Karibikfeeling im Elsass

Aloha! Sommerurlaub in unsrer Heimat gefällig? Im Elsass kein Problem. Sogar surfen kann man hier. Das mussten wir ausprobieren…

Text: Sarina Doll · Fotos: Dimitri Dell

Auf die perfekte Welle wartet man am Badesee Les Mouettes vergeblich. Der See im elsässischen Lauterbourg ist, wie ein Baggersee eben ist: ohne Seegang. Trotzdem kann man hier Wellenreiten. Hä? Wie soll das denn gehen? Das hab ich mich auch gefragt, als es in der Redaktion hieß: Geh du mal Surfen ins Elsass. Nur wie? Denn ohne unseren Nachbarn zu nahe treten zu wollen: Für rauschende Ozeane, heiße Strandtage und Surferboys ist diese Region am Oberrhein nun wirklich nicht bekannt. Doch hier in Lauterbourg sieht das anders aus. Zumindest düst hier ein Surfer nach dem nächsten über den See. Scheinbar wie von Geisterhand …

Sommer, Sonne, Surfbrett

Die Magie dahinter liegt wie so oft im Verborgenen. In diesem Fall unterm Surfbrett. Sechs PS, zwei Turbinen und ein Akku sind für den Spaß ohne Wind und Wellen verantwortlich. E-Surfen nennt sich das. Was Fahrräder und Autos können, können Surfbretter schon lange. Sieht easy aus, wie lässig hier alle über das Wasser gleiten … Trotzdem habe ich einen Heidenrespekt. Dazu sollte muss wissen: Ich war im Wasser schon immer ein bisschen schissig. Außerdem stand ich auch noch nie in meinem Leben auf einem Surfbrett. 

Aber das eigentlich Schlimme ist: Ich werde verfolgt von einem Kamerasucher und einer Drohne. Schließlich sollen die Leser ja sehen, wie wir über den See brettern. Immerhin muss ich den ganzen Spaß hier nicht allein machen. Einige meiner Freunde haben sich gern überreden lassen und stürzen sich mit mir jetzt in die nicht vorhandenen Wellen. Manche schon mit Surferfahrung, andere wie ich als blutige Anfänger. Und ehrlich gesagt, gibt’s ja auch Schlimmeres an heißen Sommertagen …

Jedes Jahr von Mai bis Oktober verwandelt sich das Ufer von Les Mouettes in die AlsaSurf67 Beachbar mit Surfbrettverleih. In Liegestühlen am Sandstrand sonnen sich hier Deutsche und Franzosen um die Wette, schlürfen Cocktails, lauschen Reggae-Musik. Auch meine Freunde und ich haben ein gemütliches Plätzchen gefunden. Fotograf Dimitri ist sichtlich begeistert und lässt die Kamera rattern. Palmen ragen über unsere Köpfe. Vor uns liegt der türkisblaue See. „Selten so einen schönen Baggersee gesehen“, sagt meine Freundin Kim – und sie hat recht. Der Lac du Mouettes hat was Karibisches. 

Wer braucht schon Honolulu?

Eigentlich hatte ich mich ja noch zuvor gefragt: Kann das Elsass tatsächlich Urlaubsgefühle in mir wecken? Immerhin ist es nur eine Stunde Fahrt von zu Hause. Beim ersten Sex on the Beach an der Bar – der hier gern auch in tiefstem Badisch bestellt wird – bin ich aber bereits im Ferienmodus. Der Lac du Mouettes steht den Traumstränden dieser Welt kaum nach. Dabei wollen viele bunte Schilder mir den Weg in die bekannten Paradiese weisen. Links lang nach Honolulu. Rechts nach Sydney. Doch wen interessiert schon Australien oder Hawaii, wenn das Urlaubsfeeling direkt vor der Nase liegt? Selbst weißen Sand hat man hier an der Bar zwischen den Fußzehen. Auch wenn mit rund 200 Tonnen ein wenig nachgeholfen wurde. Egal. Bikini an, Sonnenbrille auf, Augen zu und den Sommer genießen! 

Volles Brett!

„Willkommen im Urlaub“, begrüßt uns Sebastien Friker, der Inhaber von AlsaSurf67, als könnte er Gedanken lesen. Der braun gebrannte Mann in Shorts und Flip-Flops heißt uns lässig willkommen. In seiner Sonnenbrille spiegelt sich das glitzernde Wasser. Ich nehme einen kräftigen Schluck von meinem eiskalten Drink, um mich für mein anstehendes Surfabenteuer zu wappnen. Ein bisschen Mut kann ich jetzt gut gebrauchen … 

Sebastien betreibt mit seinen 49 Jahren das AlsaSurf67 seit 2019. Als leidenschaftlicher Surfer (wie sollte es anders sein) hat er sein Hobby zu sich ins Elsass geholt. Wo keine Wellen sind, muss man doch trotzdem irgendwie surfen können, oder? Und damit hat er Recht behalten. Auf einer seiner Reisen nach Südfrankreich entdeckte er die motorisierten Surfboards. Nach Jahren als Financial Director brach er dann mit AlsaSurf67 aus seinem Bürojob aus. Zumindest im Sommer. Seine liebste Aufgabe: Menschen das Surfen beibringen. Also los!

Brettern übern See

Jetzt gibt’s kein Zurück mehr! Sebastien schnappt sich Kevin, Freddy, Kim und mich für eine kurze Surf-Einweisung. Kevin als alter Surf-Hase geht gleich selbstbewusst Richtung Wasser. Ich folge ihm. Die Unsicherheit steht mir ins Gesicht geschrieben. Aber Sebastien versucht mich zu beruhigen: „Das ist total einfach!“, versichert er. So richtig glauben kann ich ihm das aber noch nicht. Ich kann zwar Snowboarden, aber ob das vergleichbar ist? Immerhin haben diese Bretter richtig Speed. Mit bis zu 40 Stundenkilometern düsen wir gleich übers Wasser. Und der Clou an der Sache ist: Je langsamer man fährt, desto instabiler wird das Ganze. Im Umkehrschluss heißt das: Nur wer ordentlich Vollgas gibt, steht am Ende des Tages sicher auf dem Ding. Ich schlucke. 

Doch zum Schisshaben bleibt jetzt keine Zeit mehr. Wir werden mit Schwimmwesten ausgestattet. Für Kevin ziemlich unnötig, für mich total erleichternd. Eine Schlaufe um meinen Fuß verbindet mich mit dem Board. Damit das mir bloß nicht abhaut! Ums Handgelenk wickle ich mir ein Armband, daran fixiert ein kleiner Knopf. Zwischen Daumen und Zeigefinger lässt er sich drücken. Das ist das Gaspedal. Während Sebastien uns noch die letzten Tipps erklärt, startet Dimitri schon mal die Drohne. Mit einem lauten Zurren steigt sie in den azurblauen Himmel. Kevin nimmt das als Startsignal, springt auf sein Brett und steht keine drei Sekunden später wie ein Profi. Respekt! Mein Ehrgeiz ist geweckt. 

Erstmal in Bauchlage?

Umständlich krabble ich auf das wackelige Brett. Vielleicht lege ich mich erst mal auf den Bauch? Nur, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Die Aussage von Sebastien, je schneller, desto besser, nehme ich beim Wort und drücke den Knopf in meiner Hand beherzt. Direkt schnurrt der Elektromotor los. Mit einem Satz fängt das Board an, sich zu verselbstständigen. Himmel! Ich muss mich gut festhalten, um nicht direkt runterzurutschen. Das Teil hat Power! So viel, dass mir direkt eine ordentliche Ladung Wasser im Gesicht landet.  

Doch davon lasse ich mich nicht unterkriegen. „Jetzt erst recht“, denke ich mir. Im zweiten Anlauf drücke ich den Knopf sachter, steigere mich dann langsam, werde schneller und schneller. Jetzt ist es kein Wasser mehr, sondern kühler Fahrtwind, der mir ins Gesicht peitscht. Wie schnell ich wohl grade bin? Schnell genug, um aufzustehen, beschließe ich kurzerhand. Ich nehme all meinen Mut zusammen, drücke mich in den Vierfüßlerstand, stelle meine Füße auf und: erhebe mich. Mit ausgestreckten Armen und zitternden Knien stehe ich. Ich stehe!!! Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie Kate Winslet auf der Titanic. Vom Ufer ertönen Jubelschreie. Der Hammer! Doch dann vergess’ ich, den Gasknopf weiter zu drücken. Das Board wird langsamer, fängt an zu ruckeln. 

Ehe ich mich versehe, lande ich im kühlen Nass. Mein Bikinioberteil verabschiedet sich Richtung Taille. Die Nase voller Wasser, aber mit stolzem Grinsen tauche ich auf und folge der Schnur an meinem Bein zurück zum Board. So schlimm war’s gar nicht. Also gleich wieder rauf aufs Board. Gas geben. Aufstehen. Jubeln. Fallen. Von vorne! Immer und immer wieder.

Nach 20 Minuten auf dem Wasser ist unsere Zeit abgelaufen. 39 Euro kostet der Spaß. Aber: Das lohnt sich! Vor allem weil man sich dafür viele Stunden Fahrtweg ans Meer spart. Was ein Urlaubstag! Und das direkt vor unserer Haustür … 

Surfstunde gefällig?

Wer selbst mal aufs Board will, kann das bei AlsaSurf67 probieren. Mehr Informationen gibt’s unter: www.alsasurf.com 

#heimat Schwarzwald Ausgabe 33 (4/2022)

Wir feiern den #heimat-Sommer – und entdecken die Karibik vor unserer Haustür. Wo genau? Das müsst Ihr unbedingt in unserer neuen Ausgabe nachlesen! Dass wir noch mehr für die heißen Tage für Euch haben, keine Frage! Heiße Burger zum Beispiel aus Karlsruhe. Oder heiße Reifen bei unserem kleinen Enduro-Abenteuer. Und unsere Füße haben wir uns auch noch ganz heiß gelaufen, darauf ein kühles Bier aus Ottersweier – von Männern, die sich was brauen. Ihr seht schon: Mehr #heimat-Sommer geht kaum. Also lasst ihn uns genießen!

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