Ein Mann, ein Lauf

Lutz Lorberg ist von besonderem Kaliber. Er ist firm mit Leder und Hölzern, kann schießen und ist einer der letzten Büchsenmacher im Schwarzwald

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Gepflegte, aber robuste Lederschuhe, picobello Cordhosen, kariertes Hemd, Arbeitsschürze und immer noch schwarzes Haar. Lutz Lorberg, 53, könnte man glatt für einen Optiker halten. Er ist zwar etwas ganz anderes, aber um Präzision und Optik geht’s bei ihm auch. Das ist quasi das A und O in seinem Metier. Seit 20 Jahren baut und restauriert Lutz Gewehre, die einerseits schön sein sollen, andererseits aber präzise schießen sollen. Büchsenmacher wie ihn gab es früher viele – heute dagegen hat sein Beruf Seltenheitswert …

Gut Gesichert: Stahltüren, Gitter, Hunde

„Nur Jagdwaffen!“, versichert er und zeigt auf eine lange Reihe von Gewehren an der Werkbank. Die Feuerwaffen stammen aus Nachlässen und aufgelösten Sammlungen. Sprichwörtlich bringt er die Gewehre und ein paar Revolver wieder in Schuss oder baut Teile einer Waffe in eine neue Waffe ein. Jagdwaffen wie diese werden Büchsen genannt und wer Büchsen baut oder restauriert, ist ein Büchsenmacher. Logisch. „Ich wollte das schon immer werden“, sagt Lutz, der aus einem hessischen Gutshof stammt, wo Jagen seit jeher dazugehört. Seine Werkstatt liegt im Freiburger Vorort Zähringen. An der Straße stehen Neubauten, aber im Hinterhof ist alles wie vor 100 Jahren. Das alte Freiburg eben. Überschaubare Häuser mit Patina, unebener Boden und viel Freifläche, zum Beispiel für Autos. Am Ende des Hofs ist eine Stahltür, dahinter noch mal eine. Alle Fenster sind mit Gittern gesichert, ein paar Hunde hat es auch. Sicher ist sicher. Und hier feilt, raspelt und hämmert Lutz an der Werkbank. „Meine Lieblingsbeschäftigung“, sagt er und spannt ein klobiges Stück Nussholz in den Schraubstock. Seine kräftigen, mitdicken Adern überzogenen Hände sind der Beweis, dass hier ein echter Handwerker am Werk ist. Die grobe Form des Holzes lässt auf seine Bestimmung schließen. Das wird ein Schaft, also der Teil vom Gewehr, den der Schütze beim Schießen an die Schulter stemmt. Hinten Holz, vorne Metall, so ungefähr lässt sich ein Gewehr beschreiben. 

Lauftext 2

Gewehrbauen ist ein Handwerk mit vielen Arbeitsschritten. Nicht alles muss vom Büchsenmacher gemacht werden. So wird das System genannte Herzstück eines jeden Gewehrs entweder neu geliefert oder es werden alte Systeme verbaut, wenn sie noch in Schuss sind

Beide Stücke werden vom Büchsenmacher so miteinander verbunden, dass es so perfekt ausschaut, als wären die beiden Teile zusammengewachsen. Aber dem ist nicht so. „Da sitzt man lange dran“, erklärt Lutz. Das Metallteil eines Gewehrs kommt aus einer Fabrik. Genau genommen sind es zwei Teile, System und Lauf. Der Lauf wird als Rohlauf aus der Hammermaschine geliefert, wo das Rohr in Form geprügelt wurde. Lutz muss das Rohr innen und außen bearbeiten. Innen bedeutet, dass er mit einer Reibahle eine Art Wellenmuster auf die Innenwand kratzt. Dadurch bekommt die Kugel Drall und Rotation, was die Flugbahn stabilisiert. Eine Flinte dagegen hat einen glatten Lauf. Mit Absicht: Das Schrot soll streuen, denn Rebhühner, Fasane und Hasen sind ziemlich bewegliche Ziele.

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Die ausgefuchste Technik ist vergleichbar mit einem Uhrwerk. Der Großteil der Arbeit findet an der Werkbank statt, sie ist Lutz’ Lieblingsplatz

Innentechnik wie ein Uhrwerk

Die zweite Metallkomponente wird System genannt. Dieses System bekommt der Büchsenmacher schon fix und fertig. Es steckt voller filigraner Teile wie dem Schlagbolzen und der Schlagbolzenfeder, die wie ein Uhrwerk zusammenarbeiten. Ziel und Zweck des Systems ist es, die Patrone – das Geschoss – unter Hochdruck in den eigentlich zu engen Lauf zu pressen. Der Druck ist so enorm, dass das Geschoss dabei kleiner wird und damit in den Lauf passt. Einmal drin, darf das Geschoss dort nicht explodieren, sondern muss in einer perfekten Flugbahn ans Ziel kommen. Das wird später vom Beschussamt geprüft. Lutz arbeitet mit Metallen, Holz und Leder. Leder benützt er für den Gewehrgurt oder für ein Holster. Er greift sich einen verstauben Schaft, sprüht ein bisschen Öl darauf und poliert ihn. „Das wollen die Leute haben“, sagt er und zeigt auf die glänzende hellbraune Maserung, die an Wellen erinnert. Wie ein Geigenbauer auch, sucht er nach alten Hölzern, am liebstenBuche und Eiche, die trocken und ohne Risse, aber mit schöner Maserung sind. Ein „Superholz“ kostet zwischen 2500 und 3000 Euro. Gravuren kosten ein Heidengeld. Aber es geht auch anders. Ein Schaft aus Plastik tut’s auch und Gravuren helfen nicht beim Treffen. Eine Büchse aus der Waffenfabrik schaut weder originell noch hübsch aus, ist aber mit 4500 Euro preisgünstig. Auch ein Argument.

Exklusives Vergnügen

Lutz’ aktuelle Arbeit ist es, das historische System einer Büchse (Mauser 98) in einen neuen Schaft einzubauen. Er muss so lange daran arbeiten, bis das System „eingeschäftet“ ist und die Büchse weißfertig. Solche Begriffe besagen nur so viel, dass System und Schaft verbunden sind und dass die Waffe in Sachen Metall fertig ist. Dann kann das Beschussamt sie prüfen und jetzt erst kommen Gravur, Fischhaut und andere Feinarbeiten mehr. Der Mann an der Werkbank hat aber noch viele Aufgaben mehr, zum Beispiel Beratung. Für durchschnittlich große Menschen passt auch  meistens eine Büchse von der Stange. Wenn die Leute aber klein oder sehr groß sind oder ein Rechtshänder mit dem linken Auge besser sieht, wird es knifflig. Wie ein Schneider muss er dann Armlänge, Körpergröße, Handgröße ausmessen. Zur Beratung gehören auch Zielfernrohre. Mit Kimme und Korn trifft heute keiner mehr. Ein Gewehr aus seiner Werkstatt kann 9000 Euro kosten, aber auch 60 000 Euro und mehr. Aus manchen dieser edlen Feuerwaffen kommt nie ein Schuss. Sie werden von Sammlern gekauft und in einer Vitrine ausgestellt. Nur Lutz hatte dann das Vergnügen, denn die Büchse soll ja nicht nur perfekt aussehen, sondern auch perfekt in Schuss sein. Das Einschießen muss er auch können.

Büchsenmacher

Büchsenmacher gibt es in Europa seit der Erfindung des Schwarzpulvers Mitte des 14. Jh. Damals mussten sie Kanonen bauen, Munition herstellen und sogar als Kanoniere mit der Artillerie in den Krieg ziehen. Mit der Zeit fand eine Spezialisierung statt. Zu den heutigen Aufgaben gehören Neubau und Reparaturen sowie Verkauf von Waffen, aber nicht die Herstellung von Munition. Die Ausbildung dauert drei Jahre.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 24 (1/2021)

Bambi und der Schwarzwald, Viki und der Spielweg, die Burgen auf den Bergen: Wir beginnen das Jahr voller Vorfreude auf neue Abenteuer in unserer herrlichen Heimat.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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