Barfuß geht immer

Manfred Gleditsch macht das, was Kinder lieben. Er geht barfuß – seit 18 Jahren. Wir haben uns seine Füße mal angeschaut. Ein Bericht von ganz unten

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Auf dem Parkplatz an der Burgruine Landeck (Freiamt) liegen kleine, noch kleinere und ganz kleine Kiesel sowie ein paar größere, die an Kartoffeln oder Flintsteine erinnern. Entweder sind sie klobig oder spitzig. Die Steintreppe zeigt „klare Kante“, ist aber an einigen Stellen vom Gebrauch schon glatt gelaufen. Nach 22 Steinstufen geht ein steiniger Pfad leicht bergauf. Auf ihm liegen Bierdeckel, Zigarettenstummel und viele kleine spitze Steine. 

Warum ist das so wichtig? Wenn man barfuß geht, dann ist das wichtig. Hier pikst es, dort kitzelt es. Dornen, Scherben sowie Spucke und Hundekot könnten auf dem Weg liegen. Spucke ist eklig, aber Köttel sollen Glück bringen, heißt es. Aber mal ehrlich, das muss nicht sein. „Ich bin gerne auf der Landeck“, sagt Manfred Gleditsch. Auf den Boden schaut er nicht, lieber genießt er die Aussicht. Ein glücklicher Rentner aus Teningen.

Manfred Gleditsch (71) verzichtet seit 18 Jahren komplett auf Schuhe. Vor Scherben oder Hundekot bewahrt ihn sein siebter Sinn. Einmal ist er beim Wandern in Dornen getreten. Aber nur einmal. Und er wandert viel im Schwarzwald und in den Vogesen, muss man wissen. Einmal im Jahr reisen Barfußaktivisten aus Luxemburg, der Schweiz und Österreich zum Internationalen Barfußtreffen an, natürlich mit einer langen Wanderung.  

Nur nicht übertreiben

Unsere Bodenverhältnisse nimmt er, wie’s kommt. Matsch? „Gerne!“, sagt er mit leuchtenden Augen, wie andere sie beim Stichwort Sahne bekommen. Kälte? Da fällt die Antwort schon etwas differenzierter aus. Zunächst müsse man in Bewegung bleiben, meint er, Streusalz wäre ganz schlecht, weil es sich in die Haut frisst. „Man soll es ja auch nicht übertreiben“, sagt er. Alles macht er dann wohl auch nicht.

Manfreds Geschichte als Barfußläufer fängt früh an. „Als Kind“, seufzt er. Als Jugendlicher ist er weiter ohne Schuhe oder Sandalen gelaufen. Das war „Freiheit!“ für ihn. Es war die Zeit der langen Haare, Batikhemden und ausgelatschten Jesussandalen. Oder eben gleich barfuß. 

Alle akzeptieren Manfred

Aus wilden Hippies wurden brave Lehrer, Arbeiter, Angestellte. Manfreds erster Beruf war Polizist, dann lernte er Kaufmann und schulte um zum Funktechniker. Ohne Schuhe war er dann privat. „Als barfüßiger Elektroniker war ich immer geerdet“, sagt er im Scherz, denn natürlich sind Arbeitsschuhe vorgeschrieben. Die meisten würden es gar nicht merken, dass er keine Schuhe trägt, so selbstverständlich bewegt er sich. Er war schon auf zig Hochzeiten und anderen Festen, keiner hat’s gemerkt. Nur der zukünftige Schwiegervater sagte mal: „Schuhe vergessen?“ Als er mal von Spanien mit dem Flieger heimwollte, ließen sie ihn zuerst nicht ins Flugzeug. Warum eigentlich? Irgendwann sagt das Personal dann: „No problem!“ Manfred nimmt Erlebnisse wie diese mit Humor. „Wer barfuß geht, dem kann man nichts in die Schuhe schieben.“ Außerdem ist er kein Einzelgänger.  Ob Prominente (siehe Kasten), im Sport oder beim Kneippen: Barfußgehen ist gar nicht so ungewöhnlich. 

Keine Schuhe, dafür Lederhaut?

Barfüßler gehen anders, hat er festgestellt. Wer mit Schuhen geht, tritt zuerst mit der Ferse auf, wer längere Zeit barfuß geht, dann mit dem Ballen. Wenn er über Steine geht, meint man ein „platsch, platsch, platsch“ zu hören.  Wie schützen sich die Füße vor dem harten Boden? Auf einschlägigen Websites steht, dass eine neue Haut wachsen würde. Wie ist es bei Manfred? Nein, keine Lederhaut. Seine Füße schimmern bläulich, rosa, silbern, die Fußnägel sind kurz und gepflegt, ein Zeh ist etwas dunkler, da wäre ihm mal einer beim Walzertanzen draufgestanden. Aber Hornhaut? Bimsstein sei’s gedankt, da ist nichts kalkweiß oder gelb oder runzlig. Alles ist schön glatt. Jeden Abend schmiert er seine Füße mit Creme ein. Dass diese Füße zum letzten Mal vor 18 Jahren Schuhe gespürt haben, sieht man ihnen wirklich nicht an. Dass Manfred jetzt schon 71 Jahre alt ist, auch nicht. Gibt es einen Zusammenhang zwischen mit ohne Schuhe und einem jugendlichen Auftreten?

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