Ein Herz für Obst

Nach der Ernte landen viele Schwarzwälder Früchte genau hier: in der Brennerei Bimmerle. Doch der Familienbetrieb bietet mehr als nur Kirschwasser

Text: Stephan Fuhrer · Fotos: Michael Bode

Früher, da wussten die Mösbacher, was auf sie zurollt, sobald die ersten Kirschen an den Bäumen rot wurden. In Kolonnen tuckerten die Obstbauern dann aus der Region mit ihren Traktoren und Hängern in die Önsbacher Straße. Ihr Ziel: Bimmerle, Deutschlands größte private Brennerei. Und weil die Früchte gleichzeitig reif und die Anlieferung nun mal mitten im Ort stattfand, stauten sich die voll beladenen Vehikel manchmal hunderte Meter. Außenstehende bekamen dabei einen bemerkenswerten Eindruck: Nämlich den von der Dimension, die unsere Streuobstlandschaft tatsächlich einnimmt – in Form von Abermillionen leuchtend-roten Kirschen …

Skywalk über Stahlfässer

Diese Stauzeiten sind vorbei. Denn Bimmerle hat zuletzt investiert und 2015 eine hochmoderne neue Brennerei eröffnet – im nahen Sasbach, im Industriegebiet. Keine Frage, dass dabei auch die Sache mit der Anlieferung berücksichtigt wurde. Genauso wie die Nachhaltigkeit. So wird das Kühlwasser aus den Destillen zum Heizen genutzt, die Destillieranlage mit Kirschkernen befeuert. Denn davon gibt es in guten Jahren ja mehr als genug …

Nicolai Benz, der Vertriebsgeschäftsführer im Familienunternehmen, nimmt uns mit ins neue Brennereireich. Und wir staunen nicht schlecht, als wir hinter der Anlieferung gleich eine Stahltreppe hinaufsteigen und auf einer Art Skywalk über unzählige Stahlfässer hinwegspazieren. Wie viel da denn insgesamt reinpasst, wollen wir natürlich gleich wissen. „19 Millionen Liter“, sagt Nicolai. Wahnsinn!

Doch hier in Sasbach wird nicht nur gelagert, hier wird natürlich auch gebrannt – und das auf althergebrachte Weise. Zunächst werden die Früchte aus der Rheinebene und dem Schwarzwald nicht nur Kirschen, sondern auch viele weitere Klassiker wie Williams, Mirabelle oder Zwetschge) sortiert, nach gemessenen Süßegraden eingemaischt und anschließend in elf Brennblasen destilliert. Nach einer gewissen Lagerzeit kommen sie dann unter Markennamen wie Lörch oder Domäne Königsfeld national und international auf den Markt.

Neue Ideen

Ganz nebenbei entstehen hier neuerdings aber auch noch zwei ganz andere, vergleichsweise neue Schätzchen: Der Needle Backforest Gin und der Wood Stork Rum, ein sogenannter spiced Rum, der mit Gewürzen aromatisiert wird. Erst seit Kurzem gibt es zudem auch Hard Seltzer aus Sasbach. „Das ist ein Trend aus den USA, den wir unter der Marke Buzz jetzt auch bei uns einfach mal ausprobieren wollten“, erzählt uns Nicolai. Was das genau ist? Übersetzt heißt das erstmal „hartes Sprudelwasser“. „Also ein erfrischendes, alkoholhaltiges Sprudelgetränk mit Geschmack“, erklärt der Bimmerle-Chef.

Der Verkaufsschlager unter den neuen Produkten ist aber erstmal ganz klar der Gin: „Beim Needle war die Grundidee, den Schwarzwald in die Flasche zu bringen“, sagt Nicolai. Dafür werden unter anderem Schwarzwälder Fichtennadeln beigegeben, die ihm sein eigene Note verleihen. Wie das allermeiste Obst, so kommen auch die Nadeln aus der Region, aus Lautenbacher Wäldern, um genau sein. Denn wenn es im Schwarzwald noch etwas mehr gibt als Kirschen, dann das. Die Idee kommt an: Seit 2016 ist der Needle auf dem Markt und trotz Konkurrenz internationaler Großkonzerne bereits auf Platz sechs der meistverkauften Gin-Marken im Handel – und damit ist er längst ein weiterer wichtiger und großer Botschafter für Schwarzwälder (Gin-)Brennerkunst.

Obst bleibt Nummer Eins

Trotz aller Innovation: Die Obstbrände bleiben bei Bimmerle aber auch weiterhin die Nummer eins, eine Herzensangelegenheit. Und auch eine Verpflichtung für die Region und ihre Kulturlandschaft – so sieht es die Familie. Schließlich fing damit auch alles an. Mitte der 1960er Jahre begann Firmengründer Günther Bimmerle, Nicolais Großonkel, in seiner Oppenau Garage, zugekaufte Destillate zu vermarkten. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 100 Mitarbeiter.

Natürliches Produkt

Ob die Obstbrände denn überhaupt eine Zukunft haben, wollen wir noch wissen, als wir am Ende die Brennblasen mit ihren hohen Kolonnentürmen bestaunen, die auch von außen durch eine riesige Scheibe weithin sichtbar sind. Schließlich nahm das Interesse im Handel zuletzt eher ab. „In jedem Fall!“, gibt sich der junge Bimmerle-Chef optimistisch. Schließlich passten sie perfekt zum Zeitgeist. „Die pure Frucht, keine Zuckersätze, keine Aromen – und das alles direkt aus der Region. Besser geht’s doch eigentlich nicht, oder?“, meint Nicolai. Man müsse es allerdings schaffen, den Obstbrand auch den neuen Generationen schmackhaft zu machen. Die Ideen dafür liegen schon in der Schublade. „Unsere nächste Innovation wird genau damit zu tun haben“, sagt Nicolai und grinst …

Ein Riese von hier

Die Bimmerle KG ist längst mehr als eine Obstbrennerei, auch wenn sie ihren Schwerpunkt nach wie vor auf die Verarbeitung heimischer Marken setzt. 1966 in Oppenau gegründet, begann Günther Bimmerle zunächst mit der Vermarktung zugekaufter Brände. Mittlerweile werden in der Brennerei rund 490 aktive Artikel produziert und vertrieben – darunter auch der Needle Blackforest Gin und der Wood Stork Rum. Vor kurzem gründet das Unternehmen zudem eine Vertriebsgesellschaft für die Gastronomie: die Black Pan Drinks.

www.bimmerle.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 23 (6/2020)

Feuer unter der Brennblase, wandern im Winter Wonderland und ein laaaaanges Wochenende am Feldberg: So lieben wir die kalten Tage!

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

 

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