Viktoria Fuchs: Ganz Wild auf Wald

Victoria Fuchs' Wild-Kochbuch ist etwas Besonderes. Für #heimat-Erfinder Ulf Tietge hat es sogar das Potenzial, die Welt ein bisschen zu verändern

Text: Ulf Tietge

Es gibt viele gute Kochbücher auf dieser Welt. Sie bereiten Freude, lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen und helfen, dass man auch in Lockdown-Zeiten seine Liebsten fein verwöhnen kann. Die wenigsten Bücher aber haben das Potenzial, einen Trend in Gang zu setzen. Oder eine Veränderung unseres Mindsets. Viki Fuchs aber hat genau das bei mir geschafft. Seien wir ehrlich: Was assoziieren wir mit Wild? Rehragout und Rotwein. Wildschweinkeule aus der Buttermilch-Beize mit Wacholder. Schmorgerichte rauf und runter. Vielleicht auch einen Rehrücken Baden-Baden zu einer wunderbar würzigen Jus. Alles toll. Aber alles schon mal da gewesen.

Leicht und Kreativ

Viki Fuchs aus dem Spielweg im Münstertal erweitert unseren kulinarischen Kosmos jetzt mit Rehtello Tonnato und weißem Fasanen-Ragout. Mit Wildschwein Dim Sum und gelbem Fasanen-Curry. Mit confi erter Wildenten-Keule in vietnamesischen Summer Rolls und Tataki vom Hirschfi let mit roh mariniertem Butternusskürbis oder Spaghetti Vongole mit Wildschwein-Pancetta aus eigener Jagd …

Natürlich können sich an Kreationen wie diesen die Geister scheiden. Traditionalisten finden vielleicht eher am Wildscheinschnitzel mit Gurkensalat oder geschmorter Rehkeule mit Gremolata Gefallen – aber auch diese Rezepte zeigen: Wild kann viel mehr als wir alle glauben. Und genau da setzt Viki an. „Ich möchte der Wildküche ein neues Gesicht geben“, schreibt sie im Vorwort. Ihr innerer Antrieb: zu beweisen, dass das Ganze auch leicht, modern und kreativ sein kann. Frische, Sü.e, Würze und die vielen Facetten anderer Länderküchen vertragen sich schließlich bestens mit heimischem Wild – und passen zum Lifestyle kritischer Genießer, die mit Massentierhaltung nichts am Hut haben wollen. Viki:  „Gerade in einer Zeit, in der sich Menschen mehr und mehr mit der Herkunft des Fleisches auseinandersetzen, möchte ich zeigen, wie spannend Wild ist.“ Ein Jahr hat es gedauert, das Wildkochbuch mit seinen 236 Seiten zu produzieren. Über Wochen lebte die Fotografin dafür, Vivi D’Angelo, im Münstertal und begleitete Viki Fuchs und ihre Familie in den Wald und in die Küche, ins Kühlhaus und zu den Pilzen. Auch wenn Wildgerichte im Spielweg eine lange Tradition haben – dass Viki als Nicht-Jägerin mal ein Wildkochbuch schreiben würde, war nicht vorhersehbar. „Ich habe Wild überhaupt nicht gern gekocht“, sagt Viki über die ersten Monate als Küchenchefin im Spielweg. Quasi über Nacht hat sie damals von Vater Karl-Josef übernommen. Heimat statt High Society: Das war gar nicht so ihrs. „Ich war völlig überfordert, weil plötzlich immer Jäger vor der Tür standen. Der eine brachte vier Hirsche, der nächste 100 Fasane – und was sollte ich damit anfangen?“ Inzwischen sind Vikis moderne Wildgerichte echte Renner. Allein drei Wildschweine werden im Spielweg jede Woche zu Dim Sum verarbeitet. Der Unterschied zu traditioneller Wildküche beginnt aber schon im Kühlhaus. Viki lässt Wild nur kurz abhängen. Rehe? Einen Tag. Mehr nicht. So kann man Rehkeule auch als Tatar genießen. „Im Grunde kann man Rehfleisch wie Kalb verarbeiten“, sagt Viki Fuchs. „Weg mit der Angst! Wild ist auch nur ein Stück Fleisch – also probier’ was aus und lass dich inspirieren!“

Der Spielweg

Seit 1861 bewirtschaftet Familie Fuchs den Spielweg in Münstertal. Ein traditionsreiches Hotel mit schönem Wellness-Angebot und sensationeller Küche. Das war schon bei Karl-Josef Fuchs so, dem Vater von Viki und Kristin. Als Jäger, Koch und Gründungsmitglied der Jeunes Restaurateurs war er über Jahrzehnte hinweg so etwas wie der Inbegriff von Schwarzwälder Gastlichkeit. Als Viki 2015 übernahm, trat sie nicht einfach in seine Fußstapfen – sondern entwickelte die hier zelebrierte Wildküche sensationell weiter. Kein Wunder, dass der Genuss-Award kuckuck 2019 hier landete …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 24 (1/2021)

Bambi und der Schwarzwald, Viki und der Spielweg, die Burgen auf den Bergen: Wir beginnen das Jahr voller Vorfreude auf neue Abenteuer in unserer herrlichen Heimat.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Menschen

Ein Mann, ein Lauf

Lutz Lorberg ist von besonderem Kaliber. Er ist firm mit Leder und Hölzern, kann schießen und ist einer der letzten Büchsenmacher im Schwarzwald
Menschen

Handgefertigte Ski aus Freiburg

In einer kleinen Werkstatt in der Freiburger Wiehre gibt's hochwertige Ski für Tiefschneebegeisterte – und jede Menge Koffein...
Menschen

Badens Brenner Teil 2: Beseelt und besessen

Sie bewahren alte Obstsorten, brennen mit Rebholz und denken groß. Badens Brenner sind in der Tradition daheim und offen für Neues
Kochschule

Saucen selber machen

Saucen sind die Königinnen eines jeden Gerichts
... Reportagen Viktoria Fuchs: Ganz Wild auf Wald