Der etwas andere Bäcker: Freiburgs Eigenbrötler

Till Gurka weiß, wie man Brot besonders lecker und bekömmlich hinbekommt – und warum das Grundnahrungsmittel klug macht

Text: Janine Ak · Fotos: Baschi Bender

Er kann sich noch genau an das Brot seiner Oma „im tiefsten Odenwald“ erinnern, als er ein kleiner Junge war. Eine dicke, dunkle Kruste hatte es, dafür war es innen umso saftiger. „Ob zum Frühstück mit selbstgemachter Marmelade aus dem Garten oder abends zur Suppe, Brot gab es bei Oma fast immer“, erzählt Tillmann Gurka. „Und wenn ich zwischendurch Hunger vom Spielen hatte, hat sie mir einfach eine Scheibe runtergeschnitten.“

Der kleine Till und seine Oma hätten wohl nie gedacht, dass er einmal die Bevölkerung des neuen, hippen Stadtteils Brühl-Güterbahnhof im Nordwesten Freiburgs mit handgemachtem Brot nach ihrer Art versorgen würde. „Till und Brot“ steht in schwarzer Handschrift auf den bodentiefen Scheiben, ringsum erheben sich Neubauten und Baukräne. Die Tür öffnet sich für Kunden erst vormittags um 11 Uhr, doch Till ist mit Azubi Mustafa seit kurz nach sechs Uhr an der Arbeit. „Für einen Bäcker sehr spät“, schmunzelt Till. „Aber ich möchte zeigen, dass man auch in diesem Beruf gute Arbeitszeiten haben kann.“

Mustafa kam vor sechs Jahren aus der Türkei und hat vorher auf dem Bau gearbeitet, bevor er sich für eine Bäckerlehre entschied. Jetzt teilt er mit einem Spachtel einen Berg frischen Teig in 500-Gramm-Portionen. Till ritzt sie mit dem Rasiermesser ein, bevor sie über ein Förderband in den Ofen wandern. Das ergibt später die schöne Kruste. Wenn Till die frischen, warmen Brote mit dem Schieber aus dem Ofen holt, besprüht er sie noch kurz mit Wasser, damit sie am Verkaufstresen schön glänzen. „Optik ist mir wichtig“, sagt der Bäckermeister.

Individuell, regional und Bio

Damit meint er auch, dass jedes Brot ein bisschen anders aussehen darf – und soll. Denn anders als industriell gefertigte Brote enthält sein Brot keine Hefe. „Die Hefe bringt Gelingsicherheit“, erklärt er. Die sei bei Supermarkt-Broten wichtig, damit sie in die Tüten passen. Tills Brot darf aber gerne mal etwas höher oder flacher als am Tag zuvor sein. Das hängt mit der Raumtemperatur beim Ruhen des Teiges zusammen. „Dann gebe ich meinem Verkäufer Bescheid, und er gibt’s an die Kunden weiter.“

Nicht irgendeines, sondern „gutes Brot“ zu backen ist Tills Mission. Sein Credo: „Nur mit guten Rohstoffen kann ich ein gutes Endprodukt bekommen.“ Das heißt für ihn, dass sein Brot aus regionalem Biogetreide mit kurzen Transportwegen hergestellt wird. Gutes Brot heißt für den Handwerksbäcker aber auch, dass es sich lange hält, aromatisch schmeckt und bekömmlich ist. Das gelinge durch den Verzicht auf Hefe und die drei Tage Ruhezeit, die er seinen Sauerteigen gönnt. Wobei Ruhe das falsche Wort sei: Eigentlich ist es eine Gärzeit, in der die im Teig enthaltenen Mikroorganismen arbeiten.

Ein Weg mit Höhen und Tiefen

„Es läuft besser als erwartet“, erzählt Till und die Erleichterung ist ihm anzumerken. Er scheint angekommen zu sein – in seinem Beruf, im Leben. „Es war ein Weg mit Höhen und Tiefen“, gesteht der 29-Jährige rückblickend. Als Kind eines Akademikerpaars war die Schule nicht sein Ding. In der achten Klasse der Hauptschule ging er für ein Praktikum zum Handwerksbäcker im Heimatort. Nach ein paar Tagen erbat er von seiner Mutter eine Befreiung vom Jugendschutzgesetz, um nicht erst um sechs, sondern um drei Uhr morgens mit dem Meister anfangen zu dürfen. „Ich habe gemerkt, dass da in den ersten Stunden viel passiert, und war neugierig“, erzählt er. „Am Ende der zwei Wochen hatte ich einen Ausbildungsvertrag in der Hand – mit 13!“ Zwei Jahre später trat er die Lehre an, war mit 18 Geselle und mit 20 Meister. Als Innungsjüngster und als Bester im Praktischen.

Als Meister seines Fachs hat er seine steile Laufbahn nun auch noch akademisch gekrönt. An der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim belegte er die Fortbildung zum Brot-Sommelier. Dort widerlegte er in einer 80-seitigen Arbeit das weit verbreitete Vorurteil, dass Brot dumm mache, und bewies das Gegenteil: Die Kohlenhydrate werden beim Essen langsam in Zucker verwandelt und versorgen auf diese Weise nicht nur den Körper, sondern auch den Geist langfristig mit neuer Energie. Da schau an …

Und doch: Ganz so geradlinig war der Weg zum eigenen Laden mit großer Nachfrage dann doch nicht. Nach einer Zeit beim Handwerksbäcker Bühler in Freiburg lernte Till bei Edeka „die andere Seite“ kennen, arbeitete in der Supermarkt-Bäckerei mit damals 800 Filialen in Vertrieb und Marketing, hatte 13-Stunden-Tage, an denen er weite Strecken mit dem Dienstwagen zurücklegte. Der Gedanke, sich selbstständig zu machen, kam in dieser Zeit zum ersten Mal in seinen Kopf. Im Februar ’22 feierte Till Eröffnung. Während die letzten Brote fertig wurden, hatte sich vor der verschlossenen Tür schon eine Menschenschlange gebildet, erzählt er:  „Da sind mir die Tränen gekommen!“

Till & Brot

Bei Till gibt’s Brote, Süßgebäck und Pikantes aus ausschließlich regional und biologisch angebauten Zutaten. Ihr wollt auch mal hin? Das Geschäft findet Ihr in der Zita-Kaiser-Straße 4 in Freiburg. Aber Achtung: Unter der Woche öffnet der Laden erst um elf Uhr! 

www.tillundbrot.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 36 (1/2023)

Seid ihr auch schon im Fasnachtsfieber? Wir freuen uns wie Bolle, dass dieses Jahr endlich wieder richtig gefeiert werden kann – und haben uns deshalb für die neue Ausgabe der #heimat schon mal in Schale geworfen. Wie es dabei zuging, seht ihr hier! Und wie ihr bei unserer großen Fasnachtsaktion „Narr der Woche“ mitmachen könnt, erfahrt ihr ab Donnerstag – dann gibt’s die neue #heimat überall am Kiosk. Narri narro!

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