Mit der E-Yacht Straßburg neu entdecken

Die capitale Alsacienne aus neuer Perspektive erkunden – dafür gibt es nun kleine elektrische Yachten. Ideal für eine Tour an einem warmen Sommerabend

Fotos: Konstantin Werner

Leinen los! Gleich geht’s auf See! Wenn auch nicht auf die stürmische Hochsee, sondern auf die gemütlich plätschernde Ill, die Straßburgs malerische Altstadt auf ihrer Grande Île umfließt. Am Spätnachmittag dieses schwülen Sommertags treffen wir uns am Bootskai beim Münster. Hinter uns das barocke Palais Rohan mit dem Archäologischen Museum, dem Kunstgewerbemuseum und dem Museum der Schönen Künste. So spannend die auch sein mögen: Ein Museumsbesuch steht heute nicht auf dem Programm …

Einen prall gefüllten Picknickkorb und Handtücher unterm Arm, freuen wir uns wie Wassermänner und Meerjungfrauen auf unseren Feierabend – mit einer Bootstour durchs Straßburger Stadtgebiet. Straßburg mit seinen verwinkelten Gässchen und idyllischen Plätzen, mit seinen Bars und Cafés, den Restaurants und Märkten, war für uns alle schon bei vorangegangenen Besuchen eine Liebe auf den ersten Blick. Mit unserem Wechsel aufs kalte Nass bietet sich uns nun die Gelegenheit, die elsässische Hauptstadt aus einer ganz neuen Perspektive zu entdecken: vom Wasser aus! 

Bootstour in den Sonnenuntergang

Doch zurück zum Bootsanleger. Hier ist ganz schön was los. Gerade hat eines der Touri-Boote mit Glasdach am Quai angelegt. Maritim gekleidete Männer helfen Besuchern, ohne Ausrutscher ihren Weg vom Ausflugsschiff über einen dünnen Steg an Land zu finden. Wenn man die Lauscher spitzt, hört man Sprachen aus aller Herren Länder. Kein Wunder, denn nach Straßburg kommen jedes Jahr etwa fünf Millionen Besucher. Die meisten zwischen Frühling und Herbst.

In diesem Getümmel ist es für uns nicht gerade einfach, unseren Kapitän zu erspähen. Alain Eschbach heißt er, drei Stunden haben wir eingeplant, um mit einem kleinen, elektrisch betriebenen Motorboot über den Kanal zu schippern. 540 Euro kostet uns der Spaß, hinein in den Sonnenuntergang zu fahren, vorbei an den Monumenten der Stadt. Kein schweißtreibendes Flanieren, sondern kühlender Fahrtwind und unter uns viel kühles Flusswasser … 

„Bonjour, ihr wollt mit der Nao Yacht fahren? Ich bin Alain, euer Kapitän“, sagt ein sympathisch wirkender Mann, der just in dem Moment auftaucht, als die Situation am Quai zwischen den Touristen wirklich unübersichtlich wird. Flink entfernt er die Eisenkette, die bisher noch den Weg zum Bootssteg versperrte. Und wir, wir lassen uns natürlich kein zweites Mal bitten und balancieren über den mit Geranien dekorierten Steg, um es uns in den Sitzecken auf dem Boot, das für insgesamt 11 Personen Platz bietet, bequem zu machen. 

Malerische Kulisse in Straßburg

„Vous êtes prêts? Seid ihr bereit?“, ruft Alain, den Bootsschlüssel im Zündschloss. Natürlich sind wir das, und mit einem kleinen Ruck gleiten wir los in unseren Sommerabend auf der Ill. Entlang der bunten und leicht windschief gebauten Fachwerkhäuser am gegenüberliegenden Quai des Bateliers geht es am alten Zollkai und dem Haus von Albert Schweitzer vorbei los in Richtung Petite France. 

Die Sommerluft weht uns ins Gesicht, während wir am Pont du Corbeau, der Rabenbrücke, vorbeituckern. Fröhliche Passanten winken uns von oben zu und wir merken schnell: Straßburg ist die französische Stadt mit den meisten Brücken – und viele verbinden nicht nur Ufer mit Ufer, sondern haben eine interessante Geschichte. Auf der Rabenbrücke etwa arbeiteten früher die Henker. Zum Tode Verurteilte wurden tagelang in einem Käfig ausgestellt und anschließend in der Ill ertränkt. Mich schaudert’s bei diesem Gedanken. Doch er verzieht sich so schnell, wie er aufgekommen ist, denn Alain kündigt lautstark an, dass wir nun in eine écluse, eine Schleuse, einbiegen. 

Die massiven Schleusentore aus Eichenholz schließen sich hinter uns. Wasser läuft in die Kammer, oben stehen wieder neugierige Touristen und blicken zu uns hinunter. Als unser Boot mit ihnen auf selber Höhe ist, öffnet sich das Schleusentor und wir fahren an der Maison des Tanneurs vorbei durch die Petite France. Der Duft von frischem Flammkuchen und Sauerkraut liegt in der Luft. Die Maison des Tanneurs, das Gerber-Haus aus dem Jahr 1572, beherbergt heute ein Elsässisches Restaurant, das bekannt für seine traditionellen Gerichte ist.

Straßburger Außenbezirke: Schiffswrack und Biberratten

Wir auf dem Schiff lassen jetzt erst einmal den Sektkorken knallen, stoßen auf unsere Spritztour an, kramen Knabberzeug aus dem Picknickkorb und lassen die Stadt auf uns wirken. Wer keinen Proviant mitnehmen will, kann sich Wurst- oder Käseplatten, französisches Feingebäck sowie Getränke für die Tour dazubuchen. An Bord gibt’s übrigens auch einen kleinen Kühlschrank und ein leicht beengendes Bord-WC. 

Weiter geht’s zum Pont Tournant, einer hydraulisch drehbaren Holzbrücke – ein sehr beliebter Foto-Spot in der Straßburger Innenstadt. Ich klettere auf den Schiffsbug und genieße den Blick auf die Stadtkulisse, tunke die Zehenspitzen in den kalten Fluss, lasse das Wasser spritzen. Wir nähern uns dem Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst, das direkt neben dem Barrage Vauban liegt. Eine massive Schleusenbrücke mit 13 Brückenbögen, die in früheren Zeiten feindliches Vordringen in die Stadt verhindern sollte. 

Dahinter endet die städtische Umgebung und mit unserem Boot dringen wir immer weiter in die Natur vor. Mittlerweile lässt die flirrende Hitze dieses Julitags etwas nach und so kommt lauschige Sommerabendstimmung auf. Wir gleiten leise – das Motorgeräusch der Yacht gleicht einem leisen Surren – mit angenehmen 15 Stundenkilometern übers Wasser.

Meine Mädels haben es sich auf dem gepolsterten Heck gemütlich gemacht und genießen den Sonnenuntergang. Die Jungs unterhalten sich mit Alain. Hier und da stehen Angler am Rand der Ill, wir tuckern an einem verlassenen Schiffswrack vorbei und ab und an strecken Biberratten ihre struppige Schnauze aus dem Wasser hervor – und bringen die Enten dabei ganz schön in Wallung. 

So langsam ist es nun an der Zeit, adieu zu sagen, die blaue Stunde naht. Alain steuert das Boot zielsicher Richtung Parc du Heyritz in der Nähe des Shoppingzentrums Rive Étoile. Wir nehmen Abschied vom Kapitän, vom Boot, von Straßburg und den schönen Eindrücken dieser außergewöhnlichen Feierabend-Kreuzfahrt. 

Mehr Infos zur Bootsvermietung findet ihr hier

Straßburg mal anders!

Wer will das Steuer – beziehungsweise die Paddel – selbst in die Hand nehmen? Diese Möglichkeit bietet der Straßburger Verein Eaux Vives. Dort werden Kanus und Kajaks für mehrstündige Touren zum Verleih angeboten. Vielleicht etwas schweißtreibender als eine Tour mit der elektrischen Yacht, aber auf jeden Fall auch eine erfrischende Art, die Stadt an einem heißen Sommertag zu erkunden! Mehr Infos unter:
www.strasbourgeauxvives.org

#heimat Schwarzwald Ausgabe 38 (3/2023)

Freut Euch in dieser #heimat auf Erdbeer-Rezepte, Schwarzwälder Van-Life, eine Boots-Tour im Elsass, ein spannendes Interview mit Frank Elstner und unser Heimatwald-Projekt – zusammen mit weiteren spannenden Menschen und ihren Geschichten. Was hat es zum Beispiel mit dem Schneekönig auf sich – im Mai? Und wer steckt hinter dem Titel Badens Winzer des Jahres? Lest selbst!

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