Eines der Vorurteile über den Schwarzwald lautet, dass der Wald ziemlich blickdicht wächst und die Bewohner daher (je enger das Tal …) auch wenig Schimmer haben. Aber das stimmt ja nicht. So wie es Lichtungen und Almen gibt, wo ein frischer Wind geht, so gibt es auch Spielwiesen, wo sich die Freigeister austoben. Einer, der dazu wie die Faust aufs Auge passt, ist Simon Stiegeler (45), ein wilder Bursche aus Grafenhausen mit integrierter Spielwiese unter der Schädeldecke. „Ich bin halt der Maskenschnitzer“, sagt er etwas bescheiden. Das ist sein Beruf. Er und seine Frau Lillian rocken die Welt. Ihre Masken und Skulpturen waren schon auf der Expo in Schanghai zu sehen und erst kürzlich gingen ein paar Masken nach Kanada für eine Netflix-Serie. Offensichtlich stehen sie in den wichtigen Adressbüchern der Welt unter C wie Carving (Schnitzen) und M wie Mask …
Wie und wo kommt einer wie Simon zum Beruf? Beim ihm war’s so, dass die Leidenschaft da war, seit er denken kann. Schon als Kindergartenkind zeichnete er, bekam aber in der Schule nicht die besten Noten dafür. Warum? Die Lehrer wollten ihm nicht glauben, dass er es gemacht hatte! Zwölf Jahre jung zeichnete er eine Maske, geschnitzt hat sie dann der Papa. Damals konnte er das noch nicht. Zur Lehre ging er nach Österreich. Nicht, weil sie’s dort besser können, sondern weil er dort mehr Freiraum hatte. Erraten: Die Spielwiese im Hirn und an der Werkbank. Als der Vater starb, musste er wieder heim nach Grafenhausen in die Werkstatt und die Auftragsbücher abarbeiten, zum Beispiel mit Fasentmaskenschnitzen. Bei Kollegen hörte er sich um, wie sich die Selbstständigkeit anfühlt. Da ist ihm eine pessimistische Grundstimmung aufgefallen. „Muss doch go“ (muss doch gehen), sagte er sich und führte das Geschäft seines Vaters am gleichen Ort weiter. Und siehe da, sogar mit Erfolg.
Künstler oder nicht?
Zuerst ging Simon nach Freiburg und studierte Kunst. „Simon, bist du ein Künstler?“ Da muss er die Augen rollen. Künstler ist er schon. Aber auch Kunsthandwerker. „Aber für einen Kunsthandwerker bin ich zu künstlerisch“, sagt er. Früher hat er damit gehadert, heute kann er die Freiheiten als Künstler / Kunsthandwerker schätzen. Im Studium hatte er Leute um sich, „die sagten: ‚Ich will Kunst machen‘ – aber die waren orientierungslos“, erinnert er sich. „Ich wollte schnitzen und davon leben.“
So hat er es dann auch gemacht. Er hat sich inspirieren lassen von Büchern wie Momo und Der kleine Prinz, von Wikingern, Mittelalter, Fantasy. Er will bei diesem Thema gar nicht so sehr in die Tiefe gehen, weil er die Schubladen fürchtet, in die er gesteckt wird. Einmal Maskenschnitzer, immer Maskenschnitzer. Oder: Einmal Kirchenfiguren, immer Kirchenfiguren. Er schnitzt ja nicht nur Larven für alte und neue Fasnachtszünfte, sondern wirklich wilde Masken, die Freddy Kruger zum Hosenscheißer degradieren. Vor allem schnitzt er originell. Das hat er während Corona gemerkt, dass sich die Leute an Individuelles erinnern und nicht an 08/15. Simon hat es gewundert, von wo die Leute hergekommen sind. Merke: Wird etwas gesucht, ist kein Weg zu weit. Wenn er für traditionelle Fasnachtszünfte Larven schnitzen muss, ist das relativ einfach, weil es ja schon die Vorlagen dazu gibt. Die müssen alle gleich ausschauen. Handelt es sich aber um neue Zünfte und Gruppen, dann wird es spannend. Manchmal wird erst beim Gespräch klar, was verlangt wird, wie spitz und lang die Zähne werden, ob die Augenbrauen so oder so verlaufen, wie giftig die Augen sein sollen und vieles mehr. „Am schönsten ist es, wenn die Leute ‚mach mal‘ sagen, dann kommen die besten Sachen heraus“, sagt Simons Frau Lillian, die nebenan Masken bemalt.