Rallye mal anders: Die Black Forest Winter Challenge

Röhrende Motoren und Benzingeruch – genau das Richtige für unsere Autorin. Bei der Black Forest Winter Challenge musste sie aber einen Gang runterschalten

Text: Karen Heckers · Fotos: Jigal Fichtner

Ein Samstagmorgen Anfang Januar, kurz vor neun. Der Boden des Durbacher Festplatzes zittert. Ich auch, denn es ist schweinekalt. Aber das ist mir gerade sowas von egal: Ein Wummern, ein Röhren, ein Knattern und da kommen sie: die Schätze der Automobilgeschichte. Es riecht lecker nach verbrannten Motorenöl und Benzin. Deswegen tummele ich mich auch gerne in der Garage des Hotel Ritter in Durbach. Hotelchef Dominic Müller hat nämlich ein paar entzückende Pferdchen im Stall, ist ein Autofreak vor dem Herrn und Ausrichter der Rallye namens Black Forest Winter Challenge. 

Und meine Challenge? Ich bin an diesem letzten Tag der Rallye Co-Pilotin. In was, mit wem und wohin – null Ahnung. Ich schiele schon sehnsüchtig in Richtung eines Porsche 956 oder des E-Type daneben …

Nicht die schnellste Schüssel

„Hallo, ich bin Rainer Laborenz“, stellt sich mein Fahrer vor. „Und das ist ein Wolga GAZ-24, Baujahr 1985“, strahlt er. Wirkt solide, aber naja – aufregend geht anders. Mit der Zwei-Liter-Maschine, die knapp 1500 Kilogramm Russenstahl bewegen soll, sicher nicht die schnellste Schüssel im Getümmel. Aber darum geht’s hier nicht, erfahre ich später noch.

Wir müssen diverse Aufgaben meistern: Geschicklichkeitsprüfungen, Zeitfahren und Fahren nach Karte in unbekanntem Gelände. Dafür gibt’s Punkte. Unterstützung haben wir durch diverse Smartphones: Als Zeitmesser, Kilometerzähler,  Kompass, Rechner, Navi und Stoppuhr. „Das ist erlaubt“, grinst der Herr Laborenz. „Die anderen haben das auch an Bord. Die sind zum Teil noch besser ausgestattet.“ Er grinst: „Und nehmen das sehr, sehr ernst!“ Ihm hingegen geht es um den Spaß. 

Er ist zum zweiten Mal mit dabei: „Ich bin beruflich viel im Schwarzwald unterwegs, aber bei dieser Rallye sehe ich meine Heimat mit ganz anderen Augen“, strahlt er. „Übrigens: Es ist Ihre Aufgabe zu sagen, wo wir lang müssen“. Wird gemacht: „In 100 Metern Ypsilon-Gabelung, dort rechts, nach 300 Metern Ortskern, im Kreisverkehr auf neun Uhr raus, dann sieben Kilometer auf der B36 Richtung Lahr“, lotse ich ihn durch die Gegend. Läuft …

Er heißt Olga

„Wollen wir das mit dem Sie nicht mal lassen? Ich bin der Rainer.“„Karen“, sage ich und fühle mich plötzlich so wohlig warm im Wolga – Teamfeeling! Die Karte habe ich immer im Auge, aber es bleibt genug Zeit, die Landschaft zu genießen und ein bisschen mehr über den andern zu erfahren. Zum Beispiel, wie Rainer an dieses Gefährt kam. „Es gehört einem Freund, einem Russlanddeutschen, der hat es in Kaliningrad entdeckt. Und dann über Litauen in den Schwarzwald geholt.“ Der Wolga heißt übrigens Olga und schraubt sich brav hoch von Lahr zum Landwassereck. Hier war ich ewig nicht mehr. Fast hatte ich vergessen, wie schön es hier ist. 

Zuckerwatte mit Tannenspitzen  

Es gibt Kaffee und Rainer erzählt von den vergangenen Rallyetagen mit Olga: Schlammschlacht im Kieswerk und  ein Rutsch-Parcours in der Eishalle standen auf dem Programm. „Hat sie super gemacht!“ Wir reden über sie schon wie über eine Freundin …

Runter geht es nach Hornberg, das Städtchen liegt in Wolken und wir gucken auf Zuckerwatte mit Tannenspitzen, „Schön“, befinden wir und seufzen. Olga brubbelt ins Tal, ab und an quietscht’s ein bisschen. Naja, ist auch nicht mehr die Jüngste. Ich überlege mir währenddessen, wie wir unter Einhaltung aller Verkehrsregeln (sonst gibt’s Punktabzug!) und Beachtung der Pfeile auf der Landkarte schnell und elegant nach Wolfach kommen. Ich kenne hier die Schleichwege, aber das nützt nichts. „Entlang der Strecke sind Schilder mit Buchstaben aufgestellt, die müssen wir notieren.“ Mist! Rainer lacht:„Du hast ja auch schon ein Messer zwischen den Zähnen, genau wie die anderen!“ Pause in der Dorotheenhütte Wolfach. Piloten und Copiloten kriegen was zu essen, die Autos Wasser. 

„Jetzt wird’s gemütlich“, Rainer lehnt sich zurück, als wir Richtung Schwarzwaldhochstraße fahren.  Es röhrt neben uns. Drei Porsche, denen wir bei unserer Erkundungsfahrt von Hornberg nach Wolfach mal schön den Kaliningrader Auspuff gezeigt haben, überholen uns. So viel zum Thema Messer zwischen den Zähnen. „Wir haben die Aufgaben doch gut gelöst“, sagt Rainer. „Darauf kommt es an. “ Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team. Und Olga der Star der Straße. An einigen Haltepunkten wird sie bewundert, und Rainer muss Auskunft geben über die Dame aus Gorki. „Ja, sie ist ein Exot, ein Hingucker. Und das macht doch auch Spaß.“ Stimmt. Denn normalerweise werden in Zeiten von Greta Benzinschlucker eher argwöhnisch beäugt.  

„Vertrau mir!“ – „Tu ich …“ 

Zig Aufgaben und Prüfungen später rollen wir von Kalikutt aus zurück zum Festplatz in Durbach. Unsere letzte Prüfung hat es in sich:  Rainer muss sich eine Papiertüte über den Kopf ziehen. Und ich ihn durch einen Parcours lotsen. Meine Hände müssen dabei gut sichtbar auf dem Armaturenbrett liegen. „Vergiss nicht: Olga hat keine Servolenkung“, klingt es dumpf aus der Tüte. „Vertrau mir“, sage ich. „Tu ich.“ 10,69 Sekunden später sind wir im Ziel. Eine super Zeit. Die Zuschauer klatschen, Dominic Müller schwenkt die Zielflagge und wirft sich vor lauter Freude auf den Kühler. Was für ein Tag! Noch einen Abschiedssekt, Rainer verleiht mir den Titel „Kartenlesegöttin“, dann muss ich wieder heim. „Doswidanja, Olga“, sage ich leise und tätschele ihr Heck im Vorbeigehen. Ich bin halt eine hoffnungslos sentimentale Eule …

Wie in einem Agententhriller

Da hätte James Bond blöd aus dem Anzug geguckt: „Wolga-Olga“ liefert sich eine Schlammschlacht im Kieswerk Oberschopfheim und dreht im Offenburger Eisstadion Pirouetten. Der Wolga GAZ-24 wurde 1985 in den Automobilwerken Gorki gebaut und war ein klassisches Behördenfahrzeug. Auch der KGB fuhr Wolga, allerdings den mit 5,6-Liter-Maschine. Diese Autos sind heutzutage seltene Sammlerstücke. Unsere „Wolga-Olga“ hat nur knapp zwei Liter Hubraum und 99 PS. Aber die setzt sie gekonnt ein. Obwohl sie mit ihren knapp 1,5 Tonnen nicht gerade zu den Leichtgewichten bei der Black Forest Winter Challenge gehörte …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 19 (2/2020)

Auf Eiersuche: Wir lassen uns von den Wusslers aus Gengenbach was ins Nest legen, verputzen die Wutz und zapfen an Tannen. Zudem erzählen wir, wie (und warum) der Schwarzwald tickt und warum es sich auf jeden Fall lohnt, nach Colmar zu fahren.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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