Zurück an den Herd!

Kriegen wir es jetzt nicht mal mehr hin, Gemüsebrühe selbst zu kochen? Diese Frage stellt sich unser Kolumnist voller Sorge, als er eine fertige „Broth of the day“ im Supermarkt-Kühlregal entdeckt. Was soll bloß werden, wenn bald niemand mehr weiß, wie man Klassiker wie Eingemachtes Kalbfleisch zubereitet? 

Text: Stephan Fuhrer

Es wurde ja auch mal wieder Zeit für einen neuen Trend. In deutschen Supermarktregalen stehen daher seit Herbst neue isotonische Powergetränke in den Regalen. Ein Hype aus New York, den man im Winter heiß und im Sommer kühl genießen kann. Ein cooler Hottie, quasi. „Broth of the Day“ heißt die neue Produktlinie. Was heißt jetzt „Broth“ noch gleich auf deutsch? Ach ja: Brühe …!

Die „Broth of the Day Gemüsebrühe“ kommt selbstverständlich als vegan und Bio gelabelt daher, und es gibt sie auch mit Hühner- oder Rinderzusatz – in einer schick designten Flasche mit exakt 235 Milliliter Inhalt. Zwei Euro noch was gibt der Hersteller als Preisempfehlung an. Nun gut, man könnte für das gleiche Geld auch selbst einen Fünf-Liter-Topf mit Möhren, Sellerie und Petersilie ansetzen. Aber das Behältnis eignet sich halt nicht so gut als To-Go-Variante.

Worauf ich hinaus will? Leute, wir sollten uns von der Lebensmittelindustrie nicht mehr länger an der Nase herumführen lassen! Mittlerweile kriegen wir im Supermarkt fertigen Pfannkuchenteig und vorgeschnetzelte Bratkartoffeln, Mikrowellen-Pommes und Schnitzel, die in den Toaster passen. Essen? Macht Euch da mal keinen Kopf. Wir haben da was, das schnell geht, wunderbar schmeckt und angeblich supergesund ist. Ganz ehrlich: Das macht mir Angst.

Ganz besonders, wenn man sich die Zukunftsprognosen zur Ernährung von Wissenschaftlern und Experten zu Gemüte führt. Selberkochen werde künftig nichts Alltägliches mehr sein, heißt es, sondern vor allem zum Wochenend- Event mit Freunden. Dann aber richtig: Mit besten exotischen Zutaten von Amazon Fresh, noch exotischeren Weinen und stylischen Accessoires wie Pfeffermühlen, die so groß sind wie afrikanische Männerbeine.

In urbanen Zentren, wo die Zeit im Alltag besonders knapp ist, ist dies längst Realität. Das Außergewöhnliche ist gewöhnlich geworden, und wir haben es noch nicht mal richtig mitbekommen. Neulich musste ich mir mit ansehen, wie eine junge Mutter ihrem zehn Monate alten Sprössling Apfelmus aus einer Mini-Tube kredenzte. 75 Milliliter feinstes Apfelkompott, haltbargemacht mit Konservierungsstoffen. Ein Apfel, ein Schälmesser, ein Topf und fünf Minuten Zeit – dann weiß man auch, was drin ist. Kriegen wir das wirklich nicht mehr auf die Kette?

Was mindestens genauso bedenklich ist: Wenn wir nicht mal mehr die einfachsten Dinge kochen, dann werden wir all das, was für unsere Eltern und Großeltern noch selbstverständlich war, mit der Zeit verlernen. Und das wäre doch ein riesiger Verlust, oder? Was, wenn bald niemand mehr weiß, wie man Eingmachts Kalbfleisch zubereitet? Diesen Tag will ich jedenfalls nicht erleben ...

#heimat Ortenau Ausgabe 9 (4/2017)

Mit Lego und Käsefondue machen wir uns winterfein - und behalten das Wild so lange im Visier, bis es auf dem Teller liegt...

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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