Für immer 25: Die Mofarocker von Löffingen

Beim Mofaclub Bittäbach Latschis freut man sich, wenn die Tachonadel an der 25 kratzt und der Nacktkalender sich gut verkauft. Da mussten wir hin

Text: Pascal Cames Fotos: Jan Reiff

Der Sound ist dünn, aber laut. Ein junger Typ, Jeans, silberner Helm mit Stern drauf, knattert mit seiner grünen Hercules langsam auf den Hof. Dann kommt noch einer auf einer roten Maschine angepest. Grauer Qualm. Stoßweise. Er würgt das Mofa ab und dreht den Benzinhahn zu. „Muss man machen“, erklärt er, „sonst säuft das Gerät ab.“ Dann wird’s echt laut. Randy?  Ja! Seine Puch schaut fast aus wie ein kleines Motorrad – und ist brutal. Bestimmt ist der Auspuff original, oder? Nach zehn Minuten stehen fünf Mofas auf dem Hof. Jedes Gerät schaut etwas anders aus. Typisch sind die knalligen Farben, die man heute so nicht mehr sieht und die Ketten wie beim Rad. Jeder der fünf Jungs trägt Jeansjacke mit Aufnähern von The Who oder AC/DC. Was macht ihr so? „Ha ja, Rockmusik hören.“ Dann bimmelt ein Handy. „Servus!“ Aus der Traum. Wir sind eben doch nicht in den 80er-Jahren („Hallo McFly, jemand zu Hause?“), sondern in 2021. Unsere Mofarocker Bittäbach Latschis aus Löffingen könnten also auch Rennrad, E-Bike oder E-Roller fahren. Aber Randy & Co. sind halt alte Schule und fahren diese Geräte, wo man aufrecht sitzt, die man manchmal anschieben muss und mit 1:50er-Mischung betankt. Und das für 25 km/h Spitze. Kein Witz.

Hauptsache cool

Vor 30, 40 Jahren waren Hercules, Kreidler, Rixe schwer angesagt. Zu langsam? Nein, mit 15 konnte man endlich motorisiert zur Schule schrammeln. Das Rad kam auf den Schrott. Von heute auf morgen hie  es morgens: Benzinhahn auf, Kickstarter, Gas geben und ab geht die Lutzi. Herrlich! Der Fuchsschwanz flog im Wind, die Vokuhila-Frisur saß dank Gel oder Haarfestiger wie eine Eins. Und sogar als die Helmpflicht kam, war das Fahrgefühl super. Nach einem Jahr war die Sache ausgelutscht wie ein alter Schnuller. Denn mit 16 kam das Moped. 80 Sachen schnell! Dann das Auto … Aber wie überall gibt es auch bei Mofas eine Retrowelle. Wann hat sie angefangen? Wo hat sie angefangen? Oder kommt sie erst? Beim Mofa handelt es sich noch um eine Mini-Welle, denn das große Comeback ist nicht abzusehen. Ganz vergessen sind die kleinen Zweiräder aber auch nicht. In Löffingen zum Beispiel. Einem Dorf, das grad noch so zum Hochschwarzwald gehört. Das Land hier ist flach bis hügelig, die Landstraßen nach Neustadt oder Donaueschingen wie vom Lineal gezogen, der Himmel so weit wie vielleicht irgendwo in Sibirien. „Hier ist Schwarzwald. Das halbe Jahre Winter, das halbe Jahr kalt“, sagt Randy und grinst. In Robins Werkstatt Gleich nebenan wohnt Robin, dem auch die Schrauberwerkstatt hier gehört. Der Hof schaut aus als wäre hier Löffingens Brennholzzentrale. Wichtiger ist aber die geräumige Werkstatt mit Hebebühne, Werkbänken, Werkzeug, Spraydosen sowie Emailleplaketten, Nummern schildern und Kalenderblättern an den Wänden. „Mittlerweile hat jeder von uns eine Werkstatt zum Schrauben“, berichtet Robin. Seine Kumpels kommen, weil’s so zentral liegt. Außerdem gibt’s hier Flaschenbier.

 

Die Bittäbach Latschis sind weder Verein noch Gang. Der Name kommt vom Bittenbach. Latschis ist der Dialektbegriff für Tollpatsch oder Chaot. Sprich, man nimmt sich gar nicht ernst, freut sich aber über gute Rückmeldungen. Auch PS-starke Motorradfahrer heben den Daumen, wenn die Mofarocker „immer wieder sonntags“ auf den Nebenstraßen des Hochschwarzwalds irgendwohin pesen. Simon, Nico, Felix und die anderen sind indes keine bösen Buben, sondern nette Kerle von hier, die auf dem Bau oder im Kieswerk schuften. Der eine oder andere trägt noch Arbeitsschuhe oder hat einen Zollstock in der Seitentasche stecken. Ihre gemeinsame Geschichte beginnt vor etwas mehr als zwei Jahren. In der Gegend war ein Oldtimertreff und fast alle tuckerten mit dem eigenen Bulldog an. Ein paar der Kumpels kamen mit dem Mofa angeknattert, denn nicht jeder hat ja einen Traktor. Die Mofas waren irgendwie cooler und so legten sich die anderen Latschis auch eins zu, oder zwei. „Du hast zwei Optionen“, verrät Randy, „Entweder du kaufst dir eins, was tipptopp ist, oder du reparierst dir eins.“

Chaoten mit Herz

Da dank Corona seit über einem Jahr wenig Abwechslung geboten ist, lassen sich die Mofarocker etwas einfallen. Vergangenes Jahr haben sie einen Mofakalender gemacht, mit viel nackter Haut und witzigen Situationen. Der Erlös (immerhin 1500 Euro) ging an ein Behindertenheim in der Nähe. Dann haben sie noch einen Pool gebaut und ein Floß. Innerhalb von drei Stunden war alles gemacht. „Wir haben ja alles da (gemeint sind Werkzeug und Materialien) und wir können auch alles machen.“ So ruckzuck wird’s dann erledigt und schon gibt es wieder einen Grund zum Feiern.

Laute Entschleunigung

Ruckzuck geht aber nicht immer. Vergangenen Sommer machten sie eine etwas längere Ausfahrt in den Westerwald, um sich Morlock Motors von Michael Manousakis anzuschauen, bekannt durch die DMAX-Reihe „Steel Buddies“. Für die knapp 1200 Kilometer on the road ging eine Woche Urlaub drauf, bei Morlock Motors waren sie dann anderthalb Stunden. Asbach-Aufnäher auf der Jeansjacke (Rüdesheim lag auf der Strecke) zeugen von dieser unvergessenen Reise. „Mofafahren entschleunigt den Alltag“, sagt Randy zweimal, so klar und deutlich, als wäre es eine Weisheit von Konfuzius. Aber dass es auch anders geht, ä bissl schneller, ist klar. Niklas erzählt, dass er zur Arbeit immer das Auto nimmt – und nie das Mofa. Der schaffige Robin muss fix noch zu einem Kollegen und surrt mit dem Gabelstapler vom Hof, eventuell ist der auch schneller als seine Hercules. Und Randy der Entschleuniger sitzt privat auf einer BMW mit satten 220 PS. Auch Robins Vater fährt BMW. Sein etwas launiges Statement zu den Mofas: „Wo das angefangen hat, dachte ich, die sind nicht ganz sauber. Das ist doch seit 40 Jahren vorbei.“ Vielleicht müsste er es einfach mal ausprobieren? Auf den Sattel, Kickstart, Gas geben, losfahren. Aber nicht alleine. Ein Mofa klingt dürr, aber zwölf sind eine Symphonie. Meine Herren, sehr cool!

Mofas

Seit 1965 gibt es in Deutschland Motorfahrräder, kurz Mofa. Da man sie bei uns ohne Führerschein fahren durfte, wurden sie schnell sehr beliebt. 25 Hersteller hatten in der Hochphase 140 Modelle am Start. Zu den beliebtesten Marken gehörten Zündapp, Kreidler, Hercules. Die Einführung des Mofa-Führerscheins und der Helmpflicht in den 1980er-Jahren brachten den Niedergang – aber hier und da gibt es eben doch noch echte Mofa-Freunde …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 26 (3/2021)

Nackte Mofarocker und lauter süße Früchtchen: In der neuen Ausgabe von #heimat Schwarzwald gibt es wieder einiges zu gucken. Der Schwarzwald hat eben mehr zu bieten als Bollenhut und Bibeleskäs… aber das wisst ihr ja! Dennoch: die neue Ausgabe ist wirklich ’was Besonderes!

 

Mehr über die Mofarocker und ihr Männer-Yoga in der neuen Ausgabe von #heimat Schwarzwald. Ab dem 6. Mai wieder überall am Kiosk – oder als Abo bei uns im Shop.

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