Wie ein junger Hotelchef am Schluchsee für Wirbel sorgt

In Schluchsee weht ein neuer Wind – und zu verdanken ist das Marius Tröndle. Wer ist der junge Wilde?

Text: Ulf Tietge

Vor vier Jahren wären wir hier im Dreck gestanden. Wir hätten keinen feinen Espresso getrunken, sondern uns den Staub aus dem Gesicht gewischt. Marius Tröndle hätten wir trotzdem getroffen – aber nicht als Gastgeber im feinen Zwirn, sondern mit Schaffklamotten und Eimern voller Abbruchmaterial aus der Mühle. Denn sein feines, kleines Boutiquehotel mit der Zwei-Sterne-Küche von Niclas Nussbaumer hat er mit den eigenen Händen aufgebaut. 

„Wir haben schon ein bisschen entrümpeln müssen“, sagt Marius, grinst und wischt durch ein paar alte Fotos der Mühle in Schluchsee. So sah das hier also mal aus: ziemlich plüschig und vollgestellt, aber gut: Geschmäcker ändern sich. Heute ist der Raum ganz in der Moderne angekommen. Helle Eichenholztische, dunkelgrauer Steinboden, ein bisschen Holz an den Wänden. Vielleicht nordisch zurückhaltend, vielleicht auch japanisch aufgeräumt. In jedem Fall mit  ganz viel Raum, um das Sieben-Gang-Menü gebührend zu genießen, das hier abends serviert wird und bei dem man die Wahl hat, ob man zum Hauptgang lieber Wagyu A5 aus Miyazaki oder heimisches Reh ordert, das der Patron selbst geschossen hat. Vorweg gibt’s Seeteufel aus der Bretagne im BBQ-Style mit Bohnen, eingelegten Sellerie mit Eigelb und Petersilienfumet, Bachforelle aus Albbruck mit Kohlrabi und Schnittlauch, bretonischen Steinbutt mit Vin Jaune und Gamba Blanca mit Dashimelone. 174 Euro kostet das Menü, zu dessen sieben Gängen es noch drei Grüße aus der Küche gibt und nach dem Erdbeer-Dessert noch Petit Fours mit Schwarzwälder Kirsch und Joghurt Macaron.

Die Mühle – das war früher das Stammlokal der Freiburger Schickeria. 1904 als Berggasthof eröffnet, avancierte sie spätestens ab den 1960er- Jahren zu einer kulinarischen Institution. Die Speisekarte von 1968 gab es auf Deutsch, Französisch und Englisch – entsprechend international war damals wohl das Publikum. Immer wieder waren in den vergangenen Monaten auch Gäste im Haus, die von früher erzählten, als man auch mal zu zehnt in nur einem Auto nach Schluchsee gefahren ist. „Das Haus hat schon eine Menge erlebt“, schmunzelt Marius. „Ich mein: Als die Mühle 1603 gebaut wurde, war das hier alles noch Österreich.“

Inzwischen ist das Geschichte. Und die Mühle ist auch kein Alte-Leute-Treff mehr, sondern die Homebase von Marius und seinen jungen Wilden, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Niclas Nussbaumer in der Küche, Marius’ Freundin Ankica Cabraja als Hoteldirektorin – alle unter 30. „Ich bin der Älteste im Team“, sagt Marius, grinst und fügt hinzu: „Und das mit 31.“ 

Wie alles begann

Dass es in der Welt von Marius Tröndle mal so kulinarisch zugeht, ist rückblickend fast ein bisschen überraschend. „Ich bin mit 18 das erste Mal essen gegangen“, erzählt Marius, der mit 15 genug von der Realschule hatte und im (alten) Auerhahn eine Lehre zum Hotelfachmann absolvierte. „Für meine Eltern war Essen nur eine Notwendigkeit und bis heute wird es in meiner Familie nicht verstanden, dass man für eine Flasche Wein auch mal 180 Euro ausgeben kann.“ 

Nach dem Auerhahn ging es nach Mannheim. Kochlehre, weil in der Küche oft viel Geld verloren geht, wenn man keine Ahnung hat, dann zur Hotelfachschule, nach St. Moritz und Bad Gastein. Mit 27 stieß Marius auf die Mühle – via Immoscout. „Es gab locker 100 Bewerber für. Aber unser Businessplan war am überzeugendsten, auch wenn der Bürgermeister damals noch meinte, dass wir doch bloß kein Gourmetrestaurant machen sollten, weil das ja keiner brauche“, erzählt Marius, der schon damals eine ausgeprägte Vorliebe für die Boutiquehotellerie entwickelt hatte.

Dass es mit der Mühle dann aber wirklich klappte, hat er Oma Margret zu verdanken, die mit heute 85 fast eine halbe Million in das Projekt ihres Enkels investierte. Seither ist Margret Tröndle Geschäftsführerin und kommt mindestens einmal im Monat durch, um nach dem Rechten zu sehen. „Allein wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Marius. „Ich hatte 120 000 Euro Eigenkapital, viel zu wenig für so ein Projekt.“ Schließlich war die Mühle zwar ein Haus mit illustrer Vergangenheit – aber auch mit echtem Sanierungsbedarf. 

Neues Dach, neue Heizung, neue Küche. Draußen hat Marius einen feinen, kleinen Wellnessbereich geschaffen und einen Naturteich angelegt, in dem man nach der Sauna mit kleinen Molchen um die Wette schwimmen kann, ehe man abends nach dem Menü die Treppe hochtorkelt, um in einem der zehn Zimmer sanft zu entschlummern. 175 Euro kostet das Doppelzimmer pro Nacht – aber wer eines haben will, sollte wenigstens zwei Monate im Voraus buchen.

Oma Margret hatte also recht. Aus dem Bub wird was. Auch wenn er nicht ins Familienunternehmen eingestiegen ist und lieber in der Gastronomie rumturnt, als in der Baubranche ein Vermögen zu machen. Aber immerhin: Das macht er so gut, dass man sich seinen Namen merken sollte. Denn wer weiß: Vielleicht spielt Marius Tröndle ja eines Tages in einer Liga mit Roland Burtsche vom Colombi, Meinrad Schmiederer vom Dollenberg und Hermann Bareiss? Zu wünschen wäre ihm das, denn junge Hoteliers mit ausgeprägter Schaffenskraft und neuen Ideen kann der Schwarzwald schließlich gut gebrauchen.

Der Auerhahn startet als Pop-Up

Das nächste Abenteuer hat schon begonnen. Marius hat sich dem Auerhahn gewidmet, das Wellness-Hotel direkt am See grundlegend umgebaut und sich mit den Behörden herumschlagen müssen. Denn auch wenn der Auerhahn direkt an der B 500 liegt – die Naturschutzbehörde bestand auf kleinen Fenstern und möglichst wenig Licht im Hotel, damit eventuell vorbeikommende Rehe nicht geblendet werden …  

Anfang Oktober geht es im Auerhahn jetzt richtig los. Zunächst wird das traditionsreiche Haus als Pop-up-Restaurant öffnen, und das mit zwei Spitzenköchen aus der europäischen Champions League: mit Oscar de Matos und Yann Bosshammer. 14 bis 16 Gänge, ab 125 Euro, reservieren kann man seit Anfang September. Ein Spanier und ein Elsässer, auch wieder zwei junge Wilde, von denen man in den nächsten Jahren noch viel hören wird. 

Yann hat seine Ausbildung im Au Crocodile gemacht, war Sous Chef im Opus V mit seinen zwei Sternen und Küchenchef im ebenfalls besternten Fischrestaurant Le Corange in Mannheim. Er vereint Tradition, Heimat und Moderne und sagt: „Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.“ Der Spanier Oscar de Matos wiederum kommt aus der Schweiz, kocht mit japanischen, französischen und südamerikanischen Einflüssen und wird demnächst in Waldshut-Tiengen ein neues Restaurant eröffnen – vorher aber bringt er mit Yann Bosshammer den Auerhahn zum Fliegen. Über den Instagram-Kanal von #heimat Schwarzwald werden wir zwei Tickets für das vielleicht extravaganteste Pop-up im Schwarzwald verlosen. Einfach mal reinschauen.

Wellness und Aktivurlaub 

So richtig eröffnen soll der Auerhahn im Februar, dann mit Yann Bosshammer als Küchenchef. Einen zweistelligen Millionenbetrag investieren die Tröndle Hotelbetriebe, die mit dem Auerhahn auf die perfekte Kombination von Kulinarik, Wellness und Aktivurlaub setzen wollen. Wassersport auf dem See. Segeln, SUPen, Kajak fahren. Dazu Waldbaden und Wellness, Yoga und Massagen. Eine klassische Dehoga-Klassifizierung ist kein Thema, aber um es einzuordnen: irgendwo zwischen fünf Sternen und vier Superior. Zielgruppe vom neuen Auerhahn: Europäer zwischen 25 und 80. „Ich glaube, dass es dem Schwarzwald ganz gut tut, wenn man auch bewusst junge Menschen anspricht und sich nicht nur darauf verlässt, dass die Schweizer so gern im Schwarzwald sind“, sagt Marius.

Dass sich Schluchsee mit der Mühle und dem Auerhahn als Destination weiterentwickeln und verändern wird – stimmt schon, sagt Marius. Nur wenn dann die Rede davon ist, dass der Schluchsee künftig wie eine Mischung aus Baiersbronn und Tegernsee gesehen werden könnte, winkt er ab. „Schreib das vielleicht nicht. Denn wer weiß, ob das nicht gleich wieder Neider auf den Plan ruft. Uns geht’s hier nur darum, wirklich gute Gastgeber zu sein.“

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