalls ein Urgestein im Haus. Das merken wir auch beim Hauptgang: Die Forelle blau landet perfekt und ohne Schnickschnack auf dem Teller. Die Kartöffelchen haben Biss, die Beurre Blanc ist delikat. Ich widme mich der Bauernente, die knusprig aus dem Ofen kam, dort aber etwas zu lange verweilte. Ein Gedicht sind die geschmälzten Serviettenknödel. Dazu trinken wir mit Neuweirer Riesling und Grauburgunder vom Weingut Landerer badische Weißweine. Auch Württemberg ist auf der Weinkarte gut vertreten. Gut gesättigt widme ich mich der Dessertkarte, und da wird es für mich schwäbisch: Apfelküchle mit Vanillesauce und Rahmeis – das habe ich schon lange nicht mehr probiert! Sie schmecken wie eine wunderbare Erinnerung an die Kindheit. Neben mir ist es ruhig geworden, was beim Essen immer ein gutes Zeichen ist: Das Mandelkrokantmousse mit marinierten Erdbeeren und Holunderblüte lässt nur ein „Hm, sehr lecker!“ zu. Eigentlich sollten wir uns nach dem ausgiebigen Mahl einen Digestif gönnen, stünde nicht das Auto im Hof. „Das sollte künftig kein Problem sein“, so der hilfsbereite Service. „Für unsere Gäste bieten wir einen Fahrdienst.“ Der, so geht das Gerücht, auch schon mal in die französische Hauptstadt fährt, um einen hungrigen Pariser ins Bareiss zu bringen. Wir begnügen uns mit einem Spaziergang durch die weitläufige Gartenlandschaft des Luxushotels mit Felsenwasserfall, Sonnendeck und Gymnastikwiese. Die lassen wir allerdings links liegen, denn dafür spannt der Hosenknopf zu sehr.

Hotel Bareiss

www.bareiss.com

Telefon: 07442/470

Anfahrt: Hermine-Bareiss-Weg 1, 72270 Baiersbronn

Geöffnet: Mo–Do 12–14.30 Uhr & 18–23 Uhr, Fr–So 12–23 Uhr.

4,3 von 5 Zapfen für das Hotel Bareiss

Wie es unserem Restauranttester Daniel Oliver Bachmann im Hotel Bareiss geschmeckt hat? So sieht seine Bewertung im Detail aus:

Geschmack

Wie hat das Essen geschmeckt?

Preiswürdigkeit

Wie ist das Preis-Leistungs-Verhältnis?

Speisekarte

Wie ist die Auswahl der Speisen?

Getränkekarte

Wie ist die Auswahl der Getränke?

Innovationsgrad

Gab es Neues oder Überraschendes?

Ökologie

Wie viel Wert wird auf Nachhaltigkeit gelegt?

Besonderheit

Wie einzigartig ist das Essen und/oder die Location?

Ambiente & Aufenthaltsqualität

Sitzkomfort, Stimmung, Licht, Dekoration, Sauberkeit, Toiletten?

Service

Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft?

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