Voll krass getäuscht, Digger!

„Voll, Digga, des glaubschd net!" Unsere Kolumnistin trifft beim Einkaufen auf drei Pubertiere, die eine merkwürdige Mischung aus Badisch, Englisch und Erkan- und Stefan-Sprech von sich geben. Aha, wahrscheinlich Schulschwänzer, denkt sie – bis etwas passiert, das ihre Vorurteile ganz plötzlich wegwischt…

Vorurteile sind ja nix für weltoffene Menschen. Und doch muss ich mich outen – denn Vorurteile sind manchmal auch ziemlich naheliegend. Kein langes Überlegen, ein Blick, ein Wort, Schublade auf, Mensch rein, Schublade zu. Danke für die Zeitersparnis! Manchmal geht das aber auch nach hinten los …

Vergangenen Samstag: Ich entere den Drogeriemarkt in unserem Shoppingcenter. Mit Hund im Schlepptau, weil der im Auto sonst auf so lustige Ideen wie die Umgestaltung der Sitzbezüge kommt. Hund zerrt Richtung Leckerlis, ich zu den Büroartikeln. Stresspegel steigt. In diesen Situationen neige ich zu gewissen – naja – Ungerechtigkeiten. An dieser Stelle keine Angst: Der Hund kommt nicht zu Schaden. Mein ach so untrügliches Urteilsvermögen aber schon …

An der Kasse vor mir drei Pubertiere männlichen Geschlechts, die gerade die Welt neu erfinden. Dazu braucht das Trio Energydrinks: „Des isch voll mit Amino-Dings, pusht krass, Alter“, konstatiert Nummer eins. Seine zerschlissenen Jeans hängen auf Halbmast, ich erhalte Einblicke, die ich lieber nicht hätte. Weggucken klappt, Weghören nicht. „Hädsch au die mit denne Berries nemme könne, isch au mega“, erklärt Nummer drei. Nummer zwei hat derweil andere Themen, offensichtlich hat er sich bei einer Angebeteten gerade eine Klatsche eingefahren. So viel kann ich der Dialekt-Vergewaltigung entnehmen, was nicht einfach ist, wenn sich Badisch mit Erkan- und-Stefan-Sprech plus Englisch-Brocken mischt. „Die’sch echt so voll krass, Alta“, meint Nummer eins. „Voll, Digga, des glaubschd net!“ sagt Nummer zwei. Alles klar: Vorstadt, Schulschwänzer, Knastkarriere – oder?

Der Himmel hat ein Einsehen: Kasse zwei wird geöffnet – bloß weg von diesen Herzchen. Beim Einpacken plötzlich ein Stimmchen neben mir: „Tschuldigung“, es ist Nummer drei, „dürft ich den mal streicheln?“ Er beugt sich zu meinem Hund runter und Nummer eins strahlt mich an: „Der ist doch bestimmt ganz lieb.“ „Ja, echt goldig“, meint Nummer zwei. Bitte? Haben Aliens sich gerade des Trios bemächtigt und am Sprachzentrum rumgefummelt? „Vielen Dank“, höre ich noch wie durch einen Nebel. „Schönen Tag für Sie!“ Keine Ahnung, wie ich in diesem Moment geguckt habe. Wahrscheinlich voll krass, Alter!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 26 (3/2021)

Nackte Mofarocker und lauter süße Früchtchen: In der neuen Ausgabe von #heimat Schwarzwald gibt es wieder einiges zu gucken. Der Schwarzwald hat eben mehr zu bieten als Bollenhut und Bibeleskäs… aber das wisst ihr ja! Dennoch: die neue Ausgabe ist wirklich ’was Besonderes!

 

Mehr über die Mofarocker und ihr Männer-Yoga in der neuen Ausgabe von #heimat Schwarzwald. Ab dem 6. Mai wieder überall am Kiosk – oder als Abo bei uns im Shop.

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