Gravelbiken: Die große Freiheit

Mehr Freiheit geht kaum auf dem Rad! Darum ist Gravelbiken auch längst Trend im Schwarzwald – der im Übrigen wie dafür geschaffen ist…

Dieser Aufstieg wird noch mal etwas steiler. Die Waden beginnen zu brennen und er wechselt in den Stand, um das Tempo zu halten. Unser Fahrer klettert hier bei Bühl der nächsten Bergwertung entgegen. So würde das jetzt bei der Tour de France heißen. Da ist er aber nicht. Stattdessen holpert er über einen Waldweg, über die hundertste Wurzel und den tausendsten Stein. Vielleicht findet er ja für die Abfahrt wieder eine asphaltierte Straße, vielleicht nimmt er den nächsten Waldweg. Das wird sich noch zeigen. Im Schwarzwald heißt Radfahren Freiheit!

Vom Crossrad zum Gravelbike

Um diese Freiheit zu spüren, machen sich immer mehr Radler mit Gravelbikes auf, alle Ecken des Schwarzwalds zu erkunden. Feldweg, Waldweg, Stadt – das alles läuft auf dem Gravelbike wie mit frisch geölter Kette. Dazu muss man wissen: Der trendige Fahrradtyp ist so etwas wie ein mit Schenkelgas betriebener SUV auf zwei Rädern – viel Komfort, viel Leistung, und irgendwie sieht man immer mehr davon, sogar in der Stadt. „Es ist eben der geländetaugliche Bruder des Rennrads“, sagt einer, der in der runden Welt des Fahrradfahrens zu Hause ist wie sonst nur wenige: Sascha Hotz von der Schwarzwald Tourismus GmbH. Er ist selbst leidenschaftlicher Fahrradfahrer, beschäftigt sich bei seiner Arbeit mit den Vorlieben der Bikerkollegen – etwa wenn es wieder einmal um die Ausschilderung einer Strecke geht – und weiß daher bestens Bescheid, was der Schwarzwald für Biker so alles zu bieten hat.

Das mit Stollen an den Reifen ausgestattete Crossrad, mit dem man früher Rennen gefahren ist, sei zuerst immer mehr dem Mountainbike gewichen, habe jetzt im Gravelbike aber eine sinnvolle Weiterentwicklung erfahren, erklärt er. Es setzt auf dickere Reifen, aufrechteres Sitzen, Scheibenbremsen, ansonsten aber überwiegend auf das Bauprinzip des Rennrads.

Perfekt für den Schwarzwald

„Während uns Mountainbiker die bekannte Zwei-Meter-Regel teils einschränkt, ist der Schwarzwald voller Strecken fürs Graveln“, sagt Hotz. Rauf und runter geht es auf all den vielen, oftmals gut ausgebauten Wegen des Schwarzwalds. Der Blick bleibt frei für die Schönheit der Natur, wie zum Beispiel hier im Bild oben, wo die Landschaft bei Bühl so weit ist und eine fantastische Aussicht bietet.

Neulich auf der Rennstrecke

Erst kürzlich war Sascha Hotz mal wieder unterwegs. Eine Strecke erkunden, von Freiburg aus Richtung Schauinsland. Dabei teilte er sich die asphaltierten Straßen mit vielen Rennradfahrern. 15 bis 20 Prozent der Fahrer, so schätzt er, seien aber mit dem Gravelbike unterwegs gewesen. Auch mehr Frauen und Pärchen fallen ihm auf, im Gegensatz zu früher in den klassischen Männergruppen auf Rennrädern und Mountainbikes. Vor allem beim Aufstieg sehe man den Gravellern ihre Freude deutlich an: „Ein Drittel weniger Gewicht macht beim Fahrrad einen Unterschied. Du erkennst die Graveller schon von Weitem am Lächeln im Gesicht.“

Fast wie das 9-Euro-Ticket

Das Fahren auf allen Belägen und rund um die Seen und Karseen im Schwarzwald, rauf auf die Hornisgrinde und runter von den Vulkanhügeln des Kaiserstuhls – das bringt auch ein Gefühl von Freiheit und Flexibilität mit. „So ein bisschen ist das wie das 9-Euro-Ticket des Fahrradfahrens“, meint Hotz. „Du sitzt einfach auf und radelst los. Nur wenn du willst, planst du die Tour vor. Du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen, wo asphaltiert ist und wo nicht. Du fährst einfach immer weiter, und das fühlt sich so geil nach Schwarzwald an!“

 

Touren im Schwarzwald

Von den Mountainbikestrecken mit technisch anspruchsvollen Trails mal abgesehen, sind mit dem Gravelbike grundsätzlich alle Fahrradtouren möglich. Ein paar besonders gute Routen aber sollte man kennen.

Schwarzwald-Radweg

Ja, der Schwarzwaldverein kann auch Radwege. Und das zeigt er mit diesem Fernradweg von 375 Kilometern Länge und 7000 Höhenmetern mit Startpunkt am Südausgang des Hauptbahnhofs in Karlsruhe und Ziel am Hauptbahnhof in Lörrach. Das Praktische an der Strecke ist: Die sechs Tagesetappen sind hier schon vorgegeben. Der Weg ist in beide Richtungen ausgeschildert.

Ettlinger MTB-Runde

Mit dreieinhalb Stunden Fahrt auch für Anfänger perfekt geeignet, ist die mittlere Ausführung der Ettlinger MTB-Runde. Gut 30 Kilometer und knapp 600 Höhenmeter umfasst sie. Highlights der Strecke sind der höchste Punkt der Stadt Ettlingen an der Carl-Schöpf-Hütte und die Aussicht vom Bismarckturm.

Achertäler Berg-&Tal-Tour

Richtig, die haben wir schon mal für Euch gemacht. Unser Fazit damals: Die Tour ist was für Genießer! Und: Schweißtreibend bleibt sie dabei selbst dann noch, wenn man Motorunterstützung hat … Die Belohnung dafür ist einem aber genauso sicher: grandiose Ausblicke, wildwüchsige Waldwege im Nationalpark, beste Einkehrmöglichkeiten und ein gutes Stück Achertal-Kenntnisse. Wer mit dem E-Bike fährt, nimmt am besten sein Ladegerät mit, um beim Biertrinken auch sein Bike aufzutanken. Denn hier kommen auf 52 Kilometer 1500 Höhenmeter! Wer gegen den Uhrzeigersinn startet, hat als zusätzliche Abfahrtsmöglichkeit die gebauten Sasbachwaldener Trails vor sich.

Bike-Crossing

Eine echte Kultstrecke im Schwarzwald, zumindest unter Fahrern mit einem gewissen sportlichen Anspruch. Denn egal, wie motiviert Ihr auf den ersten Metern in die Pedale tretet – zwischen Pforzheim und Bad Säckingen liegen nun mal 440 Kilometer –und 16 000 Höhenmeter! Freie Landschaft, den Blick über die Täler und auch mal ein entspanntes Treten auf der sonnigen Höhe – die Bike-Crossing hat das alles. Bei Schönwald gibt es eine Abzweigung: entweder über Simonswald, St. Peter und Kirchzarten oder Richtung Osten über Furtwangen und Donaueschingen. Ein bisschen Puste braucht’s für beide. Tipp: die Tagesetappen gut wählen!

Baiersbronner Karseen-Tour

Auch hier macht Ihr mit einem Bike mit Akku nichts verkehrt. Neuneinhalb Stunden dauert die Tour mit Anstiegen und Abfahrten vorbei an vier Karseen insgesamt. 82 Kilometer, und 1700 Höhenmeter tolle Aussicht inklusive. Durch das Sankenbachtal geht es hinauf zum Ellbachseeblick und weiter entlang der Schwarzwaldhochstraße zu Schliffkopf und Ruhestein im Nationalpark Schwarzwald.

Gravel Rallye Series

Ihr zweiter Teil startet am 15. und 16. Oktober, der erste fand bereits im Juli statt. Im Juli ging es durch den Hochschwarzwald, jetzt im Oktober wird die Rheinebene zur großen Radstrecke. Dabei stehen drei Touren zur Auswahl: Von Eichstetten am Kaiserstuhl aus sind sie einmal 65, einmal 85 und im Long Ride sogar 160 Kilometer lang (Höhenmeter: 1300 / 1400 / 1700). Das Gravelbiken wird hier zum Event: Am Samstag vor dem Start gibt es viel Unterhaltung, BBQ und Probefahrten auf den Bikes von Sponsor Cannondale und am Sonntag noch mal Verpflegung und die eigentliche Rallye.

Gipfeltrail Hochschwarzwald

140 Kilometer, fast 4000 Höhenmeter, 10 Prozent Singletrails und dazwischen immer mal eine Hütte oder ein Berggasthof und die beiden großen Hochschwarzwälder Seen: Titisee und Schluchsee. Der Gipfeltrail Hochschwarzwald hat somit für wirklich jeden Fahrertyp was zu bieten. Zumal der Schwierigkeitsgrad gut anzupassen ist: Von der Einbis zur Viertagestour ist hier alles möglich. Sinnvolle Tagesetappen werden Euch im Internet vorgeschlagen. Nach oben zum Gipfeltrail gibt’s von St. Märgen aus zwei Zubringerstrecken: einmal über Breitnau / Hinterzarten und einmal über Waldau / Neustadt. Übrigens: Wer die Strecke an einem Tag machen will, sollte früh aufstehen und etwas Zeit mitbringen. 17,5 Stunden sind einzuplanen. Und wem das zu viel wird, der kann mit dem handlichen Gravelbike immer noch auf dem Asphalt zum nächsten Bahnhof rollen …

 

 Mehr Tourenvorschläge gibt’s unter www.touren-schwarzwald.info

#heimat Schwarzwald Ausgabe 34 (5/2022)

Die neue #heimat ist da! Wisst Ihr eigentlich, wo es im Schwarzwald das beste Frühstück gibt? In der neuen #heimat haben wir für Euch die besten Breakfast-Locations zusammengestellt – von einer Bergstation mit fantastischer Aussicht über ein Hotel mit XXL-Frühstücksbuffet bis hin zu einem glutenfreien Café. Dazu nehmen wir Euch mit auf eine Gravelbike-Tour, stellen Euch Deutschlands Räucherpapst vor, gehen übersinnlichen Phänomenen nach – und natürlich noch vieles mehr!

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