Die besten Forellen im Schwarzwald
Besagter Wasserfall liegt ganz hübsch. Der Pestwurz macht alles grün, ein paar Eschen und Rosskastanienbäume geben Schatten und ein Stück Himmel spiegelt sich im sumpfigen Teich. Wohl hundert Meter entfernt fließt die Wutach. Etwas weiter unten steht eine Kapelle auf einem Hügel. Hier schlägt schon lange keine Glocke mehr. Es war aber nicht immer so still.
Vor 100 Jahren flanierten hier Ladys und Damen auf geschnürten Absatzschuhen, stiefelten Lords und andere Herrschaften mit Zwirbel- oder Backenbart samt geschulterter Angelrute. Im Park vis-à-vis spielte vielleicht ein kleines Orchester „God Save the Queen“ und eine Kutsche ratterte vorbei mit Kurgästen aus St. Petersburg, Berlin, Paris oder London. Das berühmte Bad Boll hatte Hotels, Parks, Seen und war der place to be für Kurgäste, aber vor allem auch für Forellenangler. In der Wutach schwammen die besten Forellen des Schwarzwaldes und das Quellwasser war als Heilwasser berühmt. Bis 1912 war ein Londoner „Fishing Club“ der Besitzer. Später wurde die Wasserqualität von der Industrie versaut – wer wollte da noch angeln? 1992/93 dann wurden die Gebäude abgerissen und die Forellen regieren wieder wie der Hecht im Karpfenteich.
Ein Baumstamm als Rammbock
Wir spazieren durch das Grün und machen Rast an einem Pavillon mit Landkarten und Wegweisern. Wir befinden uns mitten in der drei Kilometer langen Schlucht, von der weitere Schluchten abgehen. An einigen Stellen sind wir 70 Meter unter der Abbruchkante des Waldes, an manchen Stellen sogar 180 Meter tief. Bad Boll und was danach kommt, gilt als der schönste Teil der Schlucht. Die Landschaft ist abwechslungsreich, die Steigungen moderat.
Etwas flussabwärts liegt ein großer Baumstamm ohne Rinde am Ufer. Wie zum Hinsitzen? Nein, hier war früher ein Fels, erklärt der Ranger. Beim letzten Hochwasser schoss dieser 20 Meter lange Stamm auf den Felsen und sprengte ihn einfach weg. Solche Giganten aus Holz werden wir noch öfter sehen, denn die Wutach führt mehr als einmal im Jahr Hochwasser. Der schmale Pfad begleitet den Fluss ab jetzt ganz eng. An den Bäumen wächst fingerdickes Moos, urzeitliche Farne hängen und kleben an den Bäumen und Felsen.
Wir gehen über weiße Steinklippen und Kiesbänke, schauen auf eine senkrechte Steinwand, die ein paar hundert Meter lang ist. Wir wandern so knapp am Felsen, nein, eigentlich schon im Felsen, dass wir den kühlen Stein auf der Haut spüren. Was wie ein Haufen Moos ausschaut, ist das Nest der Wasseramsel, die dieser Steinmauer ihren Namen gibt: Amselfelsen. Was für ein kleiner Vogel für einen großen Felsen! Eine Familie picknickt hier. Würden wir ein Bild knipsen und drunter „schöne Grüße aus der Provence“ schreiben, jeder würde es glauben. Wir befinden uns jetzt im Muschelkalkgestein. Eine Wanderung durch die Wutachschlucht führt auch durch Buntsandstein, Keuper, Dogger und andere Gesteinsschichten. „Eine Zeitreise durch Millionen Jahre“, sagt der Ranger.
Als wir über den wellenartigen Boden laufen, erzählt uns der Ranger, dass hier der Wellengang des Wassers zu Stein geworden ist. Vor fast 250 Millionen Jahren stand hier sieben Millionen Jahre lang das Land unter Wasser. Dabei setzten sich Jahr für Jahr im Rhythmus der Wellen tote Muscheln auf dem Boden ab. Als die Muscheln später zu Stein wurden, blieb die Form des Wellengangs erhalten. Nach dem Amselfelsen wird das Flussbett Meter für Meter trockener. Die Wutachversickerung ist auch so eine Besonderheit: Das Wasser verschwindet in Höhlen und fließt unter oder neben dem Flussbett weiter.