Vom Saulus zum Paulus

Die Sauce klebt in der Nase, das Brot liegt auf dem Boden und die Gabel wird in die Tischplatte gerammt: Die kleine Tochter unseres Kolumnisten hat die Sache mit den Tischmanieren noch nicht so ganz verstanden. Das geht gar nicht, findet er. Nur: Wie soll man einem einjährigen Kind bloß Respekt vor dem Essen beibringen?

Text: Stephan Fuhrer · Fotos: Stefan Hilberer

Manieren machen den Menschen, heißt es. Da ist was Wahres dran! Wenn ich mir ansehe, wie gierig unser Bürohund sekundenschnell seine Leckerlis aus dem Napf schlotzt, schmatzend und knurpsend, bin ich froh, dass uns der liebe Gott Messer und Gabel beschert hat. Bei meiner kleinen Tochter bin ich mir allerdings nicht sicher, ob sie deren Wert schon begriffen hat …

Sehen wir mal davon ab, dass mein Sonnenschein vom ersten bis zum letzten Bissen „Alle meine Entchen“ vor sich hin summt. Immerhin verlangt sie mit ihren anderthalb Jahren schon nach einer Gabel – um dann deren Zacken im Liedtakt gnadenlos in die Tischplatte zu rammen. Vom Brot wird nur der Belag abgeschlotzt, die Überbleibsel verschwinden unterm Tisch. Der Gipfel der Unsittlichkeit: Tomatennudeln. Nicht selten klebt die Soße sogar an den Naseninnenwänden, weil die Mini-Makkaroni lustigerweise genau durchs Loch passen. An der Tapete hat sie sich längst verewigt. Und mit beständiger Sicherheit landet die Pampe am Ende dann auch noch auf meiner Hose …

Ich muss gestehen: Mich stört das irgendwie. Es fällt mir nicht leicht, diesem kindlichen Treiben einfach zuzusehen. Obwohl mir schon klar ist, dass ich meinem Mädle noch lange nicht mit dem Knigge zu kommen brauche. Hier und da muss ich dann aber der strenge Papa sein. Manieren, zumindest eine Basis davon, finde ich wichtig. Vor allem bei Erwachsenen. Legt mein Gegenüber bei der Suppe gelangweilt den Ellenbogen auf den Tisch, könnte ich aus der Haut fahren! Da fehlt es mir an Respekt – dem Essen gegenüber. Noch schlimmer: Herumspielen. Das geht gar nicht! Dem Kind das auszutreiben, wäre schon mal der erste Schritt.

Nur: Wie mache ich das? „Lass sie vorher hungern, dann hat sie am Tisch auch Appetit“, rät ein Freund. Das finde ich zu krass. „Einfach nicht beachten“, lese ich in einem Ratgeber. Bitte? Ich will doch nicht jede Woche die Küche streichen! Vielleicht klappts ja mit Gehirnwäsche – Gute-Nacht-Anekdoten aus der Anstandsfibel, das traurige Kinderlied vom Würstchen, das unter den Tisch fiel und zu Tode schimmelte, oder die Geschichte vom zerkrümelten Keks, der in Terminator-Manier zusammenschmilzt und aus Rache die gesamte Menschheit killt.

Nun ja, vielleicht sollte ich meiner Tochter auch einfach nur ein bisschen Zeit geben. Dann wird aus dem kleinen Saulus sicherlich noch ein ganz manierlicher Paulus werden. Irgendwann …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 13 (4/2018)

Wir stellen die Bollenfrage, ergötzen uns an geschmückten Kühen und holen die Netze ein. Außerdem blicken wir mal tief in den Schwarzwälder Nachthimmel.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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