Let's Dance!

2024 wird Breakdance als olympische Disziplin in Paris Premiere feiern. Die Freiburger Tänzerin Naomi Karfich will bei den Spielen dabei sein...

Text: Valentina Keller · Fotos: Jigal Fichtner

Spätherbstliche Dunkelheit drückt gegen die Fensterscheiben. Der Raum ist von rotblauem Neonlicht erfüllt. „Drei, zwei, eins“, zählt Naomi herunter, stützt sich auf ihrer Hand ab und erstarrt im nächsten Moment in einer balanceintensiven Körperbewegung.Die Kamera von #heimat-Fotograf Jigal blitzt auf und hält jeden Freeze fest, den Naomi Karfich performt. Freeze, einfrieren – so nennt sich das beim Breakdance, wenn man eine Körperbewegung einfach mal anhält. Wenn man’s denn kann … Die Technik ist typisch für den akrobatischen Tanzstil, der eigentlich gar nicht Breakdance sondern Breaking heißt. Dessen Ursprünge liegen irgendwo auf den rauen Straßen von New York, wo er sich in den frühen 1970er-Jahren aus der afro- und lateinamerikanischen Hip-Hop-Kultur heraus entwickelt hat. Gezeichnet vom Leben im Ghetto flüchteten sich die B-Boys, wie sich die männlichen Tänzer in der Szene nennen, in eine gewaltfreie Welt und trugen ihre Konflikte in Form von Tanz-Battles aus. Hautfarbe, Geschlecht, Alter – das spielt in dieser Szene keine Rolle. Sehr sympathisch!

Breaking a la Breisgau

Brooklyn ist hier zwar nicht gerade um die Ecke, aber in Freiburg ist das Breaking auch längst angekommen. Und Naomi, 25 Jahre alt, prägt es als Schwarzwälder B-Girl aktiv mit. Wenn sie nicht gerade in ihrer Rolle als selbstständige Tanzlehrerin Breaking-Kurse für Kinder und Jugendliche gibt, ist sie in der Streetdance-Szene anzutreffen. „Die ist in Freiburg mit zehn Tänzern allerdings sehr überschaubar“, erzählt sie uns und lacht. Dafür ist man sehr eng: „Wir treffen uns, geben uns gegenseitig Tipps und tanzen einfach miteinander.“ Und das offensichtlich wohl gar nicht so schlecht. Im Team haben die Freiburger unlängst die erste deutsche Meisterschaft im Breaking gewonnen. Und das soll erst der Anfang sein. Um die freie Szene und den Nachwuchs vor Ort zu fördern, hat Naomis Crew den Verein Urbane Künste Freiburg ins Leben gerufen. 2019 gelang es bereits, ein internationales Tanzfestival samt Battles und Workshops im FreiburgerHaus der Jugend zu veranstalten. Seit Corona ist dieses Projekt allerdings auf Eis gelegt. Vorerst …

Grosse Chance

Die Pandemie ist auch derGrund, warum Naomi derzeit die meiste Zeit beim alleinigen Training im Fitnessstudio verbringt – oft ohne Musik und mit wenig Platz zum Üben. Es sind schwierige Voraussetzungen für die Vorbereitung auf ihr großes, noch zweieinhalb Jahre entferntes Ziel: Olympia. Breaking ist dabei. Zum ersten Mal soll bei den Spielen ordentlich gedanct werden. Dabei wird es dann auch um Medaillen gehen, logo. Weit davon entfernt ist Naomi nicht mehr. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Joelle, die in Lyon lebt, gehört  sie zu den Top 16 des deutschen Breaking-Bundeskaders. „Für mich ist das eine Riesenchance, die ich nutzen möchte, weil ich weiß, dass ich dadurch den nächsten Schritt gehen kann“, erzählt Naomi. Dazu kommen zwei tolle Trainer und die Möglichkeit, mit den besten Tänzern aus Deutschland zusammen zu trainieren und auf internationale Battles gehen zu können. Pro Quartal findet ein dreitägiger Kaderlehrgang vom Deutschen Tanzsportverband statt. Dort bereitet sich Naomi gemeinsam mit dem Team auf die Wettkämpfe vor.

Die Challenge läuft...

Ein Pappenstiel ist das allerdings trotzdem nicht. Beim Breaking ist ein hohes Maß an Athletik Grundvoraussetzung. Und gesetzt ist niemand. Sammelt Naomi in den laufenden Turnieren nicht genug Punkte, kann sie jederzeit ihren Platz im Team verlieren. „Deshalb musst du einfach die ganze Zeit funktionieren“, sagt sie und lächelt optimistisch. An dieses System muss sich die Breaking-Szene allerdings erst noch gewöhnen. Getanzt wird im K.o.-System. Schon kleine Patzer oder Unsauberkeiten reichen und man ist raus. Manchmal, erzählt uns Naomi, komme man auch mit dem Song einfach nicht klar. Auch dann kann’s das schon direkt gewesen sein. Nicht wenige Tanzkollegen sehen den Wettkampfcharakter deshalb kritisch. Naomi nicht: „Bevor ich etwas ablehne, möchte ich mir davon erst mal ein Bild machen!“

Jeder kreiert seinen eigenen Style

Naomi schätzt Breaking vor allem als Kunst – und als eine der wenigen Tanzsportarten, bei der die Kreation des eigenen Stils im Mittelpunkt steht. „Wenn du damit anfängst, lernst du die Basics. Aber danach bist du dein eigener Trainer, du kreierst deinen Style und das, was dich ausmacht“, sagt die Tochter einer Lehrerin, die in Freiburg bereits seit Jahren eine Tanzschule leitet. Das liegt bei den Karfichs offensichtlich im Blut. Deshalb sieht sich Naomi selbst auch eher als Tänzerin, die sich ihrer Leidenschaft hingeben will, denn als Athletin.

Tanzen ist Freiheit

„Nirgendwo kann ich so frei sein wie beim Tanzen. Dann vergesse ich alles und blende meine Sorgen und Gedanken einfach aus.“ Es ist der Traum, den sie jeden Tag lebt. Vielleicht wird sie ihn nun eines Tages noch vergolden …

Let's break!

Footworks, Top Rocking, Freezes, Powermoves: Das Breaking hat wie kaum ein anderer Tanzstyle eine ganz eigene Sprache entwickelt. So befindet sich der Tänzer beim Turtle in einer sogenannten Turntable-Position und rotiert seinen Körper durch das Wechseln von Arm zu Arm. Beim Backspin dreht man sich auf dem Rücken, beim Headspin auf dem Kopf (autsch!). Und wer jetzt keinen Bock auf Vokabeln lernen hat, sondern es lieber gleich selbst ausprobieren will, Kurse mit Naomi in Freiburg gibt’s zum Beispiel hier: www.allez-hop.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 30 (1/2022)

In unseren neuen Ausgabe #heimat springen wir für Euch als Eis-Badener ins eiskalte Wasser, stapfen langsam auf Schneeschuhen durch die Natur und starten mit Rüben statt Rindern vegetarisch ins Jahr. Dazu lernt Ihr unseren Masked Schnitzer Simon Stiegeler und Freiburgs Breakdance-Queen Naomi Karfich kennen. #heimat-Herz, was willst Du mehr?

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