Ein Wochenende im Renchtal

Essen, trinken, wandern – und alles im Zeichen des Genusses. Unser Autor begibt sich für ein Wochenende ins Renchtal

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Oberkirch ist ein Städtchen mit Mühlbach, Gassen, Fachwerkhäusern und einem Stück Berliner Mauer vorm Oberkircher Rathaus. Oberkirch hat auch eine prächtige Burg. Da sollte man zum Sundowner hin!

Freitag: 14 Uhr

Um mich zu akklimatisieren, steuere ich aber erstmal das Café Steffens Feines an. Die Chefin Dorothea Steffen kennt quasi jeder. Die Konditormeisterin war zehn Jahre ein Aktivposten der SWR-Sendung Kaffee oder Tee. So beginnt mein Wochenende im vorderen Renchtal würdig mit Kirschwasser in Sahne – oder anders gesagt: mit einer Schwarzwälder Kirschtorte. Die Konditorin singt dazu das Hohelied von regional und saisonal, denn die Kirschen sind halt jetzt reif, später kommen dann die Zwetschgen. Kirschplotzer, sagt sie noch. Den Nachtisch (wenn schon, denn schon) hole ich mir bei der härtesten Konkurrenz, gegenüber im Café Gmeiner.

So gestärkt, tummle ich mich zum Weinhaus Julius Renner, wo der Chef des Hauses Martin Renner gerade im Landrover bei Standgas auf seine Gäste wartet. Ein Vorfahr des Önologen und Weinhausbesitzers übernahm anno 1666 von einem gewissen Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen Amt und Wirtschaft Silberner Stern. Darum ziert seine Flaschen ein ebensolcher. Martin Renner hat den wohl bestsortierten Laden mit Wein, Edelbränden, Likören sowie Gin und Whisky im Tal. Eigenen Wein (Springinsfeld u. a.) hat er auch noch, dazu viele Ideen. Eine dieser Ideen ist die Ausfahrt in den Weinberg. Am liebsten würde ich mich in Renners Landrover setzen und mit ihm am Originalschauplatz zwei, drei Weine probieren, dazu ä bissle was schnabulieren und etwas über Terroir und Rebschnitt erfahren. Danach würde ich mich an der Schauenburg zum Sundowner absetzen lassen. Dort hätte ich dann einen Schwips, aber nicht vom Wein, sondern von der Aussicht. Aber ich habe einen „Termin“. Die Burg ruft zwar, aber nicht gleich. Später.

Freitag: 16 Uhr

Mein nächstes Ziel ist das Puppenmuseum in einem uralten Fachwerkhaus. Wie so oft war das Thema dem Besitzer und Sammler Hans Zillgith nicht in die Wiege gelegt. Ihm flog eine Sammlung zu und dann wurde es mehr. Heute sind es ein paar Hundert Puppen (Käthe Kruse und andere) geworden, die auf zwei Stockwerken große Augen machen. Jetzt aber zur Burg!

Freitag: 18 Uhr

Eigentlich sollte ich weiter den Berg hinauf, aber ich biege ab in den Winzerhof. Weinprobe! Die charmante Monika Bähr empfiehlt mir für diesen sonnigen Abend einen Rosé, früher Weißherbst genannt und als Händelwein verschrien. Bei der als Winzerin des Jahres ausgezeichneten Monika Bähr schmeckt mir dieser Wein unglaublich gut. Ihr Rosé hat Aromen von Walderdbeeren und ist fein ausbalanciert. Warum jetzt noch zur Burg stiefeln? Mich zieht’s in den Silbernen Stern. Das Gebäude, die krumme Straße und das Schloss sind wie eine Zeitreise. Das Haus ist über 400 Jahre alt und stilecht eingerichtet. Die Wände sind holzvertäfelt, die Bilder alt. Ja, lebt der alte Grimmelshausen noch? Einfach im ersten Stock nachschauen. Auf dem Torbogen zwischen den Gasträumen steht folgender Spruch: „Wein ist mein Trost, er macht mir, dass kein Geld verrost“. Zu Flammkuchen und Schnitzel trink’ ich aber Bier. Alles ist ja gut so, da braucht’s keinen (Wein-)Trost.

Samstag: 10 Uhr

Auch wenn ich mich bei den Pflugwirts wunderbar aufgehoben fühle, zieht’s mich raus. Ich will eine Radtour machen. Auf dem Weg ins Städtchen hole ich mir beim Hasler Beck noch eine Seele („wie in Schwaben“) für unterwegs und stromere dann durch die Gassen und entdecke bei Frau Bruuns alles, was man braucht, um sich zu verschwarzwäldern, etwa Tassen, Vesperbrettle, T-Shirts oder Hoodies mit lustigen Sprüchen. Auf dem Bauernmarkt finde ich Äpfel und mehr. Jetzt kann’s losgehen!

Samstag: 12 Uhr

Auf meinem Genusstour genannten Radausflug rolle ich das vordere Renchtal auf und staune über die fast schon wilde Natur bei Nussbach und die tollen Kuchen beim Obsthof Wurth, der schon längst viel mehr ist als eine Spargel- oder Erdbeeradresse. Seit einiger Zeit wird hier im Haus gebacken. Bei der Feuerwehrtorte fange ich Feuer, das ich dann im Biergarten in Ulm mit einem Radler lösche. Wie’s der Zufall ist will, hockt ein Mann unter den Platanen, der als „Biersommelier“ erkennbar ist. Zumindest steht es so auf seiner Schildmütze. Wir kommen ins Gespräch. Thomas Kammerer ist Bierbrauer in der Brauerei Bauhöfer (früher Ulmer Bier) und erklärt mir anhand dreier Sorten (Helles unfiltriert, Maibock, Schwarzwaldmarie), was Stammwürze bedeutet, warum Hopfen gut ist und warum es den Maibock das ganze Jahr gibt. Wegen der Süffigkeit, sage ich. Zehn Punkte dafür. So ist’s. Dann schwärmt mir Thomas noch vom Doppel-Bier und Essen vor. Das ist das Stichwort, um nach Tiergarten zu rollen.

Samstag: 18 Uhr

Das Wunder von Tiergarten lautet so: Kommt ein tschechischer Koch über einen langen „Umweg“ über Mallorca nach Oberkirch und übernimmt eine bewährte Wirtschaft mit dem Namen Springbrunnen. Dort fängt er zu zaubern an, kocht die Rezepte der Oma, erfindet eigene Gerichte, verkünstelt sich an Tapas, backt Brot wie ein Weltmeister, und dann gewinnt er auch noch die TV-Show „Mein Lokal, dein Lokal“ mit voller Punktzahl. Seitdem brummt der Laden wie ein Bienenstock. Und der Chefkoch hat noch Pläne, wie er mir erzählt. Mein Absacker findet im Barrique statt, das immer noch eine Art Weinhandlung ist, aber auch ein verschwiegener Ort für ein Glas Wein. Die Malereien an der Wand sind über 150 Jahre alt und stammen von Artisten des Zirkus Knie, die damals in Oberkirch ihr Winterquartier aufschlugen.

Sonntag: 9 Uhr

Fantastisch gut gegessen, leckeren Rosé probiert, viele interessante Leute getroffen und sogar was gelernt. Eigentlich könnte ich jetzt in den Zug steigen und zum Abschied winken. Glücklich, ich war im Renchtal! Aber da fehlt etwas. Eine Wanderung natürlich! Mit dem Bähnle fahre ich den Katzensprung nach Lautenbach und folge dem roten Zeichen „Vesperweg“, auf dem auch noch eine Hexe auf ihrem Besen abgebildet ist. Ein Königreich für einen Hexenbesen! Die nächste Stunde geht’s stramm bergauf. Auf dem Weg liegen – zum Glück! – mehrere Schnapsbrunnen, die aber auch Bier und Wasser haben, Mischwald, die großartigsten Eichen, Hochweiden mit Pferden und das Hexenhäuschen (Foto), wo aber keine Hexe drinsitzt, sondern ein Wanderer beim Weißwein. (Er macht’s richtig!) Von da an geht’s abwärts und in einer großen Schlaufe auf die Wirtschaft Fiesemichel zu. Statt zur Schauenburg zu wandern, wähle ich den Weg runter nach Lautenbach über die mit Streuobst übersäten Hügel, dazu der Blick aufs Städtchen. Jetzt war ich wieder nicht auf der Burg. Ich muss wohl wiederkommen …

Unsere Tipps fürs Renchtal

Hotels

Pflugwirts (Haslacher Straße 48): Sympathisches Landhotel mit allem Komfort. Das Weinsüden Hotel ist ein Aktivposten beim hiesigen Wein.

Bahnhof (Eisenbahnstraße 4): Oberkirchs neuestes Hotel ist zum Hotspot für Frühstücker geworden. Auch stark in Sachen Burger.

Dollenberg (Dollenberg 3, Bad Peterstal-Griesbach): Preisgekrönte Küche, preisgekrönter Sommelier und eine ausgedehnte Wellnesslandschaft vom Feinsten. Mit Day Spa.

Sonnenhof (Hauptstraße 51, Lautenbach): Das Restaurant liebt Weine aus Bordeaux und bietet Fine Dining sowie Wellness. Mit Day Spa.

Waldhisli (Weintalstraße 28): Romantik pur im Baumhaus zwischen Wald und Reben. Herrlich!

 

Restaurants

Springbrunnen (Springstraße 11): Internationale und inspirierte Küche aus Baden, Tschechien und Mallorca. Heimische Weine. Gewinner von „Mein Lokal, Dein Lokal“.

Silberner Stern (Simplicissimusstraße 8): Gutbürgerliche Küche und Flammkuchen in einer der urigsten Stuben des Renchtals. Mit Biergarten!

Gaisbacher Hof (Gaisbach 1): Familiäres Wirtshaus und Landhotel mit viel Liebe zum Detail und einer herrlichen Gartenwirtschaft!

Bauhöfer’s Braustüb’l (Ullenburgstraße 16): In einem der schönsten Biergärten der Ortenau wird sich auch ein Münchner wie im Himmel fühlen. Rustikale Speisen, Brezel und frische Biere.

Lui e Lei (Kirchplatz 8): Schade, dass der Wirt nicht singt, denn dann wär’s perfekt. O sole mio! Italien, wie es leibt und lebt.

Tacheles (Hauptstraße 60): Muss auch mal sein: Vegetarische und vegane Snacks.

Kalikutt (Kalikutt 10): Auf dem Weg zum Ortenauer Hausberg Moos bietet sich hier ein Stopp an – mit und ohne Kirschtorte.

 

Café

Steffens Feines (Hauptstraße 55): Konditormeisterin Dorothea Steffen ist die Göttin der Torten und Törtchen.

Café Gmeiner (Hauptstraße 38): Die Urzelle einer der besten Confiserien Deutschlands lebt ihre Kernkompetenz Kaffee und Kuchen, dazu Torten und Macarons.

 

Wein

Monika Bähr (Gaisbach 29): Die preisgekrönte Winzerin macht nicht nur Rosé zum Niederknien.

Barrique (Kirchplatz 1A): Im mehrstöckigen Gewölbe lässt sich prima essen und auch die hiesige Weinkultur erkunden.

Weingut Börsig (Niederlehen 9): Weingut mit Strauße. Spezialität: Flammkuchen. Hier finden regelmäßig Konzerte statt!   

Oberkircher Winzer (Renchener Straße 42): Dank Kellermeister Martin Bäuerle eine der besten Winzergenossenschaften Deutschlands. Im Programm: After Work Party, Weinproben und Weinwanderungen. 

 

Einkaufen

Metzgerei Bohnert (Kirchplatz 4): In Jochen Bohnerts Genusswerkstatt  wird Schinken zur Delikatesse. Auch Mittagessen gibt’s hier.   

Metzgerei Müller (Hauptstraße 19): Seit 1893 geht’s um die Wurst. Und Fleisch, dank eigener Rinderherde. 

Weinhaus Renner (Bachanlage 2): In Sachen Weine, Brände, Liköre, Gin u. v. m. wird so gut wie alles geboten. Ganz großes Kino!  

Frau Bruuns (Bahnhofstraße 7A): Hier gibt es den Bollenhut auf T-Shirt und Hoodie und Eheringe, die aus Besteck gefertigt wurden. Achtung Upcycling!  

Elfen-Naht (Thomaslohgasse 10): Wer in Berlin Mode von Uashmama und andere Kleidung im skandinavischen Stil sucht und nicht findet, hat in Oberkirch Glück. 

Bäckerei Beiser (Hauptstraße 24): Weltmeisterweckle, Knusperstangen und Baguette schmecken nett.

Obsthof Wurth (Lindenplatz 16, Zusenhofen): Spargel, Erdbeeren, Kaffee und hausgemachte Kuchen sind gute Gründe für einen Stopp bei den Wurths.  

Obsthof Kammerer (Merkstraße 8, Renchen): Zur Schnapslounge gehört ein kleiner, aber feiner Hofladen. Spezialitäten sind Gin und Eierlikör. 

Höllberg Brennerei (Lohstraße 11): Brennerei, die sich auf Raritäten wie Wildkirsche spezialisiert hat, aber auch das Kirschwasser feiert. 

Ölmühle Walz (Appenweierer Str. 56): Mit Stempelpressen von 1919 werden hier so schonend wie möglich Saaten oder auch Traubenkerne gepresst. Kulinarisch sehr interessant ist z.B. das Leinöl. Mit großem Shop.

 

Museum

Puppenmuseum (Thomaslohgasse 8): Fürs Herz: Käthe-Kruse-Puppen, Teddys und andere. Nur mit Voranmeldung.

Grimmelshausen Museum (Hauptstraße 32): Stadtgeschichte und alles Wichtige über den Barockdichter Grimmelshausen​​​​​​​. 

Mariä Krönung (Hauptstraße 71, Lautenbach): Wallfahrtskirche mit seltenen Mosaikglasfenstern und Altar aus dem 16. Jh.

 

Freizeit

Schauenburg: Die Zähringerburg aus dem 11. Jh. ist heute ein Lieblingsplatz für Romantiker. Mit Sagenrundweg für Kinder. 

myvélo (Südring 10): Radladen und Radverleih für Vélo mit und ohne E-Motor.

Benny’s Ranch (Sendelbachstraße 16, Lautenbach): Kein Streichelzoo, aber mit echten Kamelen! Die Ranch liegt am Hexensteig.

Stadtgarten: Kühle Oase im Sommer mit Barfußpfad, Minigolf, Kiosk u. v. m.  

Freibad (Strandbadweg 5): Freibad für die ganze Familie, Sportbegeisterte und Turmspringer.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 39 (4/2023)

Rein in den Sommer – mit unserer Liegestuhl-Lektüre! Wir laden Euch diesmal zum Abtauchen ein, denn wir haben uns gefragt: Wo kühlt man sich im Schwarzwald ab, wenn die Sonne brennt? Zusammengetragen haben wir eine bunte Mischung aus altbekannten und geheimen Bade-Spots. Auch darüber hinaus ist Wasser voll unser Element! So sind wir zum Beispiel in Pforzheim auf der Black Forest Wave gesurft und waren tauchen im Rhein. Außerdem sind wir für ein Wochenende im schönen Renchtal gestrandet, haben mit Berlinale-Chef Dieter Kosslick eine Runde Promi-Gossip ausgetauscht und uns durch das blaue Gold von Enzklösterle probiert: Waldheidelbeeren

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